Schwerpunkt Frauen in der Wissenschaft – Lise Meitner

Artikel: Selome Abdulaziz | Die Physikerin Lise Meitner um 1946. [Foto: Smithsonian Institution Archives]

Im ersten Text unseres Februar Schwerpunkts ging es um den Matilda-Effekt, der beschreibt, wie wissenschaftliche Errungenschaften von Frauen Männern zugeschrieben werden. Eine Frau, die Opfer dieses Phänomens wurde, ist Lise Meitner. Wir stellen euch ihre Geschichte vor.

Lise Meitner wurde 1878 in Wien als Teil einer säkularen jüdischen Familie geboren. Nach dem Abitur, was damals für eine Frau ungewöhnlich war, muss sie darum kämpfen, studieren zu dürfen. Schließlich studiert sie Mathematik, Physik und Philosophie und promoviert 1906 als eine der ersten Frauen im Fach Physik. Nach der Promotion wechselt sie nach Berlin und beginnt dort mit dem Chemiker Otto Hahn zusammenzuarbeiten. 1909 entdecken Meitner und Hahn gemeinsam den radioaktiven Rückstoß bei der Aussendung von Alpha-Strahlen. 1912 beginnt sie eine Stelle als Assistentin von Max Planck in Berlin. International bekannt macht sie ihre Forschung von Alpha-Beta- und Gamma-Strahlung*. Nach ihrer Habilitation in Wien bekommt sie 1926 eine Professur in Berlin und wird zur Expertin der Strahlen- und Kernphysik. 1935 stößt sie an, gemeinsam mit Hahn Experimente zum Beschuss von Uran zu beginnen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ist sie gezwungen, 1938 nach Schweden zu fliehen und arbeitet dort am Nobel-Institut für Physik.

Nobelpreis-Snub

Im Exil korrespondiert sie weiter mit Otto Hahn und seinem Assistenten Fritz Straßmann, die ihr von Kernspaltungsversuchen mit Uran und Thorium schreiben. 1938 gelingt den beiden Forschern erstmals eine Kernspaltung. Die Interpretation der Ergebnisse liefert Lise Meitner gemeinsam mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch. Als Otto Hahn 1946, wegen des 2. Weltkriegs verspätet, den 1944er Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung der Kernspaltung erhält, werden Meitner, Straßmann und Frisch nicht erwähnt. Immer wieder wird Lise Meitner in den folgenden Jahrzehnten für den Chemie- oder Physiknobelpreis nominiert, insgesamt 48-mal. Bekommen hat sie ihn nie. Als 1961 der polnisch-britische Physiker Józef Rotblat Lise Meitner für einen Nobelpreis vorschlägt, begründet er die Nominierung so: „Obwohl die Experimente, die zur Separierung und Isolierung der Spaltprodukte geführt haben, von Professor Hahn ausgeführt worden sind, ist es allgemein anerkannt, dass es Frisch und Meitner gewesen sind, die den Prozess als Kernspaltung erkannt und ihn richtig interpretiert haben.“ Ihm zufolge seien Meitner und Frisch damit die wahren Entdecker:innen der Kernspaltung. 1946 schreibt Meitner einen Brief an Hahn und spricht ihn darauf an, dass sie anscheinend nicht seine Nobelpreis-Kollegin werden könne. „Falls Du daran interessiert bist, könnte ich Dir etwas darüber erzählen“, schreibt sie. Er antwortete darauf nie. Meitner, die Forschungsaufträge der US-Armee zum Bau einer Atombombe immer wieder ablehnte und sich für die bedachte Nutzung der Kernenergie einsetzte, zog 1960 nach Cambridge und starb dort 1968 im Alter von 89 Jahren.

*Radioaktive Strahlung

Radioaktive Strahlung entsteht durch den Zerfall instabiler Atomkerne, auch als Radionuklide bekannt. Dabei können verschiedene Strahlungsarten freigesetzt werden:

  • Alphastrahlung ist eine Teilchenstrahlung bestehend aus doppelt positiv geladenen Heliumkernen
  • Betastrahlung ist eine Teilchenstrahlung bestehend aus Elektronen oder Positronen
  • Gammastrahlung ist eine elektromagnetische Strahlung mit kurzer Wellenlänge

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