Podcasts & erholsamer Schlaf – Ein Gegensatz?


Artikel: Anna Olivia Böke | Ist es gesund, mit Podcasts einzuschlafen? [Foto: Anna Olivia Böke]

Einschlafen mit Wikipedia, Die Drei ???, ASMR, Musik, White Noise und Co. – Wir lieben es, mit Hintergrundgeräuschen einzuschlafen. Aber wie kommt es zu dieser Vorliebe oder gar Abhängigkeit beim Schlafritual und ist das überhaupt gesund?

Man kennt es: Die Zähne sind geputzt, das Bett frisch bezogen, das Handy weggelegt – beste Bedingungen für erholsamen Schlaf. Kaum sind die Äuglein geschlossen, fangen jedoch die Gedanken an zu kreisen. Die meisten greifen dann zu Hintergrundgeräuschen wie Podcasts, Hörspielen, Musik, Naturgeräuschen oder White Noise. Den Möglichkeiten sind hier kaum Grenzen gesetzt. Ich habe zum Beispiel zuletzt japanische Schlafzug-Vlogs für mich entdeckt. Aber was steckt hinter dieser Angewohnheit und ab wann wird sie zum Problem?

Der Boom zeigt sich nicht nur in den stetig wachsenden Zahlen an Einschlaf-Podcasts oder der andauernden Beliebtheit des Hörspiels Die Drei ??? bei Erwachsenen (Lies in unserem Artikel zu 45 Jahren Drei ??? mehr dazu). Zuletzt gab es 2020 über 250 Apps für White Noise im Angebot.

Schlafforscherin Christine Blume rät im Interview mit Deutschlandfunk Nova davon ab, auf Dauer mit Podcasts einzuschlafen, da es das eigentliche Problem bloß überspielt. Sie sagt, der Mensch könne ohne Hilfe einschlafen und laut einer wissenschaftlichen Studie sei die wissenschaftliche Evidenz für das schnellere Einschlafen durch Hintergrundgeräusche sehr gering. 

Es heißt der Schlaf würde durch Geräusche eher gestört werden. Besonders unregelmäßige Geräusche wie aus dem Fernseher, Radio und Musik sollten vermieden werden, da durch plötzliche Überraschungsmomente oder Peaks in den Frequenzen das Nervensystem aktiviert wird oder man gar aus dem Schlaf gerissen werden kann und so den Schlafrhythmus verschlimmert. So bewirkt man das Gegenteil: Der Schlaf wird weniger erholsam, auch wenn wir es nicht merken.

Weiß, pink oder braun – Welche Farbe hat das Rauschen denn nun?

Daher eignen sich für die Gedankenbesänftigung, wenn überhaupt, eher gleichmäßige Geräuschkulissen, die das Gehirn nicht im Schlaf in Alarmbereitschaft setzen. Dazu eignen sich White, Pink und Brown Noise. Aber was ist das eigentlich?

White Noise, auch bekannt als weißes Rauschen, ist ein gleichmäßiges und künstlich erzeugtes Geräusch, das aus einer Mischung aller hörbaren Frequenzen besteht. Es klingt monoton und wird oft als kontinuierliches Rauschen wahrgenommen, ähnlich dem Rauschen eines Wasserfalls oder wenn ein Radio oder Fernseher auf keinen Sender eingestellt ist. Pink Noise ist lediglich eine Abstufung, bei der die hohen Frequenzen leiser sind (z.B. Regen bei geschlossenem Fenster). Bei Brown Noise sind die Höhen und Mitten noch leiser (z.B. Meeresbrandung). Einige Menschen empfinden das als angenehmer.

Die Wirkung von White Noise besteht darin, dass es kontinuierlich über das Gehör aufgenommen wird, aber im Gehirn oft als unwichtig eingestuft wird. Dadurch entspannt sich das Gehirn allmählich und blendet das monotone Geräusch aus, was die Hörschwelle für andere störende Geräusche senkt. Da White Noise eine insgesamt laute Klangumgebung schafft, fallen plötzliche störende Geräusche weniger auf, was dazu beiträgt, dass das Gehirn einfacher zur Ruhe kommt. Das hilft also vor allem, wenn andere Umgebungsgeräusche, wie laute Nachbar:innen, euch vom Schlafen abhalten.

Ablenkung bekämpft nicht die Ursache

Laut Blume liegt die Ablenkungsmethode nahe, da die Berieselung störende Gedanken bindet. Man lerne so aber nicht, wie man ohne Hilfe wieder einschlafen kann. Es bekämpft bloß die Symptome und kann keine dauerhafte Lösung darstellen. Wer also wiederkehrende Gedanken hat und eine Unruhe verspürt, sollte diese nicht verdrängen, sondern schlaftherapeutische Hilfe aufsuchen. Diese Schlafstörung kann auch Symptom eines größeren Problems sein.

Vielleicht bekämpft die Anwesenheit von Stimmen und Geräuschen aber auch ein Gefühl von Einsamkeit und sorgt für ein wohlig-nostalgisches Gefühl von kindlicher Geborgenheit. Gerne würden so manche Erwachsene noch einmal zurück in den Unterschlupf der Eltern zurückkehren, eine Einschlafgeschichte erzählt bekommen und sanft in den Schlaf gewogen werden. Gerade junge, alleinlebende Erwachsene sorgen durch diese Mittel für Leben im Haus.

An diesem Wunsch nach gelegentlichem Eskapismus ist an sich nichts auszusetzen und er kann sicherlich als Self-Care verbucht werden. Wenn das eindringliche Gefühl von Einsamkeit einen jedoch regelmäßig nachts umtreibt, empfiehlt es sich auch da einmal genauer hinzuschauen und das Problem an der Wurzel anzugehen.

„Wir als Schlaftherapeut:innen haben wirksamere Methoden.“ Christine Blume, Schlafforscherin

Gegen Gedanken hilft es zum Beispiel, sich vorzustellen, wie man jeden Gedanken auf ein Boot setzt, das auf einem Fluss davon schwimmt. Wenn auch das nicht hilft, lieber aufstehen und aufs Sofa setzen, lesen und später noch einmal versuchen.

Generell verbessern ausreichend Tageslicht (mindestens 30 Minuten am Morgen) und sportliche Aktivität die Schlafqualität. 

Auch Atemübungen können für Entspannung sorgen, da sie den parasympathischen Teil des vegetativen Nervensystems stimulieren, so Blume. Empfehlung: vier Sekunden einatmen und sechs Sekunden ausatmen. Dabei ganz tief in den Bauch, sodass er sich spürbar wölbt. Wenn es aus akuten Gründen nicht anders geht, sollten Nebengeräusche spätestens nach 30 Minuten abgeschaltet werden. Hierzu haben die meisten Geräte und Apps integrierte Sleeptimer.


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