Netflix, Glass Onion und das große Budget-Problem

Das Problem an Filmabenden kennt vermutlich jede:r: Man scrollt gemeinsam mit Freund:innen durch den Netflix Feed, aber reizen scheint nichts so richtig. Wir haben uns oft dabei erwischt, wie Filme mit dem roten N in der oberen Ecke automatisch ausgeschlossen wurden – und das, obwohl Netflix in große Namen und hochwertige Produktion investiert hat. Vielleicht doch etwas zu viel. 

Eine Kommentar von Nikita Verbitskiy

Knives Out von Rian Johnson aus dem Jahr 2019 war ein voller Erfolg. Er war so populär, dass er eine ganze Reihe Agatha Christie-inspirierter Whodunit-Filme in die Wege geleitet hat, die uns nun auf sämtlichen Plattformen jagen – und durch den Krimidinner-Hype der letzten Jahre sogar im echten Leben. Ganz unbemerkt ist das nicht geblieben, denn kurz darauf machte Netflix dem Regisseur in Vito Corleone-Manier ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. 450 Millionen Dollar boten sie ihm für die Rechte an einer Fortsetzung, mehr als das Elffache des gesamten Budgets des ersten Teils. Hätten sie stattdessen doch lieber direkt den Paten ins Programm genommen. 

Ganz wie Philip Plein-Träger:innen zeigt Netflix mit der Fortsetzung, dass Geld auf das Problem schmeißen es leider auch nicht löst. Aus einem wohlhabenden Autor wird der reichste Mann der Welt und aus einem alten Anwesen eine Privatinsel, die so aussieht, als hätte man Temptation Island 2040 darauf drehen wollen. Wo Knives Out mit einer gemütlichen Atmosphäre brillierte, die unsere Couches 20 Prozent weicher und unseren Tee etwas heißer machte, gibt Netflix bei Glass Onion damit an, wie viele bekannte Schauspieler:innen sich mittlerweile von dem Streaminganbieter kaufen lassen. 

Bigger = Better?

Die Krankheit, alles größer und teurer zu machen, hat Netflix nicht gepachtet – jede kommerziell orientierte Produktion denkt in immer größer werdenden Maßstäben, denn aus der kommerziellen Sicht ist der Ansatz fundiert. Statistisch konnte errechnet werden, dass ein größeres Budget durchschnittlich einen größeren Gewinn generieren wird, daher wird dieser Ansatz wie ein Allzweckreiniger auf jedes Projekt gesprüht, ob er nun angemessen ist oder nicht. Ein Avengers Film braucht ein Ende-der-Welt-Szenario und ein Budget im neunstelligen Bereich, eine Krimi-Bottle-Episode als Film eher weniger. 


Die größeren Maßstäbe und die hochpolierte Ausstrahlung kosten den Film auf der einen Seite den Gemütlichkeits-Faktor. Auf der anderen Seite den Regisseur die Kreativität. Wo es vorher innovative Ansätze zur Problemlösung gab, liegt hier so viel Geld rum, dass man es auch irgendwie ausgeben möchte, also mietet man eine Insel. Dabei waren Midbudget-Filme, also Filme mit einem Budget zwischen 15 und 75 Millionen Dollar, lange Zeit der Brutkasten für heutige Klassiker und Kultfilme. Die Verurteilten, Goodfellas und American Beauty sind nur einige der Beispiele, die sowohl das Publikum als auch Kritiker:innen überzeugten und heute einen verdienten Platz im Kanon haben. Knives Out könnte in Zukunft auch zu dieser Kategorie zählen, Glass Onion eher weniger. 


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: