Zwischen Wissenschaft und Tabu: Eine UDE-Studigruppe zum Thema Psychedelika

Artikel: Carolin Neumeier | Psychedelika sind dafür bekannt den Bewusstseinszustand zu erweitern. [Grafik: Pixabay]

Theo studiert Psychologie an der Universität Duisburg-Essen. Sein besonderes Interesse im Studium liegt in einer etwas ungewöhnlich klingenden Therapieform: Psychedelika. Viele verbinden Substanzen wie MDMA, Psilocybin und Co nur mit Rausch, Abhängigkeit und Party, dabei werden sie außerhalb von Deutschland bereits wirkungsvoll in der Therapie eingesetzt. Was genau es mit einer neuen Unigruppe zu dem Thema auf sich hat, erfahrt ihr in unserem Interview mit Theo.

ak[due]ll: Was ist das für eine Gruppe, die ihr an der Uni gründen wollt? 

Theo: Wir wollen eine uniMIND-Gruppe gründen. Das ist eine Gruppierung, die mit der MIND Foundation in Verbindung steht. Die Foundation sitzt in Berlin und koordiniert psychedelische Forschung in Deutschland, stößt Forschung diesbezüglich an und bietet spezifisches Training für Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen an, um Psychedelika in die Therapie zu integrieren. Es gibt ein Netzwerk aus 32 uniMIND-Gruppen weltweit, in dem alle autonom organisiert sind, die im Zusammenhang mit der MIND Foundation in Europa, Australien und vielen weiteren Ländern stehen. Bisher gibt es in der Nähe einen Ableger in Köln, aber noch nicht in Duisburg-Essen. Deswegen wollen wir hier eine Untergruppe gründen.

ak[due]ll: Und wie funktionieren solche Gruppen? 

Theo: Diese uniMIND-Gruppen sind Journal Clubs, die sich wissenschaftlich mit Psychedelika auseinandersetzen. Gemeinsam werden Studien und Paper gelesen und Vorträge angehört. Es geht dabei ganz bewusst um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Psychedelika, nicht die persönliche! Es ist kein Ort, an dem Menschen über ihre eigenen Erfahrungen reden. Außerdem wird es keinen Frontalunterricht geben. Es geht darum, dass die Gruppe die Sessions gemeinsam erarbeitet. Der Plan ist es auch, Expert:innen und Referent:innen in diesem Fachgebiet einzuladen und Vorträge für die Gruppe zu organisieren. 

ak[due]ll: Das Thema Psychedelika ist recht behaftet mit Stereotypen, oder?

Theo: Drogen werden allgemein oft in einen Topf geworfen und nicht genügend differenziert. Die Wirkweise von Psychedelika unterscheidet sich von anderen Substanzen. Allgemein wirken alle Drogen unterschiedlich. Psychedelika werden oft in eine Schublade mit anderen Substanzen geworfen, was nicht besonders hilfreich ist. Sehr viele Drogen haben einen therapeutischen Nutzen, können aber natürlich auch als Partydrogen missbraucht werden. So ist Ketamin zum Beispiel ein unverzichtbares Medikament bei der Schmerzbehandlung in der Notfallmedizin und inzwischen auch in der Therapie gegen therapieresistente Major Depressionen eingesetzt. Gleichzeitig ist es aber auch eine Partydroge, die in diesem Kontext immer wieder zu lebensbedrohlichen Zwischenfällen führt, da die Substanz nicht in einem klinischen Setting unter ärztlicher Aufsicht eingenommen wird.

ak[due]ll: Also geht es nicht um den aktiven Umgang mit Psychedelika, sondern das Lernen über ihre Wirkung?

