Skincare statt Spielplatz: Einfluss von Sozialen Medien und Konsumverhalten auf Generation Alpha

Artikel: Rabea Jung | Skincare Culture entwickelte sich während der Pandemie zu einem riesigen Thema. Nun hat es auch Generation Alpha erreicht. [Foto: Rabea Jung]

Wer in den letzten Wochen online unterwegs war, hat vielleicht mitbekommen, dass sich US-amerikanische Konsument:innen einer bekannten Beauty-Kette über ihre neueste Zielgruppe beschweren: Kinder, die sich unmöglich benehmen, und dort eigentlich nichts zu suchen hätten. Wie es dazu kommen konnte, diskutieren wir in diesem Artikel. 

TikToks von Kindern mit vollen Einkaufskörben, die unhöflich zu Angestellten sind, Tester zerstören, die Regale voll teurer Skincare leeren und ganz allgemein die Shopping-Experience stören, schlagen seit einiger Zeit Wellen. Gemeinsam vereinen sich alle gegen diese Kinder, die eine beruhigende Erfahrung voller luxuriöser Beauty-Produkte in einen Freizeitpark-Ausflug verwandeln. Dass Menschen sich mit zunehmendem Alter einem steigenden Druck, jung aussehen zu müssen, konfrontiert sehen, ist nicht neu. Jedoch kann dieses Phänomen der Obsession mit Skincare in einem (zu) jungen Alter langwierige, unangenehme Folgen haben. Eine Frage stellt sich also: Warum denken Kinder, dass sie Skincare mit nicht altersgerechten Inhaltsstoffen (wie bspw. Retinol) nutzen müssen, die, wenn nicht korrekt angewendet, potenziell Schäden anrichten? 

Auf Wochen der Wut über den Untergang der (Luxus-)Beauty-Läden von TikTok-Nutzer:innen folgte eine Welle von Video-Essays, die versuchten, diese Frage zu klären. Creators wie Madisyn Brown, Kelly Gooch und James Welsh diskutieren den Mangel an third places für Kinder und Teenager, den gesellschaftlichen Drang, schneller erwachsen zu werden, und die Verantwortung von Marken und Eltern, die Skincare-Besessenheit von Generation Alpha (eingeteilt in die Geburtsjahre 2010-2025) zu zähmen. Third places oder auch dritte Orte werden nach Ray Oldenburg als öffentliche Orte außerhalb von Zuhause und der Schule bzw. Arbeit definiert und wären hier also Orte, in denen Kinder altersgerechten Aktivitäten nachgehen können, die nicht die Anwendung von Retinol beinhalten. 

Überfluss an (Halb-)Wissen seit Beginn der Pandemie 

Die Wurzeln der Besessenheit junger Menschen mit Skincare könnten in der Skincare Culture der Pandemie liegen. In den frühen 2020er-Jahren, als sich die privilegierteren Menschen darum kümmern konnten, nicht nur ihre Behausung, sondern auch ihr Selbst zu priorisieren, entwickelte sich besonders ein Thema zum Favorit vieler Konsumenten:innen: Skincare. Ausgewählte YouTube-Creators oder auch „Skincare-Gurus“ akkumulierten vor wenigen Jahren noch Millionen an Views. Auch Jahre nach Beginn der Pandemie ist das Thema Skincare online noch sehr beliebt, und mehr und mehr Creators behandeln das Thema. Nur wenige dieser „Skincare-Gurus“ sind tatsächlich zertifizierte Dermatolog:innen, sondern oft einfach nur Menschen, die sich privat gerne mit der Thematik beschäftigen. Ob Inhalte, die dann von „Gurus“ an potenziell Millionen von Menschen weitergegeben werden, immer richtig verstanden werden, ist zweifelhaft; dass bestimmte Inhaltsstoffe wie Säuren und Retinol bewusst und mit Hintergrundwissen angewendet werden müssen, wird oft vernachlässigt. 2024 nutzen viele Dermatolog:innen das Potenzial einer Online-Plattform, und produzieren Content, der das Verstehen von Skincare, verschiedenen Inhaltsstoffen und potenziellen Lösungen für Hautprobleme für Konsument*innen einfacher machen soll. 

Dieser Überfluss an Skincare-Content von mehr oder weniger seriösen Quellen versorgte in den letzten Jahren also nicht nur Erwachsene und Teenager, sondern auch Generation Alpha mit (Halb-)Wissen. Influencer, die beliebte Produkte in die Kamera halten – egal ob sie dafür bezahlt werden oder nicht, und ob diese Bezahlung erwähnt wurde – regt das Konsumverhalten an, auch bei jungen Menschen. Dass das Verhalten von Erwachsenen im jungen Alter oft imitiert wird, ist nicht neu. Durch Jahre der essentiellen Entwicklung, die Generation Alpha durch die Pandemie fehlt, sowie eine Erziehung mit sozialen Medien manifestiert sich hier also als eine empfundene Notwendigkeit, nicht nur die Erwachsenen des Umfelds, sondern auch die Erwachsenen online zu imitieren. In diesem Fall greift Gen Alpha unter Anderem aus diesem Grund zu dem, was sie online sehen: teuren Produkten, die absolut nicht für ihre junge Haut geeignet sind. Durch den Mangel an altersgerechten third places suchen Kinder in den USA also nun teilweise (Luxus-)Beauty-Ketten auf, deren Skincare-Produkte mit teils bunten, beinahe kindlichen Verpackungen wie für sie gemacht erscheinen. Ob die Verantwortung hier auf die Marken, die Eltern, die allgemeine Entwicklung der sozialen Medien oder alle drei Faktoren zurückfällt, wird diskutiert. 

Während die Rezeption in sozialen Medien zu diesem Phänomen also durchwachsen ausfällt, hat die Thematik sogar etablierte Nachrichtenportale erreicht, die vor unerfahrenem Umgang mit Inhaltsstoffen, besonders bei sehr junger Haut, warnen. Deshalb gilt hier für alle, auch wenn ihr alt genug seid, um die besprochene Skincare tolerieren zu können: Informiert euch, anstatt Routinen zu kopieren, die ihr online seht, und glaubt potenziell eher den Dermatolog:innen als den Skincare Gurus.


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