Im Büro: Was liest … PD Dr. Stefan Hermes?

Artikel: Rabea Jung | Hier bekommt ihr einen Einblick in die Büroregale von PD Dr. Stefan Hermes. [Foto: Rabea Jung] 

Habt ihr euch jemals während einer Sprechstunde gewünscht, die Regale eurer Dozierenden genauer unter die Lupe nehmen zu können? Dieser Artikel ermöglicht es euch! In unserer neuen Reihe Im Büro stellen wir euch die Regale von Lehrpersonen unserer Uni vor. Den Anfang macht PD Dr. Stefan Hermes, Dozent für germanistische Literaturwissenschaft am Campus Essen. 

Wer das Büro von Stefan Hermes betritt, wird gleich mit mehreren Regalen konfrontiert. Sein System beschreibt der Dozent für germanistische Literaturwissenschaft wie folgt: „Es gibt ein Regal für Allgemeines, Theoretisches und Historisches, wo sich auch Überblicks- und Einführungswerke befinden“. Ein anderes Regal ist chronologisch sortiert, fängt also mit den ältesten Texten an und reicht bis in die Gegenwart – Fiktion und Non-Fiktion trennt Hermes hier nicht. Zusätzlich „gibt es so ein Privatsystem“ in einem weiteren Regal, in dem „die Texte für konkrete Lehrveranstaltungen des Semesters stehen, die danach wieder in die ursprüngliche Ordnung zurückgehen“. Kurse und Forschung spiegeln sich also direkt in diesen Regalen, die „Dekoration ergibt sich – ich bin nicht so engagiert im Bereich des Dekorierens – primär aus Geschenken, also Bilder meiner Kinder oder Geschenke meiner Kolleg:innen“. Ein Stück Motivation hat er sich jedoch – entnommen aus einem Werk von Rainald Goetz – an die Wand geklebt: „Don’t cry, work!“. 

„Texte ermöglichen neue Formen des Denkens“

Für seine Forschung und Lehre, die sich unter anderem auf die Bereiche Interkulturalität, Postkolonialismus, Rassismus, (Kultur-)Anthropologie und Reiseliteratur fokussiert, empfindet Hermes besonders „bestimmte Texte, die neue Formen des Denkens ermöglichen“ als essenziell. So beispielsweise „die Klassiker der postkolonialen Theorie – Edward Said, Gayatri Spivak, Homi Bhabha – wobei es wichtig ist, diese Texte nicht als Offenbarung, sondern a) als Inspiration und b) als Gegenstand kritischer Reflexion zu sehen“. Besonders wichtige Referenzwerke sind für ihn „die literaturwissenschaftlichen Essays von Toni Morrison, besonders was Texte zu Blackness und Whiteness angeht, wobei diese Texte nicht eins zu eins auf die deutschsprachige Literatur übertragbar sind“. 

„Man hat immer was zu tun im Leben – es ist nie langweilig!“ 

Aktuell liest Stefan Hermes Die Weltreise eines Sexualforschers (1933) von Magnus Hirschfeld für eine spätere Publikation im Rahmen des wissenschaftlichen Netzwerks Reisende Körper: Körper und Körperlichkeit in Reiseliteratur. Ansonsten arbeitet er momentan unter anderem an der Rezension einer Habilitationsschrift. Generell liest Hermes immer mehrere Bücher gleichzeitig und unterscheidet nicht zwischen Forschungsliteratur und Freizeitlektüre, „weil alles, was mich privat interessiert, auch potenziell beruflich interessant ist.“

„Je mehr man liest, desto mehr merkt man, was man noch lesen will.“ 

Es sei „schwierig zu unterscheiden“, ob die Wahl seiner Forschungsfelder bewusst erfolgte, da die besagte Wahl „natürlich immer mit Interessen zu tun hat, aber wenn man dann einmal reingerutscht ist in bestimmte Felder, muss man sich manches systematischer erarbeiten“. Von einem persönlichen Kanon beziehungsweise einer generellen Liste an Empfehlungen für Studierende hält Hermes jedoch nichts: „Ich würde so eine Liste nie aufstellen wollen, weil mir das zu autoritär ist, weil das von persönlichen Interessen und vom Studienfach abhängt. Wichtig ist, das zu lesen, was einen nicht sofort interessiert, vielleicht weil man nicht weiß, womit man es zu tun hat“. Für ihn ist es relevant, „nicht mit Nutzen im Hinterkopf ans Lesen heranzugehen“. Nach kurzer Überlegung jedoch würden ihm zwei Werke einfallen, die er allen empfehlen würde: „In den Homerischen Epen ist schon viel drin“ – die Ilias und die Odyssee sind seiner Meinung nach „tolle Texte“. 

„Nachts weniger schlafen, mehr lesen!“ 

Retrospektiv könnte Hermes keine Bücher benennen, die er gerne früher gelesen hätte, denn „es ist ja nie zu spät dafür“. Auch aktuell gäbe es natürlich Literatur, die er „gerne lesen würde, aber nicht dazu kommt. Je mehr man liest, desto mehr merkt man, was man noch lesen will.“ Das muss aber nicht negativ konnotiert sein, sondern sorgt dafür, dass „man immer was zu tun im Leben – es ist nie langweilig!“ Daher sein („todernst“ gemeinter) Ratschlag: „Nachts weniger schlafen, mehr lesen!“ 


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