Respektlosigkeit in Präsenzvorlesung – eine Dozentin berichtet

Autorin: Freya Paluschke | Bild: Möglicherweise schreckt das störende Benehmen mancher Studierenden andere von der Teilnahme an der Vorlesung ab. [Foto: unsplash]

Unsere Redakteurin berichtete bereits im Campuserlebnis von Respektlosigkeit seitens der Studierenden in einer Präsenzvorlesung. Nun hat sie das Gespräch mit der Dozentin gesucht, um ihre Perspektive auf das Geschehen zu beleuchten. Sie möchte anonym bleiben.

Endloses Gequatsche, auffällig lautes Verlassen mitten in der Vorlesung und freche Sprüche: Ein paar Studierende scheinen nicht zu wissen, wie man sich in Vorlesungen verhält. Respektloses Benehmen ist nicht nur der dozierenden Person gegenüber unhöflich, sondern auch den Kommiliton:innen, die die Vorlesung besuchen, um aufmerksam zuzuhören und etwas von dem Inhalt mitzunehmen.

Im Rahmen des Ergänzungsbereichs für mein Studium habe ich in diesem Wintersemester die Vorlesung aus dem Studiengang Spanisch besucht besucht. „Es gab eine Gruppe von Studierenden, die sich in den Präsenzterminen permanent unterhalten hat. Das hat nicht nur mich als Dozentin gestört, sondern offenbar auch Sie als Teilnehmende”, ist ihr aufgefallen. “Eine häufig zu beobachtende andere Unsitte war das vorzeitige Verlassen der Vorlesung, und zwar möglichst geräuschvoll und häufig von Studierenden, die sich in die Mitte einer Sitzreihe gesetzt hatten, so dass die Nachbarn aufstehen mussten“, schildert die Dozentin die Vorfälle.

In diesem Ausmaß hatte die Dozentin das bisher noch nicht erlebt. Bisher hat sie bei Störungen darum gebeten, die Gespräche mit den Kommiliton:innen zu teilen oder außerhalb des Hörsaals weiterzuführen. „In der Regel haben diese Reaktionen dazu geführt, dass Ruhe im Hörsaal eintrat, in diesem Semester jedoch nicht“, gibt sie zu bedenken. In dieser speziellen Vorlesung hat sich leider nichts verändert, da die Verantwortlichen konstant anwesend waren.

Warum studieren, wenn kein Interesse gezeigt wird?

Man fragt sich, wie es zu solch einem respektlosen Verhalten kommt. Diese Vorlesung ist Bestandteil der Studieneingangsphase, daher sind die meisten Teilnehmer:innen im ersten Semester und die Unterrichtsformate der Universität noch nicht gewohnt, was dieses Verhalten aber nicht rechtfertigt. „Vielleicht meinen die Erstsemester, da sie den reglementierten Schulalltag endlich hinter sich gelassen haben, dass sie nun die Schulregeln für gutes Betragen damit ebenfalls hinter sich lassen können“, sagt die Dozentin.

Es wurde deutlich, dass einzelne Studierende das spezifische Vorlesungsformat nicht gewohnt waren. Als Erstsemester würde man sich trotzdem darauf einlassen, versuchen, mitzukommen und gegebenenfalls Inhalte nacharbeiten, sobald die Folien auf Moodle hochgeladen werden. Stattdessen richteten einige ihre Aufmerksamkeit auf Nachbar:innengespräche und Aussagen wie „Das ist Ihre Aufgabe, uns das zu erklären“, nachdem die Dozentin helfende Impulsfragen zum Verständnis stellte. Die Wahl eines Studiums ist freiwillig und selbstbestimmt. Daher stellt sich die Dozentin die Frage, „warum diese Studierenden in der Vorlesung sitzen, wenn sie die Inhalte nicht interessieren“.

Die Dozentin fügt hinzu, dass auch die Online-Lehre durch COVID zum Rückzug höflicher Manieren beigetragen habe. Jede:r Student:in und jede:r Dozierende saß bereits vor einem mit schwarzen Kacheln übersäten Bildschirm „und die Chat-Funktion eignet sich hervorragend für Beleidigungen anstelle von intelligenten Fragen und Kommentaren. Diese Verhaltensweisen lassen an der sogenannten Hochschulreife, die ja mit dem Abitur erreicht werden soll, zweifeln.“ Des Weiteren möchten Studierende „völlig zu Recht als Erwachsene ernst genommen, anerkannt und entsprechend respektvoll behandelt werden; das gleiche erwarten die Lehrenden aber auch von den Studierenden.“


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