Wie ich zum Swiftie wurde! (Naja, so halb.) 

Eine Kolumne von Carolin Neumeier | Popmusik, wie die von Taylor Swift, wird oft nicht als ernstzunehmende Kunstform wahrgenommen und abgewertet. [Foto: Freya Pauluschke]

Wäre ich vor einem Jahr gefragt worden, ob ich ein Swiftie bin, hätte ich vermutlich die Augen verdreht. Jetzt – kurz vor Taylor Swifts dreitägiger Konzertreihe in Gelsenkirchen – muss ich zugeben, dass der Swiftie in mir traurig ist, nicht dabei zu sein. 

Ich war nie wirklich ein Superfan von irgendwas. Künstler:innen auf Touren hinterherreisen, jedes Merchandise besitzen und alle Lyrics zum Gesamtwerk eines:r Künstler:in auswendig können, war nie mein Ding. Aber langsam werden mir manche Fandoms sympathischer. 

Ich habe in meiner Jugend nur die Taylor Swift Songs gehört, die im Radio liefen. Hits wie I Knew You Were Trouble, Shake It Off und Love Story konnte ich schon – wie jede vernünftige Person der Gen Z – auswendig. Nicht zuletzt waren am Hype um ersteres Lied auch irgendwie Ziegen schuld. Aber ich hätte mich nie als Taylor Swift Fan identifiziert. Das wäre ja auch viel zu uncool. Meiner Erfahrung nach werden Frauen im Popgenre oft nicht wirklich ernst genommen und als Künstlerinnen nur belächelt. 

Zu Beginn von Taylor Swifts großer Eras Tour habe aber auch ich gemerkt, dass eine große popkulturelle Flut bevorsteht. Hauptsächlich dachte ich mir: Wer hat denn bitte die Ausdauer, mehrere Lieder aus ZEHN Alben zu performen? Das ist doch nicht nachhaltig.

Im Herbst 2023 kam mit einer Uni-Exkursion in die USA und einer neuen Freundin – definitiv ein Swiftie – dann der Vorschlag, sich die neu erschienene Verfilmung der Tour in einem New Yorker Kino anzuschauen. Hauptsächlich war ich begeistert von den amerikanischen Kinosesseln und der schieren Anzahl an Lyrics und den Hintergrundinformationen zu den Songs, die sich meine Freundin merken konnte. Aber ich war auch gebannt von der über drei Stunden langen Performance von Taylor Swift, ihren Tänzer:innen, Backup-Sängerinnen und Band. Der Kraftakt, mehr als 40 Songs mit verschiedenen Choreografien, Kostümen und Bühnenelementen auf die Bühne zu bringen, wirkte schon etwas übermenschlich. Ich war am Swift-Haken.

Nun wurde ich die folgenden Monate natürlich von besagter Freundin immer weiter mit Taytay-Content gefüttert. Immer mehr Insider-Zusammenhänge wurden mir erläutert. Mein Algorithmus und ich wurden immer weiter swiftified. Bereits dann steckte ich knietief in etwas, von dem ich mich vorher oft distanziert habe. 

Was meinem Versuch, das Swiftietum zu umgehen, nicht half, war die Ankündigung des neuen Albums The Tortured Poets Department bei den Grammys 2024. Gespannt habe ich via TikTok und Instagram die Marketingkampagne zum Release verfolgt. Das Album finde ich natürlich grandios, duh! Außerdem habe ich verstanden, dass ich mich für meine Liebe für Popmusik nicht schämen muss. So kann ich beruhigt die Swifts, Carpenters, Roans und Perrys dieser Welt abfeiern. 

Auf einem Level von 1 bis Superswiftie würde ich mich mittlerweile bei einer soliden 5 ansiedeln. Ich habe keine Konzerttickets, bin aber neidisch auf meine Freundinnen mit Tickets und wäre am liebsten nah genug, um die Musik zumindest von außen hören zu können. (Zu allem Leid bin ich auch noch Paramore-Fan, was die Sache wirklich nicht leichter macht.) Auch ich möchte Freundschaftsarmbänder geschenkt bekommen und ausgelassen tanzen, wo vor wenigen Wochen noch Männer für schwitzige Fußballspieler gegrölt haben.
Dementsprechend traurig bin ich, dass ich diese Woche in Swiftkirchen nicht meine Seele aus dem Leib schreien werde und eine von ca. 60.000 Swifties pro Abend bin. Ich hoffe aber, dass das Erlebnis für viele genau die Therapie sein wird, die sie sich von der Tour versprechen.


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