Theo: Uns interessiert die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Psychedelika, die ein therapeutisches Potenzial bei der Behandlung von Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen, Suchtkrankheiten, aber auch Demenz haben. Auch in anderen Disziplinen findet das Thema Zugang. Für Neurowissenschaftler:innen und Philosoph:innen können Psychedelika als Erkenntnisinstrument in der Bewusstseinsforschung eingesetzt werden. Es muss ganz klar gesagt werden: Wir rufen niemanden dazu auf, verbotene Substanzen zu nehmen! Strafrechtlich untersagtes Verhalten, wie z.B. Konsum und Verkauf illegaler Substanzen, hat bei uns keinen Platz und wird zur Anzeige gebracht. Fast alle Psychedelika sind in Deutschland verboten und es empfiehlt sich auch nicht, diese in einem nicht-therapeutischen bzw. ärztlichen Setting einzunehmen. Es bestehen viele Risiken, zum Beispiel zu Psychosen oder sehr intensive negative Trips zu bekommen. Der Einsatz von Psychedelika ist in Deutschland bisher nur im Studienkontext möglich. Ketamin wurde zum Beispiel für solche Studien zugelassen. Die meisten Psychedelika werden in Deutschland bislang nur mit Sondergenehmigung in Studien eingesetzt. Eine Ausnahme ist, wie bereits erwähnt, Ketamin, das allerdings nicht als ‚klassisches Psychedelikum’ gilt.

ak[due]ll: Was weiß man bisher über die Nutzung von Psychedelika im Therapiekontext?

Theo: Die Studienlage bis jetzt deutet sehr stark darauf hin, dass es bei richtiger Anwendung durch Therapeut:innen einen großen therapeutischen Nutzen gibt. Es gibt z.B. keine bis sehr geringe Abhängigkeiten, wie man sie bei anderen Drogen berechtigt befürchten kann. Interessanterweise scheinen ‚klassische Psychedelika’, die vor allem die 5HT-2A Rezeptoren aktivieren, keine Abhängigkeit auszulösen.  Psychedelika können bei verschiedenen Krankheitsbildern eingesetzt werden. In Australien wurden MDMA und Psilocybin für die Psychotherapie zugelassen und Oregon hat Psilocybin, den psychoaktiven Wirkstoff in „Zauberpilzen” zur Behandlung von psychischen Erkrankungen zugelassen. Das Spannende ist, dass es nur wenige begleitete Sitzungen braucht, während andere zugelassene Psychopharmaka (z.B. Antidepressiva) sehr oft täglich eingenommen werden müssen. 

ak[due]ll: Wie kam es zu deinem Interesse an Psychedelika?

Theo: Ich bin zu dem Thema recht früh gekommen, da ich persönlich Trancezustände recht spannend finde, drogeninduziert oder nicht. Also auch das Gelangen in einem höheren Bewusstseinszustand durch Meditation oder ekstatisches Tanzen, wie es beispielsweise Sufis machen. An der Uni gab es direkt mehrere Leute, die das Ganze auch spannend fanden. Wir sind schon ein Kreis von Leuten, die da Bock drauf haben. Wir haben auch eine Dozentin, M.Sc. Bedrina, die ihre Doktorarbeit in diesem Themengebiet schreibt.

ak[due]ll: Was ist das Ziel von eurer uniMIND-Gruppe?

Theo: Es geht uns auf jeden Fall darum, Sichtbarkeit zu generieren. Aktuell ist es leider fast gar kein Thema in unserem Psychologiestudium. Wir sehen aber gerade eine sehr große Bewegung, das Thema wird in den Medien auch immer präsenter. Es gibt immer mehr Studien und große Entscheidungen wie in Australien und den USA. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die EPIsoDE Studie mit ca. 2,3 Millionen Euro gefördert. Es ist also ein aktuelles Thema. Uns geht es aber primär darum, uns weiterzubilden, da das Thema in unseren Vorlesungen und Seminaren noch kein so großer Punkt ist.

ak[due]ll: Ist die uniMIND-Gruppe spezifisch nur an Psychologie-Studis der UDE gerichtet? 

Theo: Nein, die Gruppe ist für alle Studis offen! Das Ganze soll eine interdisziplinäre Sache werden. Jede:r ist herzlich willkommen, der:die Interesse am Thema hat. Im besten Fall kommen Mediziner:innen, Psycholog:innen, Philosoph:innen, Biolog:innen, Sozial-, Kunst- und Kulturwissenschaftler:innen und vielleicht auch Chemiker:innen zusammen. Das erste Treffen wird voraussichtlich Anfang Oktober stattfinden.


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