Text und Foto: Julika Ude
Nach dem Cyberangriff auf die Universität Duisburg-Essen (UDE) gab es für Studierende bald den nächsten Grund für schlechte Laune: Der Semesterbeitrag wurde zum Sommersemester 2023 erneut erhöht. Wer die insgesamt 22 Euro Beitragserhöhung bekommt, wofür das Geld verwendet wird und ob in Zukunft mit weiteren Erhöhungen zu rechnen ist.
Im Januar dieses Jahres war es wieder soweit: Die Rückmeldefrist für das Sommersemester 2023 begann. Während die Rückmeldeprozedur dieselbe war, war die zu überweisende Geldsumme eine andere. Ein Jahr zuvor hatten die Studierenden der UDE noch rund 324 Euro in das Betragsfeld getippt. In diesem Jahr waren es rund 346 Euro, 22 Euro mehr.
Die Rückmeldung zum Sommersemester fiel in die Zeit, in der die Konsequenzen der Cyberattacke auf die UDE für die Studierenden stark zu spüren waren. Viele beklagten sich über die Erhöhung des Semesterbeitrages. Ein Student schrieb in einer Studiengruppe, es sei „eine Frechheit [der Uni] keine Freiversuche zu genehmigen und trotzdem so viel Geld für das nächste Semester zu verlangen.“ Die Studierenden würden „von der Uni abgezogen, weil ja nicht mal das WLAN funktioniert.“ Dabei geht von dem Semesterbeitrag kein Geld an die Universität.
Von dem Semesterbeitrag einer einzelnen Person werden im Sommersemester 2023 rund 220 Euro für das Semesterticket bezahlt, ungefähr sieben Euro mehr als im letzten Semester. 16 Euro werden an den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der UDE gezahlt. Das Geld geht zum Beispiel an die Fachschaften, die davon unter anderem Fachschaftsfahrten oder Vorträge planen. Auch Projekte wie Semestereinstiegspartys werden davon bezahlt. Eine detaillierte Übersicht über den Haushalt 2023/24 des AStAs könnt ihr hier einsehen. Es bleiben noch 110 Euro, die als Sozialbeitrag an das Studierendenwerk gehen. Neben dem Geld für das Semesterticket ist das ein Kostenpunkt, der im vergangenen Jahr gestiegen ist.
Was ist das Studierendenwerk – und was macht es mit unserem Geld?
Das Studierendenwerk Essen-Duisburg ist als Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert und dient der Förderung der Studierenden. In sozialer und gesundheitlicher, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht. So betreibt die Einrichtung Mensen und Cafeterien an den Campus der UDE, der Hochschule Ruhr West (HRW) und der Folkwang Universität der Künste sowie Wohnheime in Campusnähe. Sie stellen Beratungsmöglichkeiten zur Studienfinanzierung und ein psychologisches und soziales Beratungsangebot zur Unterstützung der Studierenden bereit. Außerdem sorgen sie für interkulturelle Veranstaltungen und Betreuungsangebote für Kinder von Studierenden.
In diese Angebote fließt der Sozialbeitrag, der zum Sommersemester 2022 erstmals nach zehn Jahren von 95 Euro auf 100 Euro, also um 5 Euro erhöht wurde. Im Sommersemester 2023 folgte der zweite Anstieg. Der Beitrag wurde von 100 auf 110 Euro erhöht. Insgesamt stieg der Beitrag in den letzten drei Semestern um 15 Euro. Das Studierendenwerk finanziert sich durch den Sozialbeitrag, staatliche Zuschüsse und selbst erwirtschaftete Einnahmen, beispielweise durch Mensen und Cafeterien sowie Mieten der Wohnheime.
Zu der Erhöhung des Beitrags hätten schließlich mehrere Gründe beigetragen, erklärt Michael Dahlhoff, Geschäftsführer des Studierendenwerks. Neben den niedrigen Zuschüssen vom Land (Ak[due]ll berichtete), habe zum einen der geringe Kundenbetrieb in Mensen und Cafeterien während der COVID-Pandemie Spuren hinterlassen. Zum anderen seien durch die Inflation Sachkosten gestiegen und durch die jährlichen Tarifsteigerungen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), an denen sich die Arbeitsverträge des Studierendenwerks orientieren, hätten sich Personalkosten erhöht. Mit Blick auf die aktuellen Tarifverhandlungen sei zukünftig von weiteren Erhöhungen der Personalkosten auszugehen. Hinzu kämen die hohen Energiepreise seit des Angriffs auf die Ukraine und die daraus entstehenden Mehrausgaben.

Nicht nur in den Wohnheimen, sondern auch im Bereich der Cafeterien würden sich die gestiegenen Energiepreise bemerkbar machen. Es kommt vor, dass Studierende dort einige Stunden lernen, ohne Lebensmittel zu kaufen. In Zeiten steigender Preise ist das total verständlich, meint Dahlhoff. Allerdings müsse das Anbieten der Sitzgelegenheiten und des Stroms, der von Studierenden auch zum Aufladen elektronischer Geräte genutzt wird, von dem Studierendenwerk finanziert werden. Hier sei der Umsatz durch die Gastronomie deshalb wichtig.
