„What Goes Around, Comes Around“ – Die Rückkehr der Y2K Körperbilder

Autoren: Helena Wagner & Nikita Verbitskiy | [Illustrationen: Amandine Terwort]

Was Modekonsument:innen als schön oder „in“ bezeichnen, kommt und geht. Ob nun die Hose eng oder das T-Shirt kurz ist – in einer Generation ein Muss, in einer anderen ein No-Go. Doch nicht nur unsere Kleidung spiegelt sich in den Trends wider, sondern auch die Körper, die sie tragen. Der aktuelle Trend namens Y2K wirft uns zurück in die Zeit von MTV, blondierten Spitzen und dem Diätwahn. Wir werfen einen Blick auf die Geschichte der Körperideale und sprechen mit der Rapperin Katanna über die aktuelle Lage.

Disclaimer: Der folgende Artikel behandelt Körperideale von weiblich gelesenen Körpern im Laufe der Zeit. Der weiblich gelesene Körper wird sowohl in der Vergangenheit als auch gegenwärtig Objekt verschiedenster Trends, die in dieser Stärke nicht bei männlich gelesenen Körpern vorkommen. Deshalb begrenzen wir uns im Folgenden auf die Körperideale weiblich gelesener Körper. 

„Dass DAS mal wieder in sein könnte, hätte ich nie gedacht!“ – Den Satz haben wir vermutlich alle schon einmal von unseren Eltern gehört. Wie schon von etlichen Modewissenschaftler:innen beobachtet, ist die Mode ein Zyklus. Alles kommt zurück und alles, was bis gerade noch in war, gehört auf einmal in die Tonne – bis wir es dann 20 Jahre später wieder in der Tonne suchen. Ein Blick auf den Kalender verrät, dass die Mode der 2000er ihre lang ersehnte Rückkehr antreten kann. Zwischen Arschgeweihen, Tribals und der Digicam-Ästhetik, finden wir so einige Y2K-Staples in den Medien wieder. 

Y2K war ursprünglich die Bezeichnung für die Panik Ende der 90er Jahre, dass die Umstellung auf das Jahr 2000 einen Crash der Computer und Börsen mit sich ziehen würde. Heutzutage nutzt man den Begriff, um die Stimmung und Ästhetik der 2000er in einem kurzen Akronym festzuhalten. Eine Party kann das Motto „Y2K“ haben, oder die Sonnenbrille den Y2K-Look. In der Kleidung äußert sich der Look unter anderem durch Low Waist Jeans, Crop Tops und Miniröcke. Es handelt sich um Kleidung, die sich am bevorzugten Körpertyp der 2000er Jahre orientiert und dementsprechend auf schlanke Menschen zugeschnitten wurde. Um die Entwicklung der Körperbilder bis zu den heutigen Trends nachvollziehen zu können, zeichnen wir euch die Geschichte weiblich gelesener Körperbilder in den letzten Jahrzehnten nach.

Von Hosenanzügen zu Heroin-Chic – Körperbilder in der Geschichte 

Wir beginnen vor etwa hundert Jahren, denn in den 1920ern kamen jungenhafte Mode, Kurzhaarschnitte und kürzere Kleider für Frauen in den Trend. Es war das erste Mal, dass es nicht skandalös war, Haut zu zeigen. Doch bereits ab den 1930ern dominierte erneut der kurvige Körpertyp, der in den Jahrhunderten davor bereits mit gesunden und fruchtbaren Frauen assoziiert wurde. Aus dieser Zeit geht die beispiellose Ikone Marilyn Monroe hervor. Frauen eiferten Körpern nach, die an den „richtigen“ Stellen Rundungen hatten, jedoch bloß nicht zu viel.

Die Sanduhr-Figur war das Leitbild dieser Zeit. In den Jahren darauf waren Kleider und Röcke noch immer Standard in der Frauenmode. Dass Frauen Hosenanzüge oder Jeans trugen, war Mitte des 20. Jahrhunderts verpönt. So wurde noch 1970 die SPD-Politikerin Lenelotte von Bothmer im Bundestag stark kritisiert, als sie als erste Frau im Bundestag Hosenanzug trug statt eines üblichen Kostüms mit Rock. Ab den 70er Jahren wurde es bunt und vor allem sportlich in der Mode. Kultige Aerobic-Videos, die wir heutzutage nur aus Memes kennen, hatten einen nicht minderen Einfluss darauf. Knappe, hautenge Kleidung sollte den durchtrainierten, drahtigen Körper betonen. 

