Vorne kurz, nach hinten raus zu lang? – Das ewige Vokuhila Comeback

Artikel: Anna Olivia Böke | Von Paul McCartney bis Joe Exotic hat sich der Ruf des Vokuhila immer wieder gewandelt. [Foto: Anna Olivia Böke]

Vorne kurz, hinten lang, aber wann ist es mal lang genug? Der Vokuhila-Trend hat etwas ungemeinsam mit anderen Trends: Er kommt ständig wieder, ohne jemals wirklich zu verschwinden. Wo kommt die Frisur her und wie hat sie es geschafft, sich so in Popkultur und Mainstream einzubetten?

Zwischen David Bowie und Ski Aggu sind einige Jahrzehnte vergangen, aber etwas hat sich nicht verändert: Die Vorliebe der jungen Erwachsenen für die Nackentapete. Was im trash-affinen Berlin immer da gewesen ist, hat sich mittlerweile vor allem in der Rave-Kultur in ganz Deutschland verbreitet und das nicht erst gestern. Alle zwei Jahre erscheinen die Artikel der Fashion-Industrie zu einem Vokuhila-Comeback. 

Besonders aber seit der Corona-Pandemie scheint man sich vor Vokuhilas nicht mehr retten zu können. Prominente wie Rihanna, Miley Cyrus und Dua Lipa sowie das Supermodel Cara Delevingne und der DJ Diplo sind nur einige der bekanntesten Stars, die nach dem letzten Lockdown mit besagtem Haarschnitt zurückkehrten. Dieser Trend lässt sich nicht einfach auf Zufall zurückführen, erklärt das Style-Ressort des BBC. Es sei sinnig, dass eines der traumatischsten und prägendsten Jahre unserer Generation auch den umstrittensten Haarschnitt der letzten 30 Jahre wieder aufleben lässt.

Tatsächlich lässt sich eine gewisse Kausalität erkennen, wenn man den Trend zurückverfolgt. Auf der einen Seite sah man den Look schon seit einigen Jahren gelegentlich auf Modenschauen wie bei Gucci oder Saint Laurent. Doch für den Alltag war diese Ästhetik lange Zeit zu extrem und mit Klischees behaftet. 

Der schlechte Ruf des Vokuhila-Schnitts ist nicht ganz fair. Ursprünglich war er ein avantgardistisches Statement. Paul McCartney präsentierte bereits ab 1967 eine sanfte Version davon, und David Bowie radikalisierte die Form ein paar Jahre später mit einem rot getönten Plüsch-Ball auf dem Kopf, aus dem hinten lange Strähnen hingen. Von dort aus etablierte sich der Schnitt in nahezu jeder Subkultur der 80er Jahre.

Doch dann wurde der Schnitt seiner eigenen Popularität zum Opfer. Die deutschen Fußballweltmeister machten ihn 1990 endgültig zum Proll-Accessoire. In den 90er Jahren, mit ihren rasierten Nacken und scharfen Geschlechtergrenzen, erschien die Frisur jedoch rettungslos unzeitgemäß. Nur im Zuhältermilieu und in amerikanischen Trailerparks überlebte der „Kentucky Waterfall“ als nostalgischer Mittelfinger gegen den Mainstream.

Dann kam das Virus und mit ihm der Hype um die Netflix-Dokumentation „Tiger King“, die plötzlich die meistgesehene Serie der Welt wurde. Die Menschen suchten nicht nur nach Unterhaltung, sondern auch nach Ideen, was sie mit ihren wuchernden Haaren anstellen könnten. Wer könnte da ein besseres Vorbild sein als Joe Exotic, der Hauptdarsteller der Doku? 

Business in the front, party in the back

Doch bei genauerer Betrachtung passt der Haarschnitt mit seiner vulgären Praktikabilität und seinem verstörenden Mix aus adrett und ungepflegt überraschend gut zu dem Spagat zwischen Privat- und Berufsleben, in dem wir uns seit einem Jahr befinden. Was könnte diesen Lebensstil besser abrunden als eine Frisur, die schon seit Jahrzehnten mit dem Satz verknüpft ist: „Vorne Business, hinten Party“?

Abgesehen davon spricht der Haarschnitt seit langem einen gesellschaftspolitischen Nerv an: die Überschreitung der Geschlechtergrenzen. Er ist durch die Verschmelzung von kurz und lang ein non-binärer Schnitt und das macht ihn so beliebt. Gerade das Macho-Image, mit dem die Frisur einst in die Verbannung geschickt wurde, macht sie jetzt interessant für die Queer-Kultur, die mit Bildern traditioneller Männlichkeit spielt.

Ist es also vielleicht Zeit, die Frisur endgültig in den Hall of Fame der Zeitlosigkeit aufzunehmen? Fest steht mittlerweile: Wer den Heckspoiler noch nicht als Alltagsfrisur, wie Bob und Undercut, akzeptiert hat, hat wohl Scheuklappen auf.


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