Gen Z: Rückt unsere Jugend nach rechts?

Artikel: Mazen Hassoun | Junge Menschen demonstrieren gegen die AfD in Düsseldorf. [Foto: Mazen Hassoun]

Die Studie „Jugend in Deutschland 2024“ zeigt einen deutlichen Rechtsruck unter der Generation Z. Was sind die Gründe dafür? Welche Rolle spielt TikTok? Was ist die Kritik an dieser Studie? Wir fragen eine Expertin.

Anfang April sorgte die Studie „Jugend in Deutschland 2024“ für Aufsehen: Gen Z rücke immer mehr nach rechts. Generation Z bezeichnet die Menschen, die zwischen 1996 bis 2010 geboren sind. Diese Entwicklung löste heftige Debatten in der Politik und in Talkshows aus. Mehr als 2.000 junge Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren wurden im Zeitraum von Januar bis Februar 2024 in einem Online-Panel über ihre Lebenssituation und Parteipräferenz befragt. Die Ergebnisse sind alarmierend: Junge Menschen blicken pessimistisch in die Zukunft und leiden unter psychischen Störungen. 11 Prozent der Befragten, also fast jede:r Neunte in diesem Alter, befinden sich wegen psychischer Störungen in Behandlung. Junge Frauen seien dabei häufiger betroffen als junge Männer.

Zitat aus der Studie: „Viele Schulen, Ausbildungsbetriebe und Unternehmen berichten über einen steigenden Krankheitsstand und vermitteln den Eindruck, die jungen Leute seien besonders wenig belastbar und ließen sich schnell krankschreiben. Es zeigt leider auch, dass das Bildungssystem es aktuell nicht vermag, junge Menschen für den Umgang mit zunehmendem Stress aufgrund des beschleunigten digitalen Lebens vorzubereiten.“

Mit welchen Themen beschäftigen sich junge Menschen?

Wirtschaftliche Sorgen stehen laut der Studie bei jungen Menschen an erster Stelle. 65 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich vor steigender Inflation sorgen. Teurer und knapper Wohnraum beunruhigt 54 Prozent, 48 Prozent haben Angst vor Altersarmut und Wirtschaftskrisen. Sorgen um den Klimawandel sind von 55 Prozent auf 49 Prozent gesunken, während Sorgen vor der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen sich verdoppelt haben (von 22 Prozent im Jahr 2022 auf 41 Prozent im Jahr 2024).

Hier sind die Zahlen zur Übersicht. [Quelle: WDR]

Rechtsruck unter jungen Menschen

Was die Politik am meisten schockiert hat, ist der behauptete Rechtsruck unter den Befragten. 22 Prozent der Befragten würden die AfD wählen. Das ist mehr als doppelt so viel wie vor zwei Jahren, als der Anteil der AfD-Anhänger:innen unter jungen Menschen noch bei 9 Prozent lag. Somit liegt die AfD an erster Stelle, gefolgt von CDU/CSU mit 20 Prozent. Die Ampel-Parteien verlieren an Zustimmung.

Hier sind die Zahlen zur Übersicht. [Quelle: WDR]

Die Macher:innen der Studie nennen auch die Gründe dafür: Zum einen protestieren junge Menschen damit gegen die Ampelregierung, vor allem in Fragen der Migrationspolitik und Wirtschaft. Zum anderen stehe TikTok als wichtiger Einflussfaktor im Mittelpunkt dieses Anstiegs.

Seit Monaten investiert die AfD stark in TikTok. Die chinesische Plattform, die immer wieder in die Kritik gerät, gilt als wichtigste Plattform für junge Menschen. Kurze Clips und einfaches Stöbern kommen bei ihnen gut an. Lange Zeit gab es ein Vakuum auf TikTok; nur die Propaganda der AfD wirkte medienpräsent, während andere demokratische Parteien kein Interesse an TikTok zeigten. Mit populistischer Sprache und Manipulation von Fakten gewann die AfD an Popularität unter jungen Menschen.

Die Radikalisierung von jungen Menschen auf TikTok wurde in letzter Zeit häufig thematisiert. Nicht nur die AfD, sondern auch Islamisten sind dort sehr aktiv und versuchen mithilfe der Plattform junge Menschen zu manipulieren.

Kritik an der Studie

Dr. Susanne Pickel, Professorin für Politikwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen, ist gegenüber der Studie skeptisch. Sie kritisiert vor allem die Methodik der Studie. „Das Problem ist: Im Internet und in den sogenannten Online-Panels, zu denen Personen von den Umfrageinstituten geworben werden, sind junge Menschen und AfD-Sympathisant:innen in der Regel überrepräsentiert“, sagte Pickel gegenüber der ak[due]ll.

Dr. Susanne Pickel, Professorin für Politikwissenschaften [Quelle: UDE] 

Die Repräsentativität der Online-Panels ist in der Wissenschaft umstritten. Wissenschaftler:innen kritisieren, dass die Reliabilität dieser Methode nicht immer gewährleistet ist. „Ohne die Nennung der Zusammensetzung der Stichprobe kann die Repräsentativität der Studie nicht eingeschätzt werden. Dies ist wichtig, weil Online-Befragungen selten repräsentativ sind, aber oft so kommuniziert werden, als wären sie es“, so Pickel.

Ein weiterer Kritikpunkt von Pickel ist, dass die Anzahl der Nichtwähler:innen (10 Prozent) bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurde. Auch die Befragten, die nicht wissen, ob sie wählen gehen (25 Prozent), wurden bei der Auswertung ausgeschlossen. „Nimmt man die Unentschlossenen hinzu, verringert sich der Anteil der AfD-Sympathisanten deutlich auf 14,2 Prozent“, sagt Pickel.

Obwohl es Kritik an der Studie „Jugend in Deutschland 2024“ gibt, zeigen die Ergebnisse dennoch deutliche Rückschritte im Demokratieverständnis in Deutschland. Die Politikwissenschaftlerin Susanne Pickel nahm an der Erstellung des Demokratieberichts für NRW (Datenerhebung März und April 2023) teil. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung auch autokratische Elemente in unserer Demokratie akzeptieren würde, wie zum Beispiel eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft verkörpert. „Unter jungen Menschen ist dieser Anteil zwar geringer, aber die politische Sozialisation in Richtung chauvinistischer und nationalistischer Werte festigt entsprechende politische Einstellungen und gefährdet auf Dauer das Überleben unserer Demokratie“, sagt Pickel der ak[due]ll.

Ein Grund für den Erfolg der AfD bei jungen Menschen liege auch daran, dass diese weniger aufgeklärt seien. Die Botschaft der AfD kommt bei ihnen unbewusst an. „Gespräche mit Schüler:innen zeigen, selbst wenn sie eine Affinität zur AfD weit von sich weisen, übernehmen sie teilweise das in den sozialen Medien häufig verbreitete Vokabular, ohne sich dessen bewusst zu sein. Das entsprechende Gedankengut infiltriert so unbewusst ihre Gedankenwelt. Oft fehlen Kenntnisse über den wahren Charakter der AfD“, so Pickel.

Eins ist klar: Gen Z braucht gerade jetzt mehr denn je die Aufmerksamkeit der Politik. Sie verlieren langsam das Vertrauen in die Politik und werden von rechtsextremistischen Parteien manipuliert. Auch der Wandel von Sorgen um den Klimawandel hin zu Sorgen um Lebenssicherung und Wirtschaftskrisen sollte nicht ignoriert werden.


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