Den Master umsonst gemacht? Ein Interview zum Berufseinstieg nach dem Studium

Artikel: Helena Wagner | Wenn das Studium zu Ende geht, fängt ein neuer Lebensabschnitt an. [Illustration: Jorge Schatz]

Svenja ist 30 Jahre alt und hat an der Universität Duisburg-Essen (UDE) Maschinenbau studiert. 2021 hat sie ihren Master in Mechatronik abgeschlossen, derzeit befindet sie sich im Jobwechsel. Nach ihrem Studium hat sie überraschend lange einen Job gesucht, und damit ist sie nicht allein. In unserem Schwerpunkt geht es um den Berufseinstieg nach dem Studium, die damit verbundenen Probleme, Sorgen und Möglichkeiten. Wir haben Svenja gefragt, wie sie die Zeit als jobsuchende Studienabsolventin empfunden und ihren Berufseinstieg gemeistert hat.

ak[due]ll: Wenn du dich an den Beginn deines Studiums erinnerst: Mit welcher Intention hast du angefangen, dein Fach zu studieren? 

Svenja: Meine Motivation dafür, Maschinenbau zu studieren, kam aus meiner Begeisterung für Physik und Mathe. Die endgültige Entscheidung für Maschinenbau fiel, da ich nicht nur die Welt der Physik und Technik verstehen, sondern auch meine Erkenntnisse für einen guten Zweck einsetzen wollte. Ich wollte meinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten, indem ich zum Beispiel an neuen Wegen für eine nachhaltige Energieerzeugung forsche oder Erkenntnisse aus der Tier- und Pflanzenwelt für die Entwicklung von neuen innovativen Technologien einsetze, um die Natur zu bewahren und zu beschützen. Das war 2012 vor Beginn meines Studiums. Mein Studium begann ich zunächst in Aachen. Dort habe ich meine ersten beiden Semester mit viel Mühe und Enttäuschung abgeschlossen. Schnell hat sich meine Motivation in Frust umgewandelt, da ich gemerkt habe, dass ich nichts verstehe und das Tempo viel zu schnell war. Soziale Kontakte waren sehr viel wichtiger, als ich gedacht hatte. Leider hatte ich Probleme damit, Freundschaften im Studiengang zu schließen. Der Druck war hoch und ich kam mir zu dumm vor, Maschinenbau zu studieren. 

ak[due]ll: Wie bist du damit umgegangen?

Svenja: Daraufhin habe ich mein Studium in Aachen abgebrochen, mit der Einstellung, etwas anderes zu machen und mich neu zu orientieren. Auf Maschinenbau hatte ich erstmal keine Lust mehr. Das hat sich durch einen Zufall geändert. Indem ich einer guten Freundin, die gerade mit dem Studium begann, Mathe-Nachhilfe gegeben habe, hat mich das Fach wieder gepackt und meine Motivation war wieder da. Danach habe ich an der UDE mein Studium fortgeführt und mit dem Master abgeschlossen. Meinen Schwerpunkt habe ich von Energietechnik auf Mechanik umgelegt, da ich gemerkt habe, dass Mechanik mir viel besser liegt als Thermodynamik. Der Gedanke, die Welt durch meinen Beitrag zu verbessern, hat im Laufe des Studiums abgenommen und es ging mehr darum, zu lernen, Kontakte zu knüpfen und sich weiterzuentwickeln – durch viel Ausprobieren, viele Ups and Downs, Enttäuschungen, Erfolge und Verluste – halt alles, was zum Leben dazu gehört.

ak[due]ll: Wie hast du dir die Jobsuche nach deinem Studium vorgestellt und wie sah die Realität aus? 

Svenja: Nach dem Studium wollte ich voll durchstarten und habe nach aufregend klingenden Stellen gesucht, die meiner Vorstellung vom Studium entsprachen: die Welt ein klein wenig besser machen. Schnell hat sich herausgestellt, dass es schwieriger ist, an seinen „Wunsch“-Job zu kommen, als gedacht. Es kamen viele Absagen rein und nach und nach erlosch meine Motivation wieder. Ich bin froh, dass ich meine Kommilitonen als Beistand hatte. Leider lief es bei ihnen auch nicht besser. Es hat ungefähr ein Jahr gedauert, bis ich meine erste Zusage bekommen habe. Meine Anforderungen hatte ich schon vollkommen runtergeschraubt. Jetzt ging es mehr darum, einfach nur eine Stelle zu bekommen. So hatte ich mir die Jobsuche nicht vorgestellt. Mit einem guten Abschluss in Maschinenbau und als Frau in der Branche hatte ich meine Chancen höher eingestuft. Letztendlich habe ich zwar eine Stelle in der Nähe meines Wohnorts gefunden, jedoch in einer Branche, in der ich auf keinen Fall arbeiten wollte: die Automobil-Industrie. Eine andere Wahl hatte ich nicht, also nahm ich das erstbeste Angebot an.

ak[due]ll: Wie ging es dir während dieser Zeit nach dem Studium? Welche Gedanken und Gefühle hattest du?

