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Im Büroregal: Was liest… Dr. Anna Quednau? 

Hier bekommt ihr einen Einblick in die Büroregale von Dr. Anna Quednau.
[Foto: Rabea Jung] 

Habt ihr euch jemals während einer Sprechstunde gewünscht, die Büroregale eurer Dozierenden genauer unter die Lupe nehmen zu können? Dieser Artikel ermöglicht es euch! Wir nehmen euch mit ins Büro von Anna Quednau, Dozentin für germanistische Literatur- und Medienwissenschaft am Campus Essen. 

„Mein Organisationssystem ist wahrscheinlich für Außenstehende etwas chaotisch“, sagt Anna Quednau über ihr Büro. Weil sich der Großteil ihrer Vorbereitung am heimischen Schreibtisch abspielt, „ist tatsächlich das Interessanteste das, was sich in meiner Tasche befindet – was ich von Zuhause und Uni hin und her schleppe“, so die Literatur- und Medienwissenschaftlerin. Ihr Büroregal an der Uni, gefüllt mit Mappen, Stapeln, Zetteln und verschiedenen Büchern, würde sie doch eher als „Parkplatz“ bezeichnen. Dieses besteht teils aus solchen, die „nicht akut interessant sind“, teils Büchern aus der Bibliothek und Bücher, die Quednau als „materielle, gestaltete Gegenstände“ schätzt. „Trotzdem bildet es meine Interessen doch relativ gut ab“, findet Quednau. Ihr Büroregal empfindet sie „als Ordnungssystem schon so präsent“, dass sich der Raum mit anderen Büroartikeln quasi selbst dekorieren würde. Unter anderem findet sich hier aber beispielsweise ein Poster der Pamuk-Ausstellung aus dem Lenbachhaus, die Quednau in München sehen konnte – „Orhan Pamuk hat mit Das Museum der Unschuld genau diese Verknüpfung zwischen literarischem Text und Museum hergestellt“, die Quednau selbst so spannend findet. Ansonsten finden sich hier neben Postkarten noch Comicstrips, etwa ein Geschenk eines Kollegen, der ihr zu seinem Rentenbeginn die Kopie eines Comicstrips von Sascha Hommer und Jan-Frederik Bandel vermacht hat, der in seinem Büro hing und sich auf das Farbkonzept der UDE bezieht.

„Mein Forschungsinteresse hat sich in Wellenbewegungen entwickelt.“

Als Literatur- und Medienwissenschaftlerin forscht Quednau unter anderem zu den Themen Museum, Kunst, Kleidung und Theater. Beschreiben würde sie ihre Forschung als „Wechselverhältnis von Literatur, materieller und visueller Kultur“, eingeteilt in die Forschungsbereiche Museum, Mode und Kleidung, Kunst und Fotografie in literarischen Texten, sowie Theater und Gegenwartsdramatik. Quednau forscht „inhaltlich und medial“, also fokussiert auf die mediale Umsetzung von verschiedenen Themen, wie beispielsweise der „intermedialen Verbindung von Literatur und Fotografie“ oder auch wie „erzählende oder erzählte Museen“ in Literatur manifestiert werden. Als essenziell für ihre Forschung empfindet Quednau je nach Fokus die Texte von Barbara Vinken und Gertrud Lehnert für den Bereich Mode und Kleidung, Mieke Bal für Objekte und visuelles Erzählen und Erika Fischer-Lichte für die Theaterwissenschaft. Ein Text, den sie „auch in ganz unterschiedlichen Kontexten“ schätzt und verwendet, sei der sogenannte ,Kunstaufsatz’ von Walter Benjamin, der „vielleicht heute angesichts von digitalen Entwicklungen und KI ein bisschen antiquiert wirken könnte – der aber gerade jetzt auch noch sehr interessant und aktuell ist“. Die Wahl ihrer Forschungsschwerpunkte sei mehr „ein Prozess, der sich schon seit dem Studium entwickelt hat“ als bewusste Entscheidung gewesen, so Quednau. „Mein zweites Fach war Kunst, und irgendwie hat Literatur in Kombination mit materieller Kultur mich da schon interessiert“, was sich dann „ausgehend von Mode und Kleidung als ein Thema oder motivischer Fokus“ entwickelt hat. Nach dem Studium habe sich dieses Interesse „in Wellenbewegungen entwickelt“. Der Fokus habe sich erweitert auf Objekte und materielle Kultur, woraus sich dann die Museumsobjekte als Forschungsinteresse kristallisiert hätten. „Auf diese Weise sind meine Forschungsschwerpunkte miteinander verbunden, grenzen aneinander an – es war immer ein den Blick ausdehnen, erweitern, und wieder verengen, was die Fragenstellung angeht“. Für die Zukunft würde Quednau gerne ihre Forschung zur Gegenwartsdramatik strukturierter angehen, sowie zu Kunstraubnarrativen publizieren. 

„Wenn ich privat lese, nehme ich keinen Stift in die Hand.“

Aktuell liest Quednau All Fours von Miranda July und Caravaggios Schatten, den zweiten Band der Kunst-Krimi-Reihe von Bernhard Jaumann. Meistens liest sie mehrere Bücher gleichzeitig und auch gerne englischsprachig, was sich „privater als dieser germanistische Blick“ anfühlt. „Privates und berufliches Lesen ist ja bei uns immer schwer abzugrenzen“, so Quednau. „Was die Auswahl angeht, kann ich gar nicht so sehr unterscheiden, aber worin ich stark unterscheide, ist im Lesemodus. Wenn ich privat lese, habe ich keinen Stift in der Hand. Den nehme ich nur, wenn sich etwas entwickelt oder wenn ich ganz klar etwas mit einem beruflichen Fokus auswähle“. Zu ihren liebsten Autor:innen zählt Quednau die amerikanische Autorin Siri Hustvedt mit ihren Romanen, aber auch den „Essays zu Literatur, Kunst und Kultur“ – „die mag ich sehr“. Im Bezug auf Theater und Gegenwartsdramatik schätzt Quednau Elfriede Jelinek, „deren Texte ich sehr gerne gespielt sehe“ und Caren Jeß, die sie als Poetin in Residence eingeladen hatte und deren Texte sie so relativ neu für sich entdeckt habe. „Wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke“, reflektiert Quednau, gäbe es eine Autorin, die sie immer wieder begleitet und in die Hand genommen habe: Jane Austen, „ein Klassiker“.

„Mehr Texte von Frauen.“

Aufgrund der „jahrhundertelangen Schieflage im Kanon“ und „weil es so viel zu entdecken gibt“ würde Quednau empfehlen, „generell mehr Texte von Frauen“ zu lesen. Genau diese Schieflage thematisiert sie aktuell als Teil des Teams der Dezentralen Gleichstellung der Fakultät. Hierzu fand beispielsweise am 17. Januar 2025 ein Vortrag von PD Dr. Martina Wernli, Gründerin des Netzwerks #breiterkanon statt, um die Kanonfrage in der Lehre genauer zu beleuchten. „Lesens- und anschauenswert“ findet Quednau beispielsweise die Arbeiten der Künstlerin Sophie Karl, die „einen sehr eigenen, ehrlichen Blick auf menschliche Schwächen und Sehnsüchte hat“. Ansonsten plädiert Quednau für „schöne Bücher: also tatsächlich Bücher als einen materiellen, ästhetischen Gegenstand, der gestaltet und planvoll hergestellt wurde, wahrzunehmen“. Ihre Empfehlung: kleinere Verlage, wie beispielsweise kookbooks, zu unterstützen, „die wirklich Bücher machen, die sowohl vom Text als auch vom Design schön sind.“

Rabea (25) ist seit September 2023 Redakteurin bei der ak[due]ll. Sie studiert Anglophone Studies und Germanistik an der UDE.