„economic + sexist exploitation“ – Kunst über Hausfrauen im Kampf um Gerechtigkeit

Autorin: Freya Pauluschke | Machtworte während der Zweiten Welle der Frauenbewegungen. [Foto: Freya Pauluschke | aus Broschüre Frauen-Malochetreff, Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023]

Am 22. Oktober eröffnete die neue Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ im Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop. Die Gruppenausstellung thematisiert in künstlerischen Diskursen historische und aktuelle Fragestellungen bezüglich der Care-Arbeit. Wir haben uns die Ausstellung angeschaut und berichten, was euch erwartet.

Mit Fotografien, Installationen, Videos und Gemälden von internationalen Künstlerinnen beleuchtet die Ausstellung die sozialen, ökonomischen und politischen Bedeutungen einer überwiegend von Frauen ausgeübten Arbeit: der Care-Arbeit. Zum ersten Mal entsteht damit ein globaler Überblick über die künstlerische Auseinandersetzung mit Fürsorge-Arbeit. Angefangen in den 1960er Jahren beweist die Ausstellung mit rund 70 Kunstwerken, dass die Beschäftigung mit Care-Arbeit auch heute noch hochaktuell ist, da sie nach wie vor ungerecht verteilt wird.

Über 40 Künstlerinnen demonstrieren Belastungen, Benachteiligungen und Klischees, die mit Care-Arbeit einhergehen. Darunter beschäftigen sich einige mit dem Mythos von Care-Arbeit als „Arbeit aus Liebe“, die Frauen angeblich leichtfällt und daher nicht als Arbeit gilt. Zentrale Fragen aller Werke sind: „Wieso wird Care-Arbeit trotz des lebensnotwendigen Bedarfs und des enormen Aufwands bis heute marginalisiert? Wie kann sich das ändern und welche Rolle spielt dabei die Kunst?“

Hintergrund der Proteste: Gender Care Gap

Care-Arbeit umfasst Kinderbetreuung, Altenpflege, familiäre Unterstützung sowie häusliche Pflege und Hilfe unter Freund:innen. Oft wird diese Arbeit als unbezahlte Hausarbeit geleistet und als gesellschaftlich notwendig und selbstverständlich angesehen. Vorwiegend leisten Frauen Fürsorge-Arbeit, oft als Beruf sowie auch zuhause. Die Kombination aus bezahlter Arbeit und privater Care-Arbeit kann zu einer Doppelbelastung führen, die sich negativ auf Gehalt, Karriere, Freizeitmöglichkeiten und Gesundheit auswirkt. Falls Frauen das Glück haben, bezahlt zu werden, ist es eine schlechte Bezahlung. Dadurch verdienen Frauen weniger als Männer, obwohl sie lebenswichtige Arbeit leisten.

Ein 1980 entstandenes Poster des kollektiven Siebdruckstudios See Red Women’s Workshop fasst die Problematik deutlich zusammen: „Women constitute 1/2 of the world’s population, perform nearly 2/3 of its work hours, receive 1/10 of the world’s income and own less than 1/100 of the world’s property.” Betrieben wurde das Studio von einem feministischen Kollektiv, das zur visuellen Kultur der Frauenrechtsbewegung beitragen und sexistische Frauenbilder bekämpfen wollte.

„A Woman’s Work Is Never Done”

Zu Beginn der Ausstellung läuft man auf ein Video zu, in dem eine Frau Küchenutensilien vorstellt: Sie nennt den Namen und zeigt die Funktion jedes Geräts auf eine fast roboterhafte Weise. Durch die gesamte Ausstellung ziehen sich Fotografien von Haushaltstätigkeiten, daneben Videos vom Kochen und Spülen. Eigentlich ganz alltägliche Situationen, die hier jedoch in einen kritischen Kontext gestellt werden. Es wird der Stereotyp der Hausfrau – oder der Frau im Allgemeinen – bedient.

In einem Raum sieht man Fotos einer Performance von Helen Chadwick in der Chelsea School of Art aus dem Jahr 1977. Dabei stellte sie eine komplette Küchenzeile her, die perfekt auf weibliche Körper zugeschnitten war; Chadwick zog quasi eine Waschmaschine oder ein Spülbecken wie ein Kostüm an. Das Museum stellt den Besucher:innen die Frage , ob hier die Frau zum Objekt wird oder das Objekt zur Frau.

Tomaso Bingas Tapetenkleid zeigt auf ironische und gleichzeitig bittere Weise, dass die Hausfrau in diesem Kleid mit ihrem Zuhause verschmelzen kann und dadurch so unsichtbar wird wie ihre Arbeit. Fun Fact: Als Frauen größtenteils diskriminiert wurden und die Frauenbewegungen anfingen, begann Bianca Pucciarelli Menna ihr maskulines Pseudonym Tomaso Binga zu nutzen, um auf provokative Art die unzähligen Privilegien, die die männliche Welt prägten, aufzuzeigen.

Eine Bodeninstallation präsentiert Kleidungsstücke, die aus Flusen aus einem Trockner zusammengelegt wurden. VALIE EXPORT, Pionierin feministischer Aktionskunst, wird zur Madonna und schmiegt sich statt an das Jesuskind an einen Staubsauger. Nebst solch skurriler und trotzdem metaphorisch aussagekräftiger Werke, finden sich zahlreiche Zeitungsausschnitte, laminierte Platten und Poster, die den Widerstand gegen Care-Arbeit und den harten Kampf um Berufstätigkeit und damit einhergehender Gleichberechtigung im Kapitalismus darstellen.

Noch bis zum 03. März 2024 könnt ihr die Ausstellung besuchen. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro.

In unserer Fotostrecke bekommt ihr einen Eindruck der Ausstellung [Fotostrecke: Freya Pauluschke | Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023]:

Foto 1: Freya Pauluschke | Ausstellungsansicht „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 2: Freya Pauluschke | See Red Woman’s Workshop: Poster, Siebdrucke, Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 3: Freya Pauluschke | Helen Chadwick: In the Kitchen (1977), Serie Pigmentdrucke, Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 4: Freya Pauluschke | Ausstellungsansicht „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 5: Freya Pauluschke | Ausstellungsansicht „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 6: Freya Pauluschke | Carmen Maura: Oficio de pintora (Malereihandwerk) (1972), Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 7: Freya Pauluschke | Ausstellungsansicht „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 8: Freya Pauluschke | Hackney Flashers: Who’s Holding the Baby? (1978), Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023

Foto 9: Freya Pauluschke | Ausstellungsansicht „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023Foto 10: Freya Pauluschke | VALIE EXPORT: v.l.n.r. Die Strickmadonna (1976), o.T. (1976), Die Putzmadonna/Die Putzfrau, (Ausstellung „Kochen Putzen Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ 22.10.2023-03.03.2024, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, 2023


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