Svenja: Zunächst habe ich mich erleichtert, aber gleichzeitig unsicher und hilflos gefühlt. Auf der einen Seite stand die Freude, endlich das Studium abgeschlossen zu haben. Darauf konnte ich stolz sein. Auf der anderen Seite stand das neue Unbekannte: der Arbeitsmarkt. Auf einmal veränderte sich alles. Mein Alltag, meine sozialen Kontakte, meine Gedanken und Sorgen waren plötzlich ganz andere. Jede neue Absage hat mein Selbstbewusstsein heruntergezogen. Und das mehr als ich gedacht habe. Ich habe mich gefühlt, als ob ich nicht genug getan habe und für den Arbeitsmarkt nicht ausreiche. Die ganzen Jahre meines Studiums habe ich auf diesen Tag hingearbeitet. Und dann läuft es gar nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das war sehr niederschmetternd. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, mich ganz neu zu orientieren und mich nicht auf Ingenieursstellen zu bewerben. Mit dem Gedanken war ich nicht allein. Meinen Kommilitonen ging es ähnlich. War mein ganzes Studium umsonst gewesen? Dieses eine Jahr nach dem Studium war sehr hart für mich. Während dem Jahr nach meinem Master hatte ich Glück, noch weiter als wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni beschäftigt zu sein. Ich musste mich nicht noch um meine finanzielle Versorgung kümmern. Aber das Glück hatten nicht alle. Sogar die Besten aus meinem Jahrgang haben an ihren Fähigkeiten gezweifelt und hatten das Gefühl, einfach nicht gut genug zu sein.

ak[due]ll: Wie hast du dich in deinem ersten Job gefühlt? Was hast du dir anders vorgestellt?

Svenja: Ich war sehr dankbar, überhaupt eine Stelle zu haben. Daher war ich übermotiviert und habe alles in den Job gesteckt. Zunächst ging es viel darum, mich neu zu organisieren. Jetzt gab es feste Zeiten, in denen ich produktiv sein musste. Der Luxus aus dem Studium, nur dann zu arbeiten, wenn ich mich produktiv gefühlt habe, war vorbei. An diese Umstellung konnte ich mich gewöhnen. Im Job ging es zuerst um viel pragmatischere Dinge als im Studium. Wie gehe ich mit meinen neuen Arbeitskollegen und meinem Chef um? Was kann ich fordern, was sollte ich lieber lassen? Ich habe in meinem ersten Job viel über den Büroalltag gelernt, wie man sich in einer Firma verhält, was meine Grenzen und Möglichkeiten sind. Am wichtigsten war die Erkenntnis, dass ich meine Arbeit mitgestalten und viel mehr einfordern kann, als ich anfangs dachte. Ich habe erwartet, dass ich technisch mehr gefordert werde und komplizierte technische Probleme lösen muss. Aber mein Job bestand eher darin, Probleme weiterzuleiten, Aufgaben und Informationen zu verteilen und meine Projekte am Laufen zu halten. Ich habe gelernt, welcher Arbeitstyp ich bin und was ich brauche, um produktiv zu arbeiten. Die wichtigste Erkenntnis war dennoch, dass die Entscheidung für den Job keine endgültige war. Das hat meine Einstellung zum Job geändert. Daher habe ich mich jetzt dazu entschieden, eine neue Stelle in einer anderen Branche anzunehmen.

ak[due]ll: Kam die Überlegung, wieder an die Uni zu gehen oder einen anderen Weg einzuschlagen, zum Beispiel einen Doktor oder eine Ausbildung zu machen? Wie hast du dich warum entschieden?

Svenja: Diese Fragen habe ich mir oft gestellt. Schon während des Studiums habe ich darüber nachgedacht, etwas anderes zu machen. Jetzt bin ich froh, es durchgezogen zu haben, da ich mich für die Aufgabenbereiche interessiere. Ich habe nach meinem Studium ein Angebot für eine PhD-Stelle an der Uni bekommen. Die Entscheidung fiel mir schwer, da das eines meiner ersten Stellenangebote war. Eigentlich wollte ich nicht weiter an der Uni arbeiten. Das hat mir meine Erinnerung an meine Verfassung während der Masterarbeit klar gemacht. Damals hat mich die Neugier auf den Job angetrieben. Ich wollte mein erlerntes Wissen und meine Fähigkeiten endlich anwenden. Was maßgeblich zu meiner Entscheidung beigetragen hat: es ist keine endgültige Entscheidung. An die Uni zu gehen oder eine Ausbildung anzufangen ist immer noch möglich. Es öffnen sich immer neue Türen, wenn sich eine schließt. So blöd das Sprichwort klingt, aber es ist viel Wahres dran.

ak[due]ll: Zusammenfassend: Wie würdest du deinen Jobeinstieg nach dem Studium kurz und prägnant beschreiben und was möchtest du anderen Studis mitgeben?

Svenja: Bei mir war es ein Gefühlskarussell: Alles und nichts ist möglich. Glücklich darüber, dass ich endlich meinen Abschluss geschafft habe und ein wenig traurig zugleich, dass die Studienzeit endet. Ein bisschen wie am Anfang des Studiums: Ich bin wieder der Anfänger, der noch alles lernen muss und orientierungslos ist. Was mir in der Zeit geholfen hat, sind meine Freunde. Tauscht euch über eure Erfahrungen aus und seid füreinander da. Das habe ich sehr gebraucht in der Zeit. Seid stolz auf das, was ihr geleistet habt. Und wenn es eine Stelle nicht geworden ist, dann war es auch nicht die richtige. Die Entscheidung für oder gegen eine Stelle liegt genau so bei euch, wie beim Unternehmen. Ihr könnt euch immer auf andere Stellen bewerben und den Job wechseln. Auch wenn Neuanfänge nicht immer einfach sind, sucht euch eine Stelle, die euch gefällt!


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