Guilty Pleasure, Mineral Treasure: Ausstellung zu KI und Klimawandel im Künstlerhaus Dortmund

Artikel: Anna Olivia Böke | Bis zum 06. Oktober ist die Ausstellung “Guilty Pleasure, Mineral Treasure” noch zu sehen. [Foto: Anna Olivia Böke]

Was passiert, wenn Kunst nicht nur die Welt abbildet, sondern aktiv in sie eingreift und zum Nachdenken anregt? Genau das bietet die aktuelle Ausstellung im Künstlerhaus Dortmund, die sich mit dem Verhältnis von Mensch, Umwelt und den Folgen unseres Ressourcenverbrauchs beschäftigt. Wir haben uns einen Eindruck gemacht und ihn ineiner Fotostrecke festgehalten.

Gleich beim Betreten spürt man: Hier geht es um mehr als schöne Bilder. Es geht um uns – unsere Konsumgesellschaft, die Ausbeutung von Ressourcen und die daraus resultierende Entfremdung der Natur. Die Künstler:innen

schaffen es dabei auf beeindruckende Weise, diesen globalen Kontext auf eine sehr persönliche Ebene zu bringen. Statt erhobenen Zeigefingers setzt die Ausstellung auf spielerische Zugänge, um das recht abstrakte Thema greifbar zu machen.

Ein Highlight der Ausstellung ist definitiv Patricia Domínguez‘ Videoinstallation Matrix Vegetal. Domínguez verbindet in ihrem Werk ethnobotanische Praktiken mit Science-Fiction und spirituellen Elementen. Ihr Video lädt ein, die Welt aus der Perspektive von Pflanzen zu sehen, und schafft es dabei, eine poetische und zugleich nachdenkliche Stimmung zu erzeugen. Die Bilder sind intensiv, fast hypnotisch – man verliert sich förmlich in der Vorstellung, dass Pflanzen uns etwas lehren können, wenn wir nur bereit sind zuzuhören. Domínguez‘ Ansatz bringt frischen Wind in die Diskussion um Nachhaltigkeit und Umweltschutz, indem sie die spirituelle und die materielle Ebene zusammenführt.

Eine komplett andere, aber nicht weniger beeindruckende Erfahrung bietet die VR-Installation Night Companions von Nieves de la Fuente. Hier wird die Orientierung der Mistkäfer zum Ausgangspunkt für eine kritische Auseinandersetzung mit Lichtverschmutzung und unseren technischen Eingriffen in die Natur. Die Besucher:innen sitzen per VR-Brille auf einer Kugel, die an die Mistkugeln erinnert, und navigieren durch eine virtuelle Waldlichtung, immer auf der Suche nach Kot, um ihre Kugel zu vergrößern. Klingt skurril? Ist es auch! Aber genau dieser spielerische Zugang schafft eine Verbindung zu den ernsten Themen dahinter. Nieves gelingt es, uns für das Überleben von Tierarten zu sensibilisieren und die Frage aufzuwerfen, wie technische Fortschritte auch die kleinsten Lebewesen betreffen.

Ein weiteres Werk, das nachhaltig im Gedächtnis bleibt, ist die Installation Simple Pleasures (Bamboo) von Wiebke Meischner. Hier wachsen scheinbar echte Bambuspflanzen im Ausstellungsraum, doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Bambus als 3D-gedruckt – allerdings mit echtem Bambusfilament. Dieser Mix aus Natur und Technik wirft Fragen auf: Wie viel Natur steckt in der Simulation? Und wie viel Simulation steckt in unserer Vorstellung von Natur? Meischners Arbeit zeigt subtil, wie sehr wir uns bereits an künstliche Nachbildungen gewöhnt haben und wie sie unsere Wahrnehmung von „echter“ Natur beeinflussen.

Den kritischsten Blick auf unsere digitale Welt wirft die Installation tendergarden.io von Marina Resende Santos & Graham Livingston. Hier wird der CO2-Ausstoß eines Servers, der eine einzige Website hostet, in Echtzeit gemessen und mit der CO2-Bindung eines Gartens verglichen. Die Besucher:innen

sehen auf Bildschirmen, wie die Daten in völlig unterschiedlichen Zeitrhythmen arbeiten – der Server pustet stetig CO2 in die Luft, während der Garten nur sehr langsam dagegen ankommt. Diese Gegenüberstellung von digitaler und natürlicher Zeitlichkeit macht eindrücklich klar, wie schwer es ist, die Effekte unseres digitalen Lebensstils auf die Umwelt greifbar zu machen. Dass das Ganze nicht nur als abstrakte Grafik, sondern in einem realen Garten inszeniert wird, sorgt für einen spannenden Kontrast zwischen Technik und Natur.

Zum Schluss darf das Arcade-Spiel Honour Providence, Honour Good Men von Camilo Sandoval nicht unerwähnt bleiben. Hier treten zwei Spieler:innen gegeneinander an: Eine:r muss Rohstoffe abbauen, der:die andere wieder aufforsten. Die simpel anmutende Mechanik sorgt für hitzige Duelle, und die Metapher dahinter ist schnell klar: Wir alle sind Teil eines Systems, das auf Ausbeutung und Erhaltung beruht. Dass die Konsole aus recycelten Materialien besteht, verstärkt die Botschaft noch. Es ist eines dieser Spiele, das man schnell versteht, aber dessen tiefere Bedeutung sich erst nach und nach entfaltet.

Insgesamt ist die Ausstellung eine spannende Reise durch verschiedene künstlerische Perspektiven auf das Anthropozän – das Zeitalter, in dem der Mensch zur bestimmenden Kraft auf der Erde geworden ist. Was bleibt, ist das Gefühl, dass wir alle Teil dieses Wandels sind und dass Kunst uns helfen kann, die richtigen Fragen zu stellen. Trotz der teils düsteren Themen vermittelt die Ausstellung keinen reinen Pessimismus, sondern regt dazu an, unsere Beziehung zur Umwelt neu zu überdenken – auf kreative, interaktive und manchmal auch humorvolle Weise.

Bis zum 06. Oktober ist die Ausstellung noch zu sehen.


Beitrag veröffentlicht

in

von