In den 1990ern kam nach der Ära der Supermodels, deren Gesicht heute noch Cindy Crawford ist, erstmals der Trend des Heroin Chics auf. Als Sinnbild für diesen Trend sieht man Supermodels wie Kate Moss. Typisch für diesen Trend ist ein schlankes Gesicht, aus dem die Wangenknochen deutlich hervortreten, sowie ein sehr dünner Körper und strähniges Haar. Der Heroin Chic wurde damals bereits für das Beschönigen und Glorifizieren von Drogenmissbrauch kritisiert.  

Dünn = Schön?

Der Körperkult und die Diätkultur, sprich die Lebensweise, einen dünnen Körper über alles andere zu stellen, nahm Fahrt auf. Der Trend, einen vermeintlich gesunden, sportlichen, aber schlanken Körper zu haben, hielt sich noch weit bis in die 2000er Jahre hinein. Pop-Sternchen prägten dieses Körperbild weiter und mit ihnen hatten bereits junge Mädchen Idole, denen sie nacheifern wollten. Spätestens mit diesem Körperbild kam die Gewichtsdiskriminierung. Durch das Anpreisen eines bestimmten Körperideals werden andere Körperbilder, die nicht diesem Ideal entsprechen, abgewertet. Menschen, die nicht dem Ideal entsprechen, werden häufiger Opfer von Mobbing und Anfeindungen. Der Eifer, die Körperbilder erreichen zu wollen, sei es durch Sport oder Ernährung, wird von der Gesellschaft als diszipliniert und ehrgeizig, sprich als lobenswert bewertet. 

Warum gerade Frauen von den Idealbildern geleitet werden, ist einfach erklärt: Gesellschaftlich gesehen waren Frauen die längste Zeit von einem männlichen Versorger abhängig. Ihnen zu gefallen und einen Ehemann zu finden war also überlebensnotwendig. Kurz gesagt: Körperbilder waren zuerst ein Konstrukt des Patriarchats, was sich immer mehr zu einem Konstrukt des Kapitalismus und der Mode-Industrie entwickelt. Denn diese wächst seit Jahrzehnten stetig. Mit den Unsicherheiten von Frauen wird viel Geld verdient. Zu sehen ist das an einem wachsenden Markt von Diätprodukten, Abnehmpillen und dem stetig größer werdenden Fitnesssektor. 

Die Kardashian-Jenners: Ursprung allen Übels?

Seit den 2010er Jahren wurden mit der Einführung von sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook Plattformen geschaffen, auf denen Menschen sich so präsentieren konnten, wie sie es wollten. Sie brauchten dafür keine Zeitschriften und Magazine mehr, waren nicht mehr abhängig von guten Pressefotografen oder wohlwollenden Journalist:innen. Wer eine Instagram-Seite pflegt, hat die Möglichkeit, ein neues Ich-Bildnis zu formen. Influencer:innen machen damit heutzutage ein Millionengeschäft. Besonders erwähnenswert ist die Familie der Kardashian-Jenners. Die Familie aus sechs Geschwistern sowie die Mutter und die jeweiligen Lebenspartner:innen sind durch die Reality-Show „Keeping up with the Kardashians“ erst richtig in die Öffentlichkeit gerückt.

Den Grundstein dafür legte ihr bereits verstorbener Vater Robert Kardashian, der als Anwalt der Stars in den USA bald selbst zu einem wurde. Durch Fälle wie den von O. J. Simpson wurde er national bekannt. Die Kardashian-Jenners funktionieren heute wie ein Index für Körperbilder. An ihren Diäten, Operationen (die nie öffentlich zugegeben wurden) und ihrem Kleidungsstil lassen sich die Trends ablesen. Gepostet wird das vor allem auf ihren Instagram-Profilen, auf denen sie immer wieder für Photoshop-Fails angekreidet werden. Während die Schwestern sich vor drei Jahren noch sehr kurvig präsentierten und sich wegen ihnen Frauen weltweit die Brüste operieren, den Po vergrößern und die Taille verschmälern ließen, geht der Trend nun in eine andere Richtung.

