Jüdische Friedhöfe im Ruhrgebiet

Artikel: Selome Abdulaziz | Die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Bochum-Wiemelhausen. [Foto: Selome Abdulaziz]

Wissenschaftler:innen der Universität Duisburg Essen (UDE) und der Universität Bamberg starten ein Projekt, um jüdische Friedhöfe in Deutschland zu dokumentieren. Wir klären auf, was die Besonderheiten jüdischer Friedhöfe sind und wo man sie im Ruhrgebiet findet.

Ein Team des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts* an der UDE und der Uni Bamberg will jüdische Friedhöfe in Deutschland erforschen und dokumentieren. Das Projekt mit dem Titel „Steinerne Zeugen digital. Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift“ hat eine Laufzeit von 24 Jahren. Bundesweit nimmt sich das Team 35 Friedhöfe, 33.600 Grabmale und über 19.000 Inschriften vor, die einen Zeitraum von der Frühen Neuzeit bis in das 20. Jahrhundert abdecken. Deutschland hat, trotz zahlreicher Zerstörungen, den größten Bestand jüdischer Friedhöfe in Europa. Allerdings merkt Institutsleiterin Prof. Dr. Lucia Raspe an: „Die Grabsteine zerfallen leider. Dass wir durch digitale Zweitüberlieferung dazu beitragen können, kostbares deutsch-jüdisches Kulturerbe zu erhalten, freut uns sehr.“

Jüdische Friedhöfe haben einige Besonderheiten. Auf Friedhöfen in Deutschland gibt es in der Regel eine Ruhefrist, die je nach Bundesland zwischen sechs und zwanzig Jahren variiert. Nach Ablauf dieser Zeit darf die Grabstätte eingeebnet werden, um den Bedarf an weiteren Grabstellen zu sichern. Der Grabstein und das Fundament des Grabsteins werden dabei entfernt, die sterblichen Überreste bleiben in der Erde. Bei jüdischen Friedhöfen ist das nicht üblich. Stattdessen wird bei Platzmangel eine Schicht Erde über ein Grab gelegt und ein:e Tote:r über dem:der anderen bestattet. Der Grund dafür liegt im jüdischen Glauben an die Auferstehung der Toten nach dem Eintreffen des Messias. Besucher:innen legen statt Blumen üblicherweise kleine graue Steine auf das Grab. Der jüdische Friedhof wird auch „guter Ort“ genannt, um die Messias-Erwartung und den lebensbejahenden Charakter auszudrücken. Hinsichtlich der Ausrichtung des Kopfes der Toten gab es unterschiedliche Bräuche: Manche bevorzugten eine Lage nach Osten, andere nach Westen oder Süden, wieder andere in Richtung des Ausgangs. Jeder Friedhof hatte in der Regel einen Ort für die Waschung des Toten, genannt die Ṭaharah, in dem auch die Gebete gesprochen wurden.

Jüdische Friedhöfe im Ruhrgebiet

In Deutschland gibt es über 2000 jüdische Friedhöfe, die ältesten, wie der Heilige Sand in Worms, stammen aus dem 11. Jahrhundert. Auch im Ruhrgebiet gibt es einige jüdische Friedhöfe. Ganz im Norden Duisburgs, im Stadtteil Röttgersbach, liegt der jüdische Friedhof Mattlerstraße. Er wurde ab 1924 genutzt, als der im benachbarten Oberhausen liegende Friedhof an der Vennstraße aufgrund von Überschwemmungen durch den Bergbau unbrauchbar wurde. Hier gibt es noch 66 Grabsteine. Der älteste jüdische Friedhof in Duisburg war der Friedhof an der Königsstraße. Auch in Duisburg-Beeck gibt es einen bis heute erhaltenen jüdischen Friedhof an der Friedhofstraße. Er wurde 1893 das erste Mal belegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Urnen von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus hier beigesetzt. Heute stehen noch 49 Grabsteine.

Bereits 1627 gab es in Essen kleinere jüdische Friedhöfe, die allerdings heute nicht mehr erhalten sind. Im 19. Jahrhundert wuchs die jüdische Gemeinde in Essen und es wurden mehrere Friedhöfe angelegt. Sie sind zum Großteil noch erhalten. Im Stadtteil Steele liegt der Friedhof am Hiltrops Kamp, der inmitten eines Wohngebietes liegt. Auf ihm stehen noch etwa 150 Grabsteine. 1879 entstand dort eine jüdische Gemeinde mit eigener Synagoge. Sie wurde 1938 abgebrannt. Ein Friedhof, der heute noch genutzt wird, ist der Friedhof an der Schulzstraße in Essen-Huttrop, der 1931 gegründet wurde. Hier befindet sich eine Stelle zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus.

Ein großer jüdischer Friedhof befindet sich in Bochum-Wiemelhausen. Er wurde 1918 das erste Mal belegt und ist heute noch in Benutzung. Rechts von der großen Trauerhalle befinden sich ältere Gräber, auf der linken Seite befinden sich neuere Gräber aus den letzten Jahrzehnten. Hier sieht man oft auch Blumen auf den Gräbern.

Wer sich weitergehend für das Thema interessiert, kann folgende Datenbanken nutzen: Das Steinheim-Institut hat 2006 begonnen, die Datenbank epidat aufzubauen, die Grabinschriften jüdischer Friedhöfe dokumentiert. Ein weiteres Projekt des Vile-Netzwerks e.V.** in Ulm erkundet, fotografiert und beschreibt jüdische Friedhöfe in Deutschland und den Nachbarländern.

*Das Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte e. V. ist benannt nach dem jüdischen Mediziner und Religionsphilosophen Salomon Ludwig Steinheim und erforscht die Kultur-, Religions-, Literatur- und Ereignisgeschichte der Juden und Jüdinnen im deutschen Sprachraum.

** Vile steht für „Virtuelles und reales Lern- und Kompetenz-Netzwerk älterer Erwachsener“ möchte Älteren ermöglichen, gemeinsam auf den verschiedensten Interessensgebieten zusammenzuarbeiten


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