Journalismus im Wandel: Von Menschen zu Maschinen

Artikel: Mazen Hassoun | Der KI-Avatar von Jan Skrynecki moderiert die Sendung. [Foto: STUDIO 47]

Künstliche Intelligenz wird heutzutage in fast allen Bereichen eingesetzt, auch im Journalismus. Der Duisburger Lokalsender STUDIO 47 setzt nun KI-erstellte Moderatoren ein. Unser Redakteur hat den Sender besucht und einen Blick über die neue Arbeitsweise von STUDIO 47 geworfen.

In Duisburg schreibt der lokale Sender STUDIO 47 ein neues Kapitel in der Geschichte des deutschen Journalismus. Seit Anfang Mai setzt der Sender KI-erstellte Avatare als Moderatoren ein. Somit gilt der Sender als erster Sender in Deutschland, der mit KI-erstellten Moderatoren arbeitet.

Das Tool befindet sich derzeit in der Testphase. Seit Monaten arbeitet STUDIO47 daran, ein All-in-One-Tool zu entwickeln, das sämtliche Prozesse der Nachrichtenerstellung und -produktion in einem integrierten System vereint. Ein bedeutender Schritt in diese Richtung ist die Einführung von KI-Moderatoren, die Avatare, die durch verbesserte Grafik und Realismus das Nachrichtenerlebnis für die Zuschauer deutlich ändern werden.

„Die Avatare sind viel geschmeidiger, viel klarer, viel schärfer, viel deutlicher, viel echter geworden“, erklärt Jan Skrynecki, der Chef im Dienst und Moderator von STUDIO 47. Diese Verbesserungen tragen dazu bei, dass das Erstellen Nachrichten noch effektiver und schneller wird.

Künstliche Intelligenz ist nichts Neues bei STUDIO47. Schon seit Jahren entwickelt und arbeitet der Sender mit dem Tool “Botcast”. Das Tool kann automatisch Nachrichteninhalte generieren. Man kopiert Texte, z.B. lange Pressemitteilungen darein, innerhalb von einigen Minuten erhält man eine Nachrichtenmeldung. Dies ermöglicht eine schnelle und effiziente Nachrichtenproduktion und bietet den Journalisten die Möglichkeit, sich auf kreativere Aufgaben zu konzentrieren, wie beispielsweise die Entwicklung von neuen Formaten.

Ein weiteres wegweisendes KI-Tool ist Clipsense. Dieses Tool nutzt die Leistungsfähigkeit von KI, um Videoinhalte zu analysieren, zu organisieren und zu archivieren. Es erkennt automatisch Motive und Einstellungen in Videoclips und ermöglicht eine effiziente Organisation und Archivierung von Footage, sowohl neues als auch altes Material. Nicht nur das, das Tool kann auch Videos alleine zusammen schneiden und einen fertigen Beitrag liefern.

Ein Interview mit Jan Skrynecki, Chef vom Dienst bei STUDIO 47

ak[due]ll: Wie kommt der Einsatz von KI bei euch Journalist:innen an?

Jan Skrynecki: Natürlich ist das eine große Veränderung des eigenen Jobs. Man stellt sich auf einmal die Frage, warum man den Job eigentlich genau macht. Denn der eine schreibt gerne Texte, der andere moderiert gerne im Studio, ein anderer schneidet gerne Beiträge. Und plötzlich übernimmt die KI genau die Dinge, die du gerne machst. Dann ist das natürlich erst einmal frustrierend. Aber im zweiten Moment merkst du, dass du genau diese Dinge zukünftig öfter und ausführlicher tun kannst. Denn durch KI kann das Tagesgeschäft schneller und effizienter abgearbeitet werden. Auch zum Beispiel die Themen, die man nicht unbedingt mag, aber dazu gehören im Journalismus. Pressekonferenzen von irgendwelchen Bilanzen, die manchmal auch langweilig sein können, die aber total wichtig sind. Und darum machen wir das Ganze: Mit dem neuen Tool kann man schneller und kreativer werden, weil es dir Arbeit an anderer Stelle abnimmt. Das Schöne daran ist, dass du dann mehr Zeit für andere Themen oder längere Beiträge und Reportagen hast. Zeit für mehr Recherche, mehr Schnitt- oder Studio-Zeit. Mehr Zeit, um Interviews zu führen, dich mit Gästen und Menschen zu unterhalten. Ganz abseits von KI.

