Eine Drag Bar in Essen? Einfach Divine!

Artikel: Carolin Neumeier | Der Innenraum der Divine Bar funkelt auch außerhalb der Öffnungszeiten. [Foto: Carolin Neumeier]

Boris Buchwalds Leidenschaft für die Kunstform Drag wurde bereits im Alter von neun Jahren entfacht. Vor kurzem konnte er diese Passion an seinen Beruf als Gastronom anknüpfen und hat die Divine Bar in der Essener Innenstadt eröffnet. Wie es dazu kam und was der neue Bar- und Bistrobetrieb zu bieten hat, erfahrt ihr hier. 

Zum ersten Mal habe ich Boris gesehen, als ich bei einer Drag Show von Miss Foxy Bless im April versuchte, ein Interview mit dem Bar-Inhaber auszumachen. Über die rustikale Theke rufend, erwartete ich nicht direkt, dass die Person hinter dem Tresen bereits besagter Besitzer ist. Mit einem freundlichen Lächeln bot er mir, während im Hintergrund Foxy für eine volle Bar Kiss von Prince schmetterte, direkt einen Termin an. 

Am Interviewtag erwartet Boris mich in der nun leeren Bar, die einst Zur kleinen Krone hieß. Die Krone war damals ein Ladenlokal, das Boris des Öfteren besuchte, weshalb sein Interesse für diese Lokalität nicht von irgendwo kam. Mit der Erweiterung durch einen weiteren Ladenraum, der direkt auf die Viehofer Straße schaut, wurde aus einer kleinen Kneipe und einer ehemaligen Agentur nun eine große Bar. Doch mit der Erweiterung musste auch der ursprüngliche Eröffnungstermin im Herbst 2023 verschoben werden. Einige Monate später als erhofft war es dann endlich soweit: Ende März 2024 fand das Grand Opening der Divine Bar statt. Auch wenn man Boris anmerkt, was für ein Stück Arbeit dieses Unterfangen war, blickt er jetzt stolz auf sein Herzensprojekt. Auf der Ladenfläche mit zwei Ebenen finden zahlreiche Kund:innen Platz, sei es um mit Freund:innen zu trinken und Gesellschaftsspiele zu spielen oder um eine der Drag Shows zu genießen. Doch selbst wenn hier keine Menschenmenge für eine Queen jubelt, funkeln die Discokugeln von der Decke und werfen das Tageslicht von draußen auf die zahlreichen Kunstwerke im ganzen Raum. 


Stolz verweist Boris auf die Reihe von Malereien, die von der Eingangstür bis zur Bühne auf Säulen und Leinwänden eine Geschichte erzählen. Maurizio Onano, einem lokalen Künstler, ist es gelungen, im Rundgang den Verwandlungsprozess von Künstler:in zur Drag Queen darzustellen. Man merkt: Boris liegt der lokale Bezug von Künstler:innen und Produkten sehr am Herzen und so spiegelt sich seine  Verbundenheit mit Essen in jeder Ecke der Divine Bar wider. Seien es die lokalen Biersorten, die von der Krone übernommene Bartheke oder Miss Foxy Bless, die „First Lady des Hauses.” Denn auch die künstlerische Leitung des Divine-Programms suchte Boris aktiv im Ruhrpott. Auf dem CSD in Bochum wurde er dann bei einem Auftritt von Foxy glücklicherweise fündig.  

Gemeinsam haben die beiden einen Katalog von Veranstaltungen mit diversen Shows an den Wochenenden erstellt. Neben regelmäßigen Drag-Shows und Burlesque-Auftritten sind außerdem Public Viewings für die Fußball-Europameisterschaft 2024 geplant. Noch dazu können auch die Gäst:innen selbst auf der Bühne glänzen. Beim partizipativen Konzept LipSync 4 Your Shot, welches jeden vierten Samstag im Monat stattfindet, bekommt das Publikum die Möglichkeit, sich selbst im LipSyncing zu versuchen. Diese Kunstform gehört zum täglich Brot der meisten Drag Queens und ist bekannt aus Formaten wie RuPaul’s Drag Race. Anders als beim Karaoke muss man hier jedoch nicht dem Gesang von Fremden lauschen, sondern kann – wenn man möchte  – deren Performance zu ausgewählten Hits genießen und sie anfeuern. Als Belohnung erhalten die Teilnehmenden tobenden Applaus und, mit etwas Glück, das nächste Getränk aufs Haus. 

Ein Herzensprojekt

Man merkt schnell, dass Boris sich in der Welt des Drag gut auskennt. Denn die Idee für eine Drag Bar kommt nicht von ungefähr. Seit 1985, als „der kleine 9-jährige Boris vor dem Fernseher” saß und das erste Mal eine Drag Queen performen sah, gibt es keine Kunstform, die Boris mehr begeistert. Bereits damals verspürte er eine Art Identifikation mit dieser Performerin, die sich nicht von Konstrukten und Konvention um Geschlecht einkesseln ließ. Diese künstlerische Art der Non-Konformität kannte Boris vorher schlichtweg nicht. Folglich ist es kaum verwunderlich, dass die Bar heute den Namen der Queen trägt, die seine Leidenschaft entfachte: Divine. Und selbst an die Personen, die den Bezug zu der ikonischen Drag Queen aus dem Film Pink Flamingos nicht verstehen, hat Boris gedacht. Denn auch Kund:innen, die beim Hören des Lokalnamens fälschlicherweise „Die Wein Bar” verstehen, haben die Möglichkeit, auf ihre Kosten zu kommen. Die Bar bietet unter der Woche ein breitgefächertes Wein-Tasting Angebot an.

 

Boris und seine Pläne zeigen immer wieder, dass die Bar nicht nur für Menschen, die sich von einem Buchstaben in LGBTQIA+ repräsentiert fühlen, gedacht ist, sondern für jede:n. Natürlich liegt es ihm dennoch am Herzen, einen Safe Space für queere Personen zu führen. Seine Erfahrungen mit der LGBTQIA+ – Community haben gezeigt: „Hinter jedem Buchstaben verbergen sich wundervolle Menschen.” Er möchte, dass in seinem Lokal jede:r völlig vorurteilsfrei einen Platz hat. Auch die Sexualität der Gäst:innen ist hier, so Boris, „einfach egal.”

Eine Bar so vielfältig wie ihre Gäst:innen 

Auch wenn die Divine Bar erst am Anfang steht, weisen Boris Enthusiasmus und Pläne für die junge Bar auf ein zukunftsträchtiges Konzept. Die Etablierung einer Küche und die Eröffnung des Biergartens sind hier nur die nächsten Schritte in 2024. Aber bereits im bestehenden Angebot findet sich etwas für jede:n, der:die mal etwas Neues in Essen entdecken will. Wahrscheinlich bietet sich kein besserer Monat dafür, als der Pride Month.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter: