Kreisch – Festival: Queerfeministische Kultur im Ruhrgebiet

Autorin: Selome Abdulaziz | Die Künstlerin und Mit-Organisatorin des Kreisch-Festivals Xenia Ende. [Foto: Moritz Mandlburger]

Dieses Jahr findet das „Kreisch – Festival für Straßenkünste!“ bereits zum fünften Mal statt und bringt queere Kunst und Politik zurück ins Ruhrgebiet. An fünf über den Sommer verteilten Terminen finden verschiedene Veranstaltungen im öffentlichen Raum statt. Was hinter dem Festival steckt, erfahrt ihr hier.

Das „Kreisch – Festival für Straßenkünste!“ wird von einem queerfeministischen und antirassistischen Kollektiv veranstaltet. Dieses Jahr sind fünf Veranstaltungen zwischen Juni und September geplant. Im Juni fanden bereits das Kreisch-Eröffnungsfest mit Konzerten und Keyboard-Disko auf dem Frohnhauser Platz und die Modenschau der Diversität im Gervinuspark in Essen-Frohnhausen statt. Telefonisch konnten sich Personen melden, um Teil der alternativen Fashionshow zu werden. Alter, Geschlecht und Aussehen spielen dabei keine Rolle. Für Sanna, die seit drei Jahren Teil des Kollektivs ist und das Kreisch – Festival mitorganisiert, ist die Modenschau immer eins der Highlights der Veranstaltungen. „Es gab super coole und teilweise selbst gemachte Kostüme. Es war total schön, die Kreativität und die Akzeptanz zu spüren“, schwärmt sie.

Das nächste Event ist das queerfeministische Straßenfest „Take Your Space“ am 15. Juli auf dem Frohnhauser Platz. Es wird Live Rap, eine Open Stage, Workshops und vieles mehr geben. Xenia, Mitbegründerin des Kreisch – Festivals und selbst Künstlerin, freut sich sehr auf diese Veranstaltung: „Wir haben viele politische Initiativen gewonnen, die Infostände machen. Leute aus dem Stadtteil werden kommen, es gibt ein Bühnenprogramm, ein Malangebot, das wird ein dicker Ballon an Sachen!“ Auch auf die Veranstaltung am 12. August ist Xenia sehr gespannt. Bei „Beyond Borders & Binaries“ wird sie ihr queeres Musical über die Liebe „Xenia World – To The Oceans Of Love“ uraufführen. Außerdem wird es eine Klanginstallation, Kabarett, eine Plakatausstellung und Aktionen zum Mitmachen geben. Das Event findet am Museumsbahnsteig des Oberhausener Hauptbahnhofs statt.

Die letzte Veranstaltung in diesem Jahr ist die sogenannte „Saufissage“, die im September stattfinden soll. Das genaue Datum steht noch nicht fest. Es soll eine humoristisch-politische Stadtteilführung in Essen-Frohnhausen geben, bei der sich die Teilnehmer:innen Plakate aus der vergangenen Aktion „Klare Ansage“ des Kreisch-Festivals anschauen. Während der Corona-Pandemie gab es eine Plakatausschreibung, in der politische Messages künstlerisch verarbeitet werden sollten. Dabei sind über hundert Plakate entstanden, die bei der Tour im Mittelpunkt stehen. „Es ist wie eine Vernissage, nur mit einem Hansa in der Hand“, bringt Sanna es auf den Punkt. Im Anschluss soll es ein Punkrock-Abschlusskonzert geben.

Was macht das Kreisch – Festival aus?

Besonders am Kreisch – Festival ist die klare queerfeministische und antifaschistische politische Positionierung. „Wir haben sehr deutliche Messages. Auf Flyern haben wir auch manchmal das Antifa-Logo mit drauf“, erzählt Sanna. Xenia fügt hinzu: „Es ist auch eine Herausforderung, im Kulturbetrieb so deutlich zu sein. Besonders im öffentlichen Raum, wo man viel aufpassen muss.“ Außerdem ist das Kollektiv Fan von experimenteller Kunst und Musik und versucht, unterschiedliche Subkulturen zu vereinen. „Bei der Take Your Space Veranstaltung haben wir populäre Musik wie Rap, bei Beyond Borders & Binaries zeitgenössischen Tanz und experimentelle Musik, im September dann den Punk Schwerpunkt. Ich finde es total spannend, diese sich nicht so berührenden verschiedenen Bubbles von Subkulturen zu verbinden“, sagt Xenia.

Das Kreisch – Festival soll einen Ort schaffen, in dem sich Leute aus verschiedenen Szenen und Subkulturen wohlfühlen. Die Veranstalter:innen wollen die Wahrnehmung von öffentlichem Raum verändern und Menschen Mut machen, sich ihren Raum zu nehmen. Für das Kollektiv ist es wichtig, empowernde Räume zu schaffen. „Viele Menschen aus der queeren Community fühlen sich allein und haben Schwierigkeiten, sichere Orte zu finden, wo sie nicht direkt auffallen und blöd angemacht werden“, erzählt Xenia. Leider gibt es auch bei den Events des Kreisch – Kollektivs Anfeindungen. „Wir sind aber immer mit vielen Leuten vor Ort und können schon beim Aufbau der Veranstaltungen die Lage abscannen und Personen ansprechen, die vielleicht stören wollen“, berichtet Sanna. Für Xenia ist die Angst ist da, aber sie erlebt bisher eine stärkende Erfahrung darin, die Räume zu halten und zu merken, dass viele Leute ihnen wohlgesonnen sind. „Familien, Rentner:innen und Leute aus ganz verschiedenen Kontexten finden unsere Veranstaltungen interessant und fangen Gespräche an“, erzählt sie.

Generell haben die beiden den Eindruck, dass besonders Leute zu den Veranstaltungen des Kreisch – Festivals gehen, die bereits in einer queerfeministischen, künstlerischen oder linken Szene oder Subkultur verankert sind und sich mit den Themen des Festivals bereits auseinandergesetzt haben. „Wir bieten relativ wenig Konventionelles, wir haben keine Bierstände, bei uns ist es DIY“, erzählt Xenia. Das spreche Leute an, die auf sowas Lust haben. Bei diesen Besucher:innen käme das Festival sehr gut an, deshalb lautet ihr Appell: „Riskiert mal dahin zu gehen, wir bekommen nur positives Feedback!“ Das Festival soll außerdem auch die Leute erreichen, die zufällig vor Ort sind. „Im Gervinuspark sitzen viele sweete Rentner:innen. Die haben sich total auf die Modenschau gefreut und schon am Tag vorher danach gefragt“, erinnert sich Sanna. Sie wünscht sich allerdings noch mehr Besucher:innen aus anderen Städten des Ruhrgebiets. „Es wäre total schön, wenn sich die Vernetzung weiter ausprägt und das Festival nicht so ein szeniges Ding bleibt.“

Falls ihr jetzt selbst Interesse bekommen habt, das Festival-Team zu unterstützen, könnt ihr euch über Instagram oder per Mail melden. Im Veranstaltungskollektiv sind aktuell sechs Leute. Es gibt einen erweiterten Kreis von etwa 30 Personen, die immer wieder mithelfen. „Der einfachste Weg, ist erstmal bei einer Veranstaltung mitzuhelfen. Um Teil des Kollektivs zu werden, sollte man eigene Ideen für Veranstaltungen haben“, erläutert Xenia. Da der Mindestlohn zu niedrig sei, bekommen alle einen Einheitslohn von 20 Euro pro Stunde.


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