Dank der WDR-Landkarte findet man in Essen Informationen zu fast jedem Stolperstein. [Foto: Carolin Neumeier]
In der Nähe des Essener Campus blitzt ein goldener Stein im Boden. Seine Aufgabe? Erinnern an Kurt Waag, ein jüdischer Mann, der 1943 nach Auschwitz deportiert und dort 1945 ermordet wurde. Als weitreichendes Kunstprojekt erinnern Stolpersteine an verfolgte Anwohner:innen, die den Verbrechen der Nationalsozialist:innen zum Opfer gefallen sind.
Erst vor kurzem wurden in Essen an zwei Stellen, in der Heinrichstraße und der Huyssenallee, Stolpersteine mit Farbe besprüht. Einen Tag vor der Jährung der Pogromnacht von 1938 wurden die Steine, die den Familien Weiss und Gelles gedenken, gezielt mit roter Sprühfarbe unkenntlich gesprüht. Die Schändung von Gedenkstätten jüdischen Lebens kurz vor einem historischen Tag, an dem sich die Umstände für jüdisches Leben radikal änderten, ist mehr als verachtenswert. Es sollte die Aufgabe eines:r jeden Deutschen sein, solche Akte über den Vandalismus hinaus als faschistische Schandtaten zu verurteilen.
Messingblöcke als Erinnerungskultur
Die Stolpersteine sind ein einzigartiges Großprojekt, das weltweit die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus aus Museen und anderen Institutionen der Erinnerungskultur auf die Straße trägt. Die kleinen Gedenktafeln, die im Straßenpflaster verlegt sind, markieren Wohnorte von Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt, deportiert oder getötet wurden. Oft gedenken sie in kleinen Gruppen im Boden ganzer Familien. Der Künstler Gunter Demnig rief das Kunstprojekt 1992 ins Leben. Der erste verlegte Stolperstein aus dem Dezember desselben Jahres befindet sich vor dem Kölner Rathaus und mahnt Heinrich Himmlers Befehls zur Deportation von Sinti und Roma. Mehr als zwanzig Jahre später hat es sich zu einer weitreichenden Form der dezentralen Gedenkstätte entwickelt.
Auch wenn die Steine nicht wortwörtlich dafür sorgen, dass man über sie stolpert, soll ihr Anblick doch zum gedanklichen Stolpern und Reflektieren führen. Außerdem geben die kleinen Gedenkstätten deportierten Personen, die entmenschlicht und mit Nummern versehen wurden, ihre Namen zurück. Seit der ersten Verlegung haben sich die Stolpersteine über Deutschland hinaus verbreitet. Heute sind in über 30 Ländern weltweit mehr als 100.000 Stolpersteine verlegt. Das Urheberrecht sowie die Produktion und Verlegung der meisten Steine übernahm Gunter Demnig selbst.
Stolpersteine machen individuelle Schicksale sichtbar und erinnern uns weiterhin daran, dass nie wieder jetzt ist. In Zeiten des Rechtsrucks, in denen antisemitische und rassistische Tendenzen zunehmen, sollte das Projekt ein lebendiges Mahnmal gegen das Vergessen und für eine gerechtere demokratische Gesellschaft darstellen. Die mutwillige Beschädigung von Stolpersteinen muss kollektiv geahndet werden.
Solidarität zeigen und Stolpersteine polieren
Die aus Messing bestehenden Steine oxidieren aufgrund unterschiedlicher Wetterlagen schnell und verfärben sich. Um die Gedenktafeln wieder lesbar zu machen und dadurch das Andenken an politisch verfolgte Personen zu ehren, sollten wir uns alle daran beteiligen, die Steine zu säubern. Falls ihr also in der Nähe eures Wohnortes, Arbeitsplatzes oder der Universität dreckige oder verfärbte Stolpersteine seht, plant doch mal, diese zu reinigen. Das könnt ihr mit einem passenden Messing-Metallreiniger und einem Schwamm mit grober Seite tun. Alternativ kann man aber auch eine halbe Zitrone in grobes Salz tauchen und damit die Oberfläche des Steines abschrubben. Der Vorgang sollte wiederholt werden, bis das Messing wieder glänzt. Danach noch trocken polieren und schon sind die kleinen Gedenktafeln wieder lesbar. Dank einer App des WDR findet ihr alle Stolpersteine NRWs sogar in einer interaktiven Karte.