Mercator-Professorin: Eine Zwiebel gegen Populismus?

Artikel: Mazen Hassoun | Dr. Prof. Mai Thi Nguyen-Kim in Duisburg. [Foto: Mazen Hassoun]

Im November wurde Dr. Prof. Mai Thi Nguyen-Kim Mercator-Professorin an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Am 22. November hielt sie vor hunderten Teilnehmer:innen einen Vortrag im Duisburger Audimax. Bekannt wurde sie durch den YouTube-Kanal „MaiLab“. Unser Redakteur hat sie interviewt.

Seit 2015 versucht Mai Thi Nguyen-Kim komplexe wissenschaftliche Themen für Laien zu erklären. Angefangen hat sie auf YouTube mit ihrem Kanal „The Secret Life of Scientists“. Ein Jahr später startete sie ihren von funk produzierten YouTube-Kanal „Schönschlau“. Der Kanal wurde später zu „MaiLab“ umbenannt und hat mittlerweile 1,5 Millionen Abonnent:innen. Allerdings war es im April 2023 das Ende. Mai gab den YouTube-Kanal auf, weil sie ihn zeitlich nicht mehr unterbringen konnte.

Besonders in der Corona-Zeiten wurde der Kanal „MaiLab“ sehr erfolgreich. Ihre Videos zu Corona und Impfstoff waren Trend in Deutschland. Für Mai ist die Sprache eine der wichtigsten Gründe für ihren Erfolg. „Ich glaube, das fängt schon mit der Sprache an. Dass man eine einfache Sprache wählt, eine nicht zu komplizierte Syntax und Fachbegriffe nur dann verwenden, wenn sie wirklich sinnvoll sind. eil sie etwas erleichtern, aber nicht, wenn es einen einfacheren Begriff gibt, der dasselbe erklären könnte“, sagt sie.

Auch die wissenschaftliche Methode ist ein großes Thema bei ihr. „In meiner Arbeit lege ich ganz viel Fokus auf die wissenschaftlichen Methoden, also die Art und Weise zu arbeiten. Das sind eben Dinge, die auch Laien helfen, unterschiedliche, auch scheinbar widersprüchliche Ergebnisse besser einzuordnen“, teilt Nguyen-Kim mit. Für sie ist wichtig, dass man bei einer wissenschaftlichen Arbeit weiß, wie die Zahlen und Daten entstanden sind. „Nur mit einem soliden Verständnis über wissenschaftliche Methoden kann man wissenschaftliche Ergebnisse auch einordnen.”

Die promovierte Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Grimme Online Award und dem Bundesverdienstkreuz. Sie wurde Mercator-Professorin an der Universität Duisburg-Essen für das Jahr 2023. Die Mercator-Professur an der UDE gibt es seit 1997 zur Ehrung des Duisburger Kartographen Gerardus Mercator, der im 16. Jahrhundert gelebt hat. Bereits im November hat sie ihren Vortrag über die Bedeutung von Reichweite und Aufmerksamkeit für Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation gehalten.

Schon während der Pandemie kämpften Wissenschaftler:innen gegen Populist:innen. Dieser unfaire Kampf zwischen der wissenschaftlichen Methode und mühelosen populistischen Argumenten gab es schon immer. Denn viele Menschen sind gelockt von einfachen populistischen Erklärungen und Verschwörungstheorien. Die Lösung? Eine Zwiebel.

Wissenschaftskommunikation sei laut Nguyen-Kim wie eine Zwiebel. Die äußeren Schichten sind kurze YouTube-Videos oder Instagram-Reels. Sie sind zwar oberflächlich, allerdings erreichen sie ganz viele Menschen und sorgen für mehr Aufmerksamkeit. Denn ohne Aufmerksamkeit gäbe es keinen Impact. Im Inneren der Zwiebel liegt die original wissenschaftliche Veröffentlichung, die nur eine begrenzte Anzahl von Menschen, meistens Fachleuten, zugänglich ist. Das Ziel des Wissenschaftsjournalismus sei es, so viele Menschen wie möglich ins Innere der Zwiebel zu bringen. „Es ist auch wichtig, dass man sagt, klar geht es bei Wissenschaft ums Innere der Zwiebel, aber keine Angst vor Oberflächlichkeiten, weil sonst verlieren wir gegen alle anderen im Kampf um Aufmerksamkeit“, sagt Nguyen-Kim.

[Foto: Screenshot aus dem Vortrag]

Allerdings bedeutet hohe Aufmerksamkeit nicht automatisch ein besseres Verständnis der Wissenschaft bei den Menschen. Denn zu viele mediale Aufmerksamkeit könnte auch schädlich für die Wissenschaft sein. Dr. Prof. Nguyen-Kim spricht von einem „Aufmerksamkeitsdilemma”. Denn die wissenschaftlichen Themen werden in den Medien nicht detailliert genug herausgearbeitet. Dies führt zu einem Nationaltrainer-Effekt wie in der Corona-Zeit. „Plötzlich hatten wir 80 Millionen Virologen und Epidemiologen“, sagt Nguyen-Kim.

Falls ihr den Vortrag verpasst habt, könnt ihr ihn auf YouTube unter diesem Link anschauen.


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