„Extremistische Tendenzen”: Streit um Islamischen Religionsunterricht

Artikel: Julika Ude I Die FDP-Fraktion fordert die Abschaffung des Islamischen Religionsunterrichts in NRW. [Foto: Unsplash]

Die FDP fordert im Düsseldorfer Landtag die Abschaffung des Islamischen Religionsunterrichts und begründet das mit einer Studie, die „extremistische Tendenzen” unter angehenden Lehrkräften zeige. Verbände kritisieren: Die Forderung der FDP sei „rechtspopulistisch” und ein „Schlag ins Gesicht der muslimisch-deutschen Schulkinder”.

Die FDP-Landtagsfraktion hält den seit 2011 in NRW eingeführten Islamischen Religionsunterricht (IRU) für gescheitert und möchte ihn abschaffen. Auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf am 1. Juli begründet Fraktionsvorsitzender Hennig Höne (FDP) dies mit der Angst, „dass dieser Religionsunterricht zu einem Einfallstor für extremistische Ideologien, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, oder für völlig veraltete Rollenbilder, zum Beispiel zwischen Mann und Frau“ werde. Hintergrund sei eine aktuelle Studie eines Forschendenteams der Universität Münster, laut der immer mehr Islamische Religionslehrkräfte extremistische und antisemitische Positionen vertreten würden.

Anstatt des IRU will die FDP einen verpflichtenden Ethikunterricht für diejenigen einführen, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen, in dem es „um Werte, Weltanschauungen oder philosophische Fragen gehen“ soll. Katholischer, evangelischer oder auch jüdischer Religionsunterricht soll jedoch fortgeführt werden. Noch vor drei Jahren forderte die FDP einen Ausbau des IRU. Nun erklärt die Fraktion die Umsetzung dieses Unterrichts für gescheitert. „Wir sind der Meinung, eine Reform im laufenden Betrieb funktioniert nicht und man muss einmal den Religionsunterricht auf Stopp setzen, um zu einer langfristigen Lösung zu kommen“, so der Fraktionschef.

Fehlende Lehrkräfte und extremistische Positionen?

Die FDP stützt sich neben der Münsteraner Studie auf Zahlen des Schulministeriums: „Lediglich sechs Prozent der muslimischen Schülerinnen und Schüler sind in diesem Unterricht, was einerseits daran liegt, dass er nicht flächendeckend angeboten wird.” Andererseits erhalte die Fraktion Rückmeldungen von Schulen, dass der Unterricht von vielen Eltern zu wenig Akzeptanz erfahre.

In ihrem Positionspapier führt die Partei mehrere Gründe an, die aus ihrer Sicht gegen den IRU sprechen. Unter anderem nennen sie Skepsis der Schulleitungen gegenüber einer Einführung des IRU an ihrer Schule, da es aufgrund der geringen Absolvent:innenzahl schwierig sei, qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen. Dass in NRW „lediglich sechs Prozent der muslimischen Schülerinnen und Schüler am Religionsunterricht teilnehmen“ führt die Fraktion ebenfalls auf einen Mangel an qualifizierten Lehrkräften zurück.

Weiter problematisiert die Fraktion, dass es einen erheblichen „Einfluss konservativer Islamverbände“ auf die Einstellungschancen der Lehrkräfte gebe. Für die Umsetzung des IRU arbeitet das Schulministerium NRW mit islamischen Organisationen zusammen, die jeweils ein Mitglied in eine zuständige Kommission entsenden. Seit Kurzem erteilt diese Kommission angehenden Lehrkräften die vorgeschriebene religiöse Lehrerlaubnis. Neben anderen hat der türkische Moscheeverband Ditib einen Platz in der Kommission, dem eine zu starke Nähe zum türkischen Staat und Spionage für Ankara vorgeworfen wird.

Die FDP äußert zudem, die aktuelle Studie habe „Widersprüche in den Einstellungen angehender Lehrkräfte“ gezeigt. Lehrkräfte würden sich zur Demokratie bekennen, allerdings „vielfach antisemitische und extremistische Positionen“ vertreten.

„Alarmierende Mängel“: Verbände kritisieren Studie und Forderung 

Schon während der Studiendurchführung kritisieren Verbände wie das Elternnetzwerk NRW und der Verband muslimischer Lehrkräfte (VML) die für die Studie durchgeführte Umfrage stark und warfen ihr „alarmierende Mängel“ vor. Sie warnten vor dem Befeuern von Vorurteilen über den Islam: „Die durchgeführte Befragung erzeugt durch teilweise tendenziöse und suggestive Fragen und Antwortmöglichkeiten ein gefährliches Framing“, schreiben die Verbände in ihrer Pressemitteilung und baten das NRW-Schulministerium deshalb, die Studie zu stoppen. Diese Bitte wies das Schulministerium zurück, es halte die wissenschaftliche Fachlichkeit bei der Befragung für nicht beeinträchtigt.

Auf die Forderung der FDP, den IRU einzustellen, reagierte der VML erneut mit einer Stellungnahme und betitelt sie als „rechtspopulistisch“ und als „Schlag ins Gesicht der ca. 500.000 muslimisch-deutschen Schulkinder in NRW, der muslimischen Eltern und der vielen engagierten IRU-Lehrkräfte“. Der Verband sieht das Grundgesetz durch die Forderung verletzt und verweist auf Artikel 7, der Religionsunterricht als „ordentliches Schulfach“ garantiert.

Schulministerin hält den Islamischen Religionsunterricht für unverzichtbar

Die nordrhein-westfälische Landesregierung weist die Forderung der FDP, den IRU abzuschaffen, zurück. Der Unterricht ermögliche laut dem Schulministerium eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben und vermittle eine Haltung des Respekts und der Toleranz gegenüber anderen Religionen. „Ziel der Landesregierung ist es, dieses Angebot schrittweise weiter auszubauen“, erklärte das Schulministerium auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) spricht sich ebenfalls deutlich für den IRU in Schulen aus: „Ich halte den Islamischen Religionsunterricht an unseren Schulen für unverzichtbar: ein Angebot mit staatlichen Curricula und Lehrkräften, die ihren Eid auf die Verfassung abgelegt haben.“ Sie zeigt sich verwundert über manche Äußerungen und nimmt Bezug auf das Argument, nicht genügend Lehrkräfte für den IRU zu haben. „Man kann bedauern, dass wir längst noch nicht alle muslimischen Kinder damit erreichen, weil wir nicht genug Lehrer haben. Aber deren Zahl wächst in den Studiengängen in Münster und Paderborn“, erklärt sie zuversichtlich.


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