Der Weg zum Therapieplatz muss kein schwerer sein

Repost zum Welttag der psychischen Gesundheit

Autorin: Helena Wagner | Die mentale Gesundheit ist genauso wichtig wie die körperliche. [Foto: pixabay]

Wir alle haben Zeiten, in denen es uns nicht gut geht, wo Probleme unüberwindbar wirken und wir nicht mehr aus dem Bett kommen. Wenn diese Problematik zunimmt und man den Alltag nicht mehr bewältigt bekommt, sollte man über einen Therapieplatz nachdenken. Doch das ist oft mit Angst und Scham belegt. Zudem ist die Platzsuche mit viel Aufwand verbunden. Unser Ratgeber soll zeigen, dass diese Hürde überwindbar ist.

Im Studium kann es normal sein, dass Zweifel, private Probleme oder enormer Stress auftauchen. Die Problematik kann sich jedoch so zuspitzen, dass man im Studium hinterherhängt, nichts mehr erledigen kann, Schlafprobleme oder extreme Müdigkeit auftauchen. Sprich: Der Alltag leidet darunter. Der erste Impuls zur Therapieplatz-Suche kann auch aus dem Umfeld kommen, wenn Freunde oder Familie merken, dass es euch nicht gut geht. So oder so ist die erste Erkenntnis viel wert. Wenn die Symptomatik einen Punkt erreicht, an dem man sie nicht mehr allein bewältigen kann, kann sich ein Gefühl der Scham oder Machtlosigkeit breitmachen.

Der erste Weg kann zur psychologischen Beratung der Universität Duisburg-Essen (UDE) führen. Thomas Interbieten ist im Akademischen Beratungszentrum (ABZ) der UDE für die psychologische Beratung zuständig. Dort könnt ihr eure Gedanken und Emotionen in einem geschützten Raum besprechen: „Die psychologische Beratung bietet den Studierenden die Möglichkeit, Probleme erst einmal einordnen zu können und eine Experteneinschätzung zu bekommen, ob eine Psychotherapie eventuell erforderlich ist“, erklärt Interbieten. „Gelangen wir zu dieser Einschätzung, geben wir gerne Informationen dazu, wie eine Psychotherapie abläuft, welche verschiedenen Therapierichtungen es gibt und wie Studierende eine Psychotherapie aufnehmen können.“

Mythos Hausarzt:ärztin

Der Mythos, der Weg zu einem Therapieplatz führe nicht an dem:der Hausarzt:ärztin vorbei, ist nicht ganz richtig. Manche glauben, dass man mit einer Überweisung schneller an einen Therapieplatz kommt. Das stimmt jedoch nur bedingt. Im Endeffekt ist die Überweisung nur ein Beleg dafür, dass es euch nicht gut geht, jedoch keine Garantie, dass ihr schneller an einen Platz kommt. Vorher zum:zur Hausarzt:ärztin zu gehen, ist laut Thomas Interbieten nicht notwendig: „Es kann direkt Kontakt zu niedergelassenen Psychotherapeut:innen aufgenommen werden. Diese werden dann im Rahmen eines Erstgespräches eine Einschätzung geben, ob eine Psychotherapie sinnvoll erscheint.“ Ein:e Hausarzt:ärztin wird meistens erst später mit in die Behandlung einbezogen: „Nach einigen Probesitzungen wird eine Psychotherapie unter Einbeziehung einer Stellungnahme seitens des: Hausarztes:ärztin bei der Krankenversicherung beantragt“, erklärt Interbieten.

Eine Anlaufstelle an der UDE für Therapieanfragen ist die Hochschulambulanz für psychische Gesundheit. Dort könnt ihr mit euren anonymisierten Daten der Forschung und der Ausbildung von Psychotherapeut:innen weiterhelfen und euch selbst wird ebenfalls geholfen. Dabei findet alles anonym statt und es wird nichts nach außen getragen. Falls ihr euch trotzdem bei dem Gedanken unwohl fühlt, an der Universität eine Therapie zu beginnen, gibt es die Möglichkeit, bei einer privaten Praxis für Psychotherapie Patient:in zu werden. Mit Google finden sich leicht Praxen, die in eurer Nähe sind. Auf den Webseiten ist meist ausführlich erklärt, worauf sich die Therapeut:innen spezialisiert haben. So könnt ihr eine Praxis aussuchen, die zu euch passt.

Telefonat-Phobie ist kein Problem

Der nächste Schritt ist die Anmeldung. Für die, die sich nicht trauen, in der Praxis anzurufen, gibt es die Möglichkeit, in einer E-Mail die Problematik zu schildern und so einen Termin auszumachen. In Rücksprache mit der Praxis werdet ihr meist wieder zum Erstgespräch eingeladen. Dieser Termin kann je nach Kapazität und Auslastung der Praxis etwas auf sich warten lassen. Danach wird in aller Ruhe besprochen, ob und welche Therapie für euch die richtige wäre.

Die Wartezeit auf einen festen Therapieplatz solltet ihr trotz der Erstgespräche nicht unterschätzen. Bei manchen privaten Praxen kann es vorkommen, dass ihr mehrere Monate wartet. Wartelistenplätze sind sehr gefragt. Etwas schneller kommt ihr meistens an einen Platz in einer Gruppentherapie. Diese Art der Therapie ist jedoch nicht für jeden etwas. Trotzdem solltet ihr euch davon nicht abschrecken lassen, denn wichtig ist, dass ihr euch um die Problematik gekümmert habt. Mit einem Erstgespräch mit dem ABZ oder dem:der Therapeut:in habt ihr den ersten Schritt in die richtige Richtung für eure mentale Gesundheit getan.

Eure mentale Gesundheit ist nicht zu unterschätzen und ist genauso ernstzunehmen wie andere Vorsorgeuntersuchungen: „Wenn wir Zahnschmerzen haben, gehen wir doch auch zu einem Zahnarzt oder zu einer Zahnärztin, um schnell wieder schmerzfrei zu werden. Wieso sollten wir uns dann bei emotionalen oder psychischen Schmerzen quälen?“, so Interbieten. Sich um seine Psyche zu kümmern, gibt euch das Gefühl, eure Lage selbst im Griff zu haben und nicht ohnmächtig hinnehmen zu müssen, wenn es euch nicht gut geht. Darauf könnt ihr stolz sein und ihr werdet sehen, dass der Mythos um den unerreichbaren Therapieplatz unbegründet ist. Das sieht auch Interbieten so: „Die Erfahrung zeigt, dass die Beschwerden umso schneller überwunden werden können, je eher wir uns aktiv Hilfe suchen. Wieso sollten wir also nicht einfach auch im emotionalen und psychischen Bereich fürsorglich mit uns umgehen?“


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