Vor allem Kim Kardashian wird seit ihrem Auftritt auf der Met Gala 2022 genauer unter die Lupe genommen. Um in ein Original-Kleid von Marilyn Monroe zu passen, nahm sie angeblich acht Kilo mit einer Extrem-Diät ab. Dabei geholfen haben soll ihr ein Medikament namens Ozempic, eine Injektion für Diabetespatient:innen. Dieses Medikament soll in Hollywood besonders gerne zum Abnehmen verwendet werden, da es einen schnellen Gewichtsverlust hervorrufen soll. Auch wird vermutet, dass Kim und ihre Schwestern Brustvergrößerungen und Brazilian Butt Liftings haben rückgängig machen lassen, um dem wieder aufkommenden Trend der dünnen Körper zu entsprechen. Innerhalb von etwa zehn Jahren sind die Frauen der Familie zwischen zwei extremen Körperbildern geswitched. 

Y2K

Während in den Jahren dazwischen für Body Positivity gekämpft wurde, sieht man  jetzt wieder den gegenteiligen Trend. Die Models auf den Laufstegen werden dünner und Aufschreie, dass der Heroin Chic zurück komme, werden lauter. Neben den Kardashians spiegelt die High Fashion Industrie den Trend ebenfalls wider. Ob durch Bella Hadids aufgesprühtes Kleid auf der Paris Fashion Week im Jahr 2022, oder die neuen Kollektionen von Prada und Miu Miu. Mit der Zeile: „Ihr Miu Miu Skirt ist eine Size zu klein“ wurde die Kollektion und der Schlankheitstrend auch im Deutschrap durch den Rapper Skrt Cobain verherrlicht. 

In der allgemeinen Bevölkerung und auf Social Media ist ein Wandel zu beobachten. Kommentare wie „Ugh collarbones are so hot” und „I wish I had the body type for this” häufen sich unter Bildern schlanker Frauen und deuten auf einen Trend Richtung Diätwahn hin. Hervorstehende Schlüsselbeine, Hüft- und Wangenknochen zählen zu den Schönheitsidealen der Gen Z. 

Das hat auch Katanna mitbekommen. Sie ist Rapperin und verkörpert die Y2K Ästhetik in ihrem persönlichen Style, auf Social Media und in ihrer Musik. So hat sie zum Beispiel auch gerappt: „Trag die Hose an der Waist, ja ich nenn’ das Y2K.” Als Creatorin und Konsumentin auf TikTok hat sie den Wandel dort auch bemerkt: „Der curvy Look wie bei Kim Kardashian früher oder Megan Thee Stallion ist nicht mehr so beliebt. Die Menschen wollen wieder mehr wie die Idole von damals aussehen.“ Sie selbst hat sich, was die Mode betrifft, ebenfalls von den 2000ern inspirieren lassen.

Alte Fotos der älteren Schwester, Tumblr Blogs und die Stars der 00er Jahre gaben ihr ein stilistisches Vorbild – dem sie nicht immer folgen konnte: „Auf den Bildern hatten die Menschen, die den Style nach außen getragen haben, überhaupt keine Kurven und waren sehr dünn. Das hat mir das Gefühl gegeben, der Style wäre nichts für mich“, erzählt sie. Auch gibt ihr der Schnitt der Kleidung das Gefühl, sie wäre nicht für sie gemacht: „Bei low waist Hosen bekomme ich immer das Gefühl, dass ich sie nicht tragen kann. Wenn man keinen super flachen Bauch hat, wird man auf der Straße komisch angeguckt.“ Katanna hat versucht, das beste aus der Situation für sich zu machen: „Die Situation hat mich gezwungen, meinen individuellen Style zu entwickeln und ich habe das Gefühl, dem Y2K Look meinen persönlichen Stempel aufzudrücken.“


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