Schwerpunkt Frauen in der Wissenschaft – der Matilda-Effekt

Artikel: Freya Pauluschke | Wissenschaftlerinnen standen oft im Schatten ihrer Ehemänner oder Kollegen. [Illustration: Radunkel]

Am 11. Februar wird der Internationale Tag der Frauen in der Wissenschaft gefeiert. Bis in die Gegenwart zeigt sich die Tendenz, dass Forschungsbeiträge von Frauen oft übersehen, geleugnet oder ihren männlichen Kollegen zugeschrieben werden. Dieses Phänomen nennt sich Matilda-Effekt. Wir erklären euch, was dahintersteckt.

Der US-amerikanischen Frauenrechtlerin, Aktivistin und Soziologin Matilda Joslyn Gage fällt die Unsichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen auf, weshalb sie 1870 den Essay „Woman as an Inventor“ verfasst. Darin verurteilt sie die damalige Annahme, dass Frauen kein erfinderisches oder wissenschaftliches Talent besäßen: „No assertion in reference to woman is more common than that she possesses no inventive or mechanical genius, even the United States census failing to enumerate her among the inventors of the century”, beginnt Gage ihren Essay.

Das Phänomen der nicht beachteten Wissenschaftlerinnen erhält seinen Namen erst 1993 durch die Historikerin Margaret Rossiter, die mehrere Bücher über die Errungenschaften vergessener Wissenschaftlerinnen aufbereitet. In ihrem Essay „The Matilda Effect in Science“ nimmt sie Bezug auf Gage.

Matilda Joslyn Gage [Foto: 19th century photograph, Public domain, via Wikimedia Commons]

„Although woman’s scientific education has been grossly neglected, yet some of the most important inventions of the world are due to her”, schreibt Gage im ersten Absatz ihres Essays. Sie bezieht sich auf einen Artikel der New York Times, der besagt, dass das weibliche Gehirn schneller als das männliche Hirn sei und dass Frauen Fehler und Hinweise entdecken, die der Aufmerksamkeit eines durchschnittlichen Mannes entgehen würden. Folglich listet sie bedeutende Frauen der Geschichte, von ägyptischen Göttinnen bis hin zu zeitgenössischen Erfinderinnen, auf, die für etliche Entwicklungen verantwortlich gewesen sind.

Künstlerische Erfindungen wie das Herstellen und Verzieren von Töpferware gehen auf die Frau zurück, da sie das Essen zubereitete. Die Entdeckung von Seide 4000 Jahre vor Christus geht auf Cangu zurück, die Ehefrau des Gelben Kaisers Huangdi. China war lange unter dem Namen Serica bekannt – das Land der Seide. Der heutige Name China stammt von der Cangu-Göttin oder Seidenraupengöttin und so wird die Erfinderin dort heute noch erinnert und verehrt. Die Wiederentdeckung der originalen Stichart der Venezianischen Spitze durch die Handwerkerin Madame Bessani ermöglichte immense Einnahmen sowie politische Macht für Italien.

Im 19. Jahrhundert erfindet Jeanne Villepreux-Power das Aquarium, um Meerestiere unterschiedlicher Ozeane genauer studieren zu können. Ohne das Aquarium wäre die Meeresbiologie undenkbar. Auch die Medizin verdankt vieles den Frauen. Die Hebamme Angélique du Coudray erfindet 1759 die erste Puppe, an der geburtshilfliche Handgriffe geübt werden konnten. Dadurch wurde das physiologische Wissen wesentlich stärker verbreitet als es sonst möglich gewesen wäre.

Gage legt außerdem in ihrem Essay dar, dass Männer, darunter Ehemänner oder Handelsminister, oft Patent auf Schriften von Erfinderinnen anmelden und sich somit deren Gedankengut unter den Nagel reißen. Aufgrund von Missbilligung und Spott seitens Freund:innen und der Gesellschaft sei es für Frauen damals nicht so leicht, von sich aus direkt ein Patent anzumelden.

Zahlreiche Forschungskarrieren von Wissenschaftlerinnen enden mit fehlender Anerkennung dieser. Ihre männlichen Kollegen werden für die Errungenschaften geehrt, manche erhalten sogar den Nobelpreis, die Wissenschaftlerin wird höchstens mal in einer Fußnote erwähnt.