Bauprojekte, fehlende Rücklagen & strukturelle Probleme
Zu der Erhöhung des Sozialbeitrags führten außerdem geplante Gebäudesanierungen. „Wir beheben unter anderem Gebäudemängel in der vor zwölf Jahren komplett sanierten Veledastraße, einem Wohnheim in Essen. Dort wurde ein Baumangel festgestellt, der uns leider 1,2 Millionen Euro kostet.“, erklärt Dahlhoff. „Bis 2033 planen wir die Sanierung aller Wohnheime abzuschließen.“ In 13 der 18 Wohnheime bestehe Sanierungsbedarf. In fünf Wohnheimen sei eine Sanierung sehr dringend notwendig. „Wir kalkulieren mit 55 Mio. Euro Sanierungsvolumen.“ Zukünftige Baukostensteigerungen seien für das Studierendenwerk, besonders vor dem Hintergrund der energetischen Sanierungspflicht nur schwer abzusehen. Durch diese Sanierungspflicht sollen bis 2033 alle Wohngebäude in der EU mindestens eine mittlere Energieeffizienzklasse erreicht haben. „Wir gehen derzeit davon aus, dass mit der Sanierungspflicht die Baupreise signifikant steigen werden und auch der Umfang der von uns geplanten Sanierungen zunehmen wird.” Gesetzlich ist der Sozialbeitrag nicht für den Bereich „Wohnraum“ vorgesehen. Studierendenwerke sollen in dem Bereich kostendeckend arbeiten. Bei dem Standort Essen-Duisburg ist das derzeit nicht der Fall.
Um die Wohnheimsanierungen umsetzen zu können, braucht man laut Dahlhoff das Beitragsgeld, um Kosten wie Mietausausfälle während der Sanierung bezahlen zu können. „Weitere Mieterhöhungen abseits von Energiekostenanpassungen sehen wir nicht als zielführend. Das wäre den Studierenden gegenüber nicht sozial und diese würden vermutlich woanders Quartier beziehen.“ Dahlhoff beteuert, dass man durch den Geschäftsbereich „Wohnen“ in der Vergangenheit, bei noch mäßigen Baupreisen, Rücklagen hätte erwirtschaften können. Von dem Studierendenwerk Essen-Duisburg wurden diese Rücklagen jedoch nicht gebildet und fehlen nun. „Dadurch bleiben als Finanzierungsmöglichkeiten für die Sanierungen nur interne Kosteneinsparungen, Sonderprogramme der Landesregierung und als Ultima Ratio die Erhöhung der Sozialbeträge“, so der Geschäftsführer.
Die fehlenden Rücklagen decken ein strukturelles Problem des Studierendenwerks auf. „Meiner Meinung nach macht die Diskontinuität der Steuerungsorgane, sprich Verwaltungsrat und Geschäftsführung, es schwer, strategisch zu arbeiten“, so Dahlhoff. Die Geschäftsführung wird alle fünf Jahre, der Verwaltungsrat alle zwei Jahre neu gewählt. Durch die Fluktuation der Mitglieder und die Komplexität der Aufgabenfelder sei es in der Vergangenheit schwierig gewesen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Um dies in der Zukunft möglich zu machen, soll ein internes Umstrukturierungs- und ein Kosteneinsparprogramm Abhilfe schaffen. Michael Dahlhoff berichtet: „Wir sind gerade auf einem Transformationspfad.“ Es seien zum Beispiel Führungspositionen neu ausgerichtet worden, sodass auch bei wechselnder Geschäftsführung nachhaltiges Handeln gesichert bleibe.
Wird der Sozialbeitrag in Zukunft weiter erhöht?
Ob der Beitrag in Zukunft weiter steigt, hänge auch davon ab, ob und in welcher Höhe das Studierendenwerk vom Land Sonderhilfen für die Sanierung der Wohnheime erhält. Der Geschäftsführer erwartet, dass Gespräche dazu noch in diesem Jahr stattfinden werden. Weitere Steigerungen könnten durch eine ansteigende Inflation oder durch den Wegfall der Energiepreisbremsen nötig werden.
Allerdings blickt Dahlhoff, neben möglichen Sonderhilfen, einer stärkeren finanziellen Unterstützung vom Land zuversichtlich entgegen: „Im Koalitionsvertrag hat die neue Landesregierung wichtige Forderungen der Studierendenwerke aufgegriffen.“ So soll der prozentuale Zuschuss für die Studierendenwerke regelmäßig erhöht werden. „Schon Maßnahmen wie der Corona-Rettungsschirm, die Energiekostenzuschüsse sowie die Unterstützung für gestiegene Materialkosten im Bereich der Mensen sind deutliche Zeichen, dass diese Landesregierung die Studierendenwerke mit ihren Herausforderungen nicht alleine lässt.“
Auf der Website des Studierendenwerks findet ihr ein FAQ zu der Erhöhung des Sozialbeitrages.
Das Studierendenwerk Essen-Duisburg organisiert am 15.05.2023 außerdem eine Informationsveranstaltung, bei dem die Einrichtung über Neuerungen zu ihren Angeboten und Dienstleistungen informiert. Von 16.30 bis 18.00 Uhr habt ihr im Raum S05 T00 B08 am Campus Essen die Möglichkeit Fragen zu stellen und mit dem Studierendenwerk über aktuelle Entwicklungen, wie auch die Erhöhung des Sozialbeitrags, zu diskutieren.