Verdreckt und im Stadtbild versteckt: ein Essener NS-Mahnmal. [Foto: Carolin Neumeier]
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Eine klaffende Stadtwunde in Essen

Mitten in der Essener Innenstadt lebten während des Naziregimes um die 150 Personen, die zur Aufräumarbeit von Trümmern und Entschärfung von Bomben gezwungen wurden. Der Männer aus den unterschiedlichsten Ländern und ihrer letztendlichen Deportation in das KZ Buchenwald gedenkt ein Denkmal in der Essener Innenstadt: Die Stadtwunde. Aber jetzt soll sie geschlossen werden. 

Wie fördert man die deutsche Erinnerungskultur? Über den richtigen Weg gibt es in Essen derzeit unterschiedliche Meinungen. Anlass zur Diskussion bietet die Stadtwunde, welche als Mahnmal für das ehemalige KZ-Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald dient. Dort, mitten in der Essener Innenstadt, lag das Zwangsarbeiterlager Schwarze Poth, benannt nach dem Straßennamen, der bis 1951 bestand. Heute befindet sich dort der Porscheplatz. Benannt nach Ferdinand Porsche, der selbst von der Zwangsarbeit profitierte und NSDAP-Mitglied war. 

Das derzeitige Denkmal besteht aus Stufen und Buchenholzstämmen. Es wurde im Projekt Baukunst Essen von 2000 bis 2002 konzipiert und verwirklicht in einer Zusammenarbeit von Künstlerin Astrid Bartels mit dem Architekten Werner Ruhnau. Essen Colonialtracks hat zum Hintergrund und der Entstehung des Denkmals kurze Audiobeiträge produziert, die die genauere Geschichte beleuchten. 

Die Stadt hat unmittelbar von der Zwangsarbeit der Männer profitiert, die ab Mai 1944 in der Schwarzen Poth untergebracht waren. Wo heute Menschen ihren Einkauf in der Rathausgalerie tätigen, haben ab 1944 Zwangsarbeiter gelebt, die Trümmer und Blindgänger räumen mussten. 

Wie soll Essen erinnern?

Die Stadt sieht die Stadtwunde als „einen innerstädtischen ‘Problemort’ und möchte anstelle der Stadtwunde eine Erinnerungstafel an einem noch unbestimmten Ort anbringen. Von Seiten der Stadt Essen heißt es: „Leider kam und kommt es immer wieder zu Verunreinigungen und Vandalismus im Bereich der Gedenkstätte, weswegen sich der Standort als Erinnerungsort nicht würdig erwiesen hat.“ 

Dem antirassistischen und antifaschistischen Bündnis Essen stellt sich quer reicht das jedoch nicht: „Die Stadtwunde muss durch eine angemessene Gedenkstätte an einem Ort ersetzt werden, der dem Leid der Opfer und der Verantwortung der Nachwelt gerecht wird.“ Bereits 2021 forderte Essen stellt sich quer einen lebendigen Ort des Gedenkens und kein in Vergessenheit und Schmutz geratenes Mahnmal. Das Bündnis schlägt eine Installation in der Rathaus Galerie oder am Porscheplatz vor. 

Angesichts der zurückgehenden Zahl an Zeitzeug:innen und des Rechtsruckes in Deutschland erachtet Essen stellt sich quer das aktive Gedenken an die deutsche faschistische Vergangenheit und ihre Opfer als dringend notwendig. Deshalb hat die Initiative eine Petition ins Leben gerufen, deren Ziel eine neue Gedenkstätte ist, „die uns heute mehr denn je dazu mahnen muss, unsere grauenhafte Vergangenheit nicht zu wiederholen.“ Das „gehört nicht als kleine Gedenktafel an einen Ort, an dem sie kaum auffällt.“

Carolin (24) schreibt seit April 2024 für die ak[due]ll. Als Redakteurin interessieren sie Themen wie intersektionaler Feminismus, das Campusleben in Essen und lokale Happenings. In der Redaktion ist sie als car bekannt.