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Welcome to Germany? Meinungen von Studis beim Internationalen Stammtisch

Artikel: Gastautor Anton Vierkant | Viele gute Erinnerungen – Hazem (rechts neben ISAAC Rahmen) verabschiedet sich von seinem Team beim Internationalen Stammtisch am 16. Januar. [Foto: Anton Vierkant]

Auch wenn der Ruhrpott innerhalb Deutschlands leider oft einen schlechten Ruf hat, hält das tausende von internationalen Studierenden nicht davon ab, an der Universität Duisburg-Essen zu studieren. Was denken diese Studierenden über das  Studi-Leben in Deutschland? Gefällt es ihnen hier? Was ist anders als in ihren Heimatländern? Unser Gastautor Anton war beim Internationalen Stammtisch am 16. Januar, organisiert von ISAAC (International Student Activity and Assistance Club), dabei und hat nachgefragt.

Die Vibes and Coffee Bar in Essen macht an diesem Montag etwas früher zu als normal. Der Raum ist reserviert für den Internationalen Stammtisch. Luca drückt den ersten 10 Ankömmlingen einen Gutschein für ein gratis Getränk an der Bar in die Hand. Er arbeitet als studentische Hilfskraft für ISAAC. Am Anfang des Semesters seien viel mehr Leute da als jetzt kurz vor den Klausuren, erzählt er. Trotzdem füllt sich der Raum langsam mit immer mehr Menschen.

An einem Tisch sitzen Rose und Ipec, zwei Türkinnen aus Istanbul. Ipec ist schon seit ein paar Monaten in Deutschland, Rose erst seit einer Woche. „Warum machen sie hier alle Bürokratie auf Papier?“, fragt sie sich etwas genervt. „Wir leben doch in der Zukunft, so wird alles unnötig kompliziert.“ Ipec stimmt ihr zu. Rose fährt fort: „Ich habe bemerkt, dass den Deutschen der Datenschutz sehr wichtig ist“. Viel Bürokratie und wenig soziale Anteilnahme von Deutschen ist den Beiden aufgefallen. „Ich mag das gerne“, erzählt Ipec, „ so habe ich mehr private Zeit für mich.“ Rose findet die Ruhe eher schade. Auch wenn es im Alltag weniger soziale Interaktionen mit Unbekannten gibt, ist Rose aufgefallen, dass manche Passant:innen sie anstarren, „vor allem die Alten“. Beide sind sich trotzdem einig, dass es sich in Deutschland insgesamt sicherer anfühlt. „In Istanbul laufe ich schneller, wenn ich unterwegs bin“, erzählt Rose. Ipec fügt hinzu: „Ich laufe auch hier schnell – weil es so kalt ist.“

Andere Lebensrealität im Iran

In der Bar hört man vor allem viel Englisch, aber auch ein bisschen Deutsch und manchmal andere Sprachen. Es ist angenehm warm. Neonschrift bedeckt den ganzen Raum mit einem lila Schimmer. Flaschen klirren beim Anstoßen. „Solche Vereine wie ISAAC gibt es im Iran nicht“, erzählt Roozbert. Er kommt aus Teheran, der Hauptstadt des Landes. Iran sei sehr konservativ, führt er fort. „Die Regierung sieht Studententreffen als Problem, es handelt sich immerhin um eine Diktatur“, erklärt er. Selbst die Städte seien so gebaut, um öffentliches Beisammensein zu erschweren. „Um das Land zu verlassen, muss man im Militär gedient haben“,  Erzählt Roozbert kopfschüttelnd weiter. „Man muss die richtigen Menschen kennen, wenn man im Iran ein solches Studententreffen wie hier erleben will.“ Deutschland sei dagegen viel internationaler, hier könne man kreativ und sich selbst sein. Trotzdem mache er sich auch hier Sorgen – vor der AfD.

Ein italienisches Kartenspiel mit bayrischen Schafkopfkarten – bei dem Internationalen Stammtisch. [Foto: Anton Vierkant]

Jemand klopft laut mit einem Löffel an eine Glasflasche. Hazem, einer der studentischen Hilfskräfte, war die letzten 6 Jahre bei ISAAC dabei. Das heutige Logo hat er zum Beispiel selbst designt, jetzt muss er sich aber verabschieden. Die meisten aus dem Studierendenteam sind da, auch die Chefin des ISAAC. Trotzdem herrscht ein informeller Ton, alle duzen sich. Das Team umarmt Hazem und klopft ihm auf die Schultern. Hazem hat nur Positives über seine Zeit bei ISAAC zu sagen: „Das Umfeld ist freundlich und familiär, viele schöne Begegnungen und Ereignisse hatte ich die letzten Jahre, viele Erinnerungen konnte ich hier sammeln.“ Er werde auf jeden Fall Kontakt mit dem ISAAC Team halten.

Angebote des ISAAC

ISAAC ist ein Dienst des Akademischen Auslandsamtes. 12 studentische Hilfskräfte unter Leitung von Lisa Woytowicz organisieren verschiedene Programme: Das Buddy-Programm bringt jeweils eine:n internationale:n Studi mit einem:r Studi der UDE zusammen, damit sich die internationalen Studierenden leichter einfinden können. Das Sprachtandem verknüpft zwei Studis miteinander, die jeweils die Muttersprache der:des anderen lernen wollen. Ansonsten organisiert ISAAC neben dem Stammtisch – abwechselnd in Duisburg und Essen –  viele verschiedene Events, wie Wanderungen und Töpfern für kleines Geld. Anmelden kann man sich hier. Gefördert wird ISAAC von der Uni und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst.

Auch Noah ist studentische Hilfskraft der Organisation. Er ist glücklich über seine Entscheidung, dass er aus Nordamerika nach Deutschland gekommen ist, um Migration und Globalisierung im Master zu studieren. „Im Vergleich zu den USA ist das Studium hier kostenlos“, erklärt Noah. „Ich habe 10.000 Dollar für die Uni pro Jahr bezahlt und das ist noch billig. Andere zahlen 70.000, 80.000 oder noch mehr“ – trotzdem gebe es in den USA ein anderes Bild vom Studium, mit mehr Ausgehen und Feiern. „Hier in Deutschland liegt mehr Fokus auf dem Studium selbst“, sagt er. Außerdem sei in den Staaten bei jeder Vorlesung Anwesenheitspflicht und es gebe viel mehr Noten. „In Deutschland hängt alles von den Abschlussprüfungen ab. Ich mag das, es zwingt einen, sich erwachsen zu verhalten“, erzählt er. Außerdem gefalle ihm, dass das Ruhrgebiet so „multi-kulti” sei.

So langsam geht der Abend zu Ende. Viele leere Bier- und Limoflaschen stehen auf den Tischen. Der Raum leert sich langsam, Menschen verabschieden sich, man macht sich auf in Richtung Bahnhof und Zuhause. Wann sieht man sich wieder? Beim nächsten Stammtisch natürlich.