Stockende Forschung zu Verhütungsmitteln für den Mann: Patriarchat meets Kapitalismus

Artikel: Anna Olivia Böke | Bislang gibt es auf dem Markt nur zwei Verhütungsmethoden für den Mann: Die Vasektomie und das Kondom. [Foto: Anna Olivia Böke]

Obwohl die Antibaby-Pille weiterhin das verbreitetste Verhütungsmittel ist, zeigt sich ein Abwärtstrend. Die Nebenwirkungen, mit denen sich Millionen von Frauen herumplagen, halten Forschende jedoch davon ab, Äquivalente für den Mann auf den Markt zu bringen. Wieso es nur zwei Methoden für den Mann gibt und an welchen Alternativen geforscht wird, könnt ihr hier nachlesen.

Bisher stehen Männern nur zwei zuverlässige Methoden zur Verfügung, um eine Schwangerschaft zu verhindern: das Kondom und die Vasektomie, also die Durchtrennung der Samenleiter. Das eine ist für viele störend (oh nein, ein Stück Plastik) und das andere zu endgültig (fair).

Es gibt jedoch zahlreiche Ideen für alternative Verhütungsmethoden für Männer, sowohl hormonelle als auch hormonfreie. Diese haben sich bisher jedoch nicht durchgesetzt, hauptsächlich wegen fehlender finanzieller Mittel für Forschung und Wirksamkeitsnachweise. Naja, was heißt „fehlender”, aber wieso sollten die großen Pharma-Chefs in etwas investieren, das durch das Leid von vielen Frauen bereits aufgefangen wird?

Heather Vahdat sammelt in den USA mit ihrer Non-Profit-Organisation „Male Contraception Initiative“ Spenden, um diese in die Forschung an hormonfreien Verhütungsmitteln zu investieren. Dabei liegt der Fokus darauf, Verhütungsmethoden für Männer zu entwickeln, die wieder rückgängig gemacht werden können.

Die größten Zulassungschancen gibt Heather Vahdat speziellen Gelen, die in die Samenleiter gespritzt werden. Diese wirken dort als Filter und halten die Spermien im Ejakulat zurück. Vahdats Initiative hat die Entwicklung von zwei Versionen solcher Gele bereits unterstützt; eines davon soll im Laufe des Jahres am Menschen getestet werden. Es wird jedoch vermutlich noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis diese käuflich erhältlich sind.

Männer und ihre Nebenwirkungen

In einer abgebrochenen Studie der WHO von 2008 zu einer Spritze, die Testosteron und Gestagen enthält, kam heraus, dass die Spermien bei 97 Prozent der Männer komplett unterdrückt wurden und die Schwangerschaftsrate bei den 300 Paaren, die daran teilnahmen, geringer war als bei Frauen, die die Pille nahmen. „Bei 90 Prozent der Männer hat die Spritze reibungslos funktioniert“, sagt Professor Dr. Michael Zitzmann vom Münsteraner Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie. Etwa zehn Prozent der Männer hatten jedoch Nebenwirkungen wie Libidoverlust, Gewichtszunahme, Schwitzen und auch Depressionen – also ähnlich der zugelassenen Anti-Baby 

-Pille. Daraufhin hat die WHO, also weder Forschende noch unabhängige Berater, entschieden, dies seien zu viele Nebenwirkungen. (Klar, eine Thrombose stört lange nicht so sehr wie ein nasser Rücken und Stimmungsschwankungen.)

Die befürchteten Nebenwirkungen des Testosterons, wie Akne oder Haarausfall, verhinderten bisher auch die Freigabe einer Verhütungspille für Männer und die Studie wurde eingestellt (Gott bewahre uns vor mehr Pläten). Hinsichtlich der Methode zur Bewegungsunfähigkeit der Spermien konnten bisher keine negativen Folgen festgestellt werden, allerdings wurde diese Methode bislang nur an Mäusen getestet.

Verhütungsslip: Eine zukünftige Option?

Ein Proband aus Straßburg verhütet seit drei Jahren mit einem Verhütungsslip und nimmt an einer Studie dazu teil. Der Slip ist ein normaler Slip mit einem Loch vorne, durch das der Penis und die Hodenhaut gezogen werden. Dies führt dazu, dass die Hoden in die Leiste hochsteigen und wärmer werden, was die Spermienproduktion verhindert. Noch stehen die Ergebnisse dieser Studie aus.

Forschende von der Washington University School of Medicine in St. Louis haben möglicherweise einen neuen Ansatz zur hormonfreien Verhütung entdeckt. Um die Verschmelzung von Spermium und Eizelle zu verhindern, muss das Spermium seine Oberflächenspannung verändern, was durch die Aktivierung eines Ionen-Kanals geschieht. Die Zellmembran wird dadurch durchlässig und Kalium-Ionen können aus der Zelle strömen, ein Vorgang, der als Hyperpolarisation bekannt ist. 

Das Team um Celia Santi hat nun den verantwortlichen Kanal, SLO3, identifiziert. Mit dem Molekül VU0546110 konnten sie diesen Kanal hemmen und die Freisetzung von Kalium-Ionen verhindern. „Das Potenzial dafür ist klar vorhanden“, bewertet Prof. Dr. Artur Mayerhofer von der Ludwig-Maximilians-Universität München die Ergebnisse der Studie. Die Forschung steht jedoch noch am Anfang und es ist unklar, ob ein mögliches Verhütungsmittel beim Mann oder bei der Frau eingesetzt werden würde.

Samenleiterventil: Ein innovativer Ansatz?

Der deutsche Erfinder Clemens Bimek hat ein Samenleiterventil zur Verhütung für Männer entwickelt. Dabei wird je ein Ventil in den Samenleiter der Hoden eingesetzt, das sich bei Bedarf ein- und ausschalten lässt. Das Bimek SLV soll drei Monate nach dem Einschalten der Sperre den Fluss der Samen unterbinden. Wird der Schalter erneut umgelegt, so sind die Spermien in der Samenflüssigkeit nach 24 Stunden wieder vorhanden.

Bisher trägt nur der Erfinder selbst das Ventil. Eine erste Studie muss noch starten. Allerdings werden seit geraumer Zeit Forschungsgelder für einen klinischen Versuch gesucht, bisher jedoch ohne großen Erfolg.

Im Zweifel bleibt dann wohl die beste Verhütungsmethode für den Mann vorübergehend doch die Sweatshorts.


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