ak[due]ll: Hast du Sorge, dass KI uns Journalist:innen ersetzen wird?

Jan Skrynecki: Die Sorge habe ich eigentlich nicht, weil es immer Leute geben muss, die Beiträge und Sendungen produzieren müssen. Menschen, die die künstliche Intelligenz kontrollieren und steuern. Wir sind diejenigen, die entscheiden, welche Themen überhaupt in die Sendung kommen. Es muss also immer Journalisten geben, die die künstliche Intelligenz mit Input füttern. Außerdem glaube ich, dass es eher ein Gewinn für den Journalismus ist, weil wir eine Zusatzqualifikation erlangen. Wie man früher lernen musste, am PC oder Computer klarzukommen – früher hat man per Hand geschrieben oder mit einer Schreibmaschine. Die künstliche Intelligenz macht unseren Job nicht, sondern unterstützt uns dabei. Es gibt in jedem Beruf einen gewissen Grad, den eine Maschine übernehmen kann. Schau dir einen Stahlarbeiter an, der früher auch anders gearbeitet hat und sich in den nächsten 20 oder 30 Jahren auch nochmal umgewöhnen muss.

ak[due]ll: Wie fühlt es sich an, der erste Sender in Deutschland zu sein, der völlig mit KI arbeitet?

Jan Skrynecki: Wir sind da natürlich stolz drauf. Ich glaube, wir haben da etwas Schönes geschaffen, um letzten Endes nicht nur uns, sondern auch der ganzen Branche etwas Gutes zu tun. Wir haben unser erstes Tool BotCast bereits an andere Unternehmen und Sender verkauft. Das wird aber nicht nur im Journalismus verwendet. Vielleicht benutzt die Polizei Duisburg auch bald unser Tool, zum Beispiel bei Notrufen. Denn das Schöne ist: BotCast kann mit wenigen Klicks auch in zig verschiedene Sprachen übersetzen. Damit könnte man im Ernstfall verschiedenste Gruppen erreichen. Damit wirklich alle verstehen, dass gerade Gefahr besteht oder man bestimmte Stadtviertel meiden sollte. Ein absoluter Gewinn!

Wie kommt es bei den Menschen an?

Im März 2024 hat die Landesanstalt für Medien in NRW eine Akzeptanzstudie von künstlicher Intelligenz in der Medienbranche durchgeführt und STUDIO 47 als Untersuchungsgegenstand gehabt. Die Forschungsfrage war: Wie werden Nutzende auf den Einsatz von KI in den Medien reagieren? 1000 Personen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in ganz Deutschland, wurden in einem Online-Panel befragt.

Das Ergebnis ist erstaunlich: Bei der Bewertung des KI-unterstützten Beitrags im Vergleich zum Originalbeitrag gibt es kaum Unterschiede. Der KI-generierte Beitrag wurde als authentischer bewertet als der originale. Der KI-Avatar wurde sogar als sympathischer bezeichnet als der echte Mensch.

Wir durften einen Blick hinter die Kulissen und den Einsatz von KI des Duisburger Senders STUDIO 47 werfen.

Foto: Landesanstalt für Medien in NRW

Die Frage, ob die künstliche Intelligenz den Journalismus oder unser Leben verändern wird, gehört bereits der Vergangenheit an. Die Veränderung ist schon da. Wir müssen uns nur anpassen und daran gewöhnen.


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