Threads, X und das Fediverse – Das Ende von Social Media (wie wir es kennen)?

Autor: Volker Strauß | Übersichtskarte des „föderierten Universums“ [Screenshot: fediverse.party]

Als Elon Musk im Oktober vergangenen Jahres nach monatelangen Verhandlungen die Social-Media-Plattform Twitter (jetzt X) übernahm, prophezeiten viele Nutzer:innen bereits das Ende der Plattform. Stimmen, die nach einer Twitter-Alternative suchten, wurden laut. Twitter-Klone wie Bluesky Social und Mastodon erhielten Auftrieb und damit auch die Idee des Fediverse.

Was ist das Fediverse?

Fediverse, das steht für „federated universe”, also „föderiertes Universum”. Die grundlegende Idee ist ein Netz aus eigenständigen Social-Media-Diensten, die zwar alle eigenständig, aber untereinander vernetzt sind (ein bisschen so wie der Föderalismus in Deutschland).

Das heißt, ein:e Nutzer:in kann sich einen Account auf einem der Social-Media-Plattformen in diesem Universum erstellen und dann mit Nutzer:innen auf anderen Plattformen innerhalb des Fediverse kommunizieren. Das ist ungefähr so, wie wenn jemand eine Mail von einem Gmail-Account an einen Mail-Account der Uni schreibt. Obwohl es sich um zwei verschiedene Mail-Provider handelt, können Sender:in und Empfänger:in miteinander kommunizieren und die Mail sieht bei beiden in etwa gleich aus. Hierfür werden verschiedene E-Mail-Protokolle (wie z. B. IMAP, POP3 etc.) benutzt. Das im Fediverse am weitesten verbreitete Protokoll heißt Activity Pub. Dieses Protokoll sorgt dafür, dass alle Server und alle Social-Media Plattformen, die dieses implementieren, untereinander kommunizieren können.

Im Fediverse kann jede:r fähige:r Nutzer:in ein eigenes soziales Netzwerk oder einfach eine Instanz von Mastodon hosten und eigene Content-Policies bezüglich Hate-Speech, Pornographie und Ähnlichem festlegen. Zudem kann jede:r Nutzer:in mittels Filtern präzise steuern, welche Posts im Feed landen und welche nicht. Dies könnte besonders für Mitglieder marginalisierter Gruppen interessant sein, da diese auf herkömmlichen Plattformen oft Hetze ausgesetzt sind.

Es gibt bereits einige Big-Player in diesem Fediverse, die vor allem seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk an Zuwachs gewonnen haben. Vor allem die Plattform Mastodon, die ihren Hauptsitz übrigens in Deutschland hat, sieht X doch sehr ähnlich und profitiert von Musks wilden Versuchen, seiner Plattform ein lukratives Geschäftsmodell zu verleihen. Als Musk im Juli bekannt gab, eine Lesebeschränkung für Tweets einführen zu wollen, bescherte dies Mastodon über 100.000 neue Nutzer:innen.

Die Unsicherheit über die Zukunft von X spielte nicht nur den nicht kommerziellen Playern in die Karten, sondern rief auch Meta (Mutterkonzern von WhatsApp, Instagram und Co.) auf den Plan. Am 05. Juli 2023 launchte Meta den Twitter-Klon Threads. Innerhalb einer Woche registrierten sich um die 100 Millionen neue Benutzer:innen. Aufgrund von Datenschutzbedenken ist die App bisher nicht in der EU verfügbar.

Was ist das Besondere an Threads?

Interessant an Threads ist, dass die Plattform als erster großer kommerzieller Player Teil des Fediverse werden soll. Meta plant, Threads mittels Activity Pub in das Fediverse einzugliedern. So soll es möglich sein, über Threads auf Posts innerhalb des Fediverse zugreifen zu können und andersherum auch Posts von Threads auf anderen Plattformen wie Mastodon anzuzeigen. Ansonsten fühlt sich Threads momentan noch an wie eine light Version von Twitter, mit weniger Features und aktiven Nutzer:innnen. Ob Threads die kritische Masse an Nutzer:innen langfristig an die Plattform binden kann, wird die Zeit zeigen.

Wer profitiert hier?

Mit der Einbindung von Threads in das Fediverse schafft Meta es, der Plattform einen offenen, freundlichen Anstrich zu geben. Meta zufolge soll Threads den Raum für „positive, produktive Unterhaltungen“ bieten, was im starken Gegensatz zu X stehen soll, wo Elon Musk in letzter Zeit immer wieder gesperrte Accounts von vornehmlich rechten und rechtsextremen Nutzer:innen freigab und einen Großteil der Content-Moderator:innen feuerte. Posts, die über Threads gepostet werden, unterliegen denselben strengen Community-Richtlinien wie auf Instagram. Gewinne sollen, wie üblich, mittels Werbeanzeigen eingefahren werden.

Das Ganze lässt sich auch noch weiter denken. So ist es denkbar, dass Meta beispielsweise Instagram an das Activity Pub-Protokoll anpasst. Nutzer:innen könnten dann von Instagram auf Posts auf Mastodon oder Pixelfed, einem Instagram-Klon, zugreifen.

Auch für die Nutzer:innen und Entwickler:innen des Fediverse ist die Einbindung von Threads mittels Activity Pub interessant, da auf diese Weise Millionen von Threads-Nutzer:innen Zugang zu Posts innerhalb des Fediverse erhalten und so die Nutzerbasis, die über Leben und Tod eines sozialen Netzwerkes entscheidet, deutlich erhöht werden könnte. Denn egal wie demokratisch und dezentralisiert Mastodon, Pixelfed und Co. sein mögen und wie toll sich das ganze Konzept anhören mag, am Ende ist die persistente Nutzer:innenanzahl das entscheidende Kriterium.

Wo ist der Haken?

Wie Expert:innen von Netzpolitik.org klarstellen, wird sich Threads hinsichtlich der Datenschutzpraktiken nicht signifikant von anderen Meta-Plattformen unterscheiden. Aber das hat Nutzer:innen in der Vergangenheit auch nicht abgeschreckt. Zudem sorgen sich einige Nutzer:innen, dass mit der Anbindung von Threads an das Fediverse auch die Kommerzialisierung Einzug hält und dadurch den gemeinwohlorientierten Charakter des Fediverse gefährdet. Ob die geplante Fediverse-Implementierung Erfolge verzeichnen kann, wird die Zeit zeigen. Die Ankündigung zeigt jedoch deutlich, dass auch große Unternehmen das Potenzial dieser dezentralisierten Struktur erkennen.


Falls dieser Artikel euer Interesse für das Fediverse geweckt hat, bietet die Website fediverse.party eine Einführung in die Welt der dezentralisierten Netzwerke.


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