Das Problem mit der Old Money-Ästhetik

Auf Social Media Plattformen kursiert seit einiger Zeit ein neuer Trend: Die „Old Money“-Ästhetik. User:innen wollen aussehen, als hätten sie ein Château in der Provence, einen gekauften Platz an einer alten Universität und hätten schon mal diesen einen Wein, den sie gerade nicht aussprechen können, auf einem Boot getrunken. 

Artikel: Nikita Verbitskiy | Ein altes Coupé hat mehr klasse als der neueste AMG. [Foto: Nikita Verbitskiy]

Dickes, blondes Haar im 90s-Stil, ein Cable-Knit Pullover oder Pullunder, Bootsschuhe und im besten Fall Wangenknochen. So oder so ähnlich sehen meist die Menschen aus, die auf TikTok, Instagram und Co. Tipps geben, wie man aussehen kann, als hätte man noch nie einen Tag im Leben arbeiten müssen. Zwischen Loro Piana und Zara findet sich jedes Preissegment vertreten, Hauptsache ist, es sieht so aus wie der Antagonist aus Eiskalte Engel. Dabei geht die Ästhetik weiter als nur Kleidung und Frisuren. Autos, Möbel, Urlaubsorte und alles was man so zur Schau stellen kann, ohne dabei auszusehen, als würde man Dinge zur Schau stellen. 

User:innen kamen dahinter, dass reiche Menschen ja gar nicht dick bedruckte Calvin Klein T-Shirts tragen, sondern teure Kleidung, die gar nicht so teuer aussieht. Nur die, die wissen, wissen. Zu doof, jetzt wissen es alle, die einen TikTok-Account haben. Nur, dass der hier präsentierte Look eigentlich nichts mit dem, wie sich die so sehr begehrte Gruppe kleidet, gemeinsam hat. Es ist ein Kostüm, das wir vor allem mit einem nostalgischen Gefühl des Privilegs und der Klasse verbinden. Intellektueller Reichtum ohne Protz, Altbau statt Penthouses, Portofino statt Dubai. Der eigentliche Gedanke, das Geld möglichst wenig zur Schau zu stellen, geht bei einem „so siehst du aus, als hättest du altes Geld” natürlich irgendwo verloren.

Privileg ist schön

Im Endeffekt sollen Menschen sich alle anziehen, wie sie wollen. Solange man sich darin wohl fühlt, soll es mich nicht stören. Ein Problem, das ich allerdings an dem Nate Archibald-Look sehe, ist die Verherrlichung von Privilegien. Old Money impliziert vererbten Reichtum, man möchte so aussehen, als hätte die Familie schon immer Geld gehabt. Sich etwas selbst zu erarbeiten reicht wohl nicht mehr. Dieses hier so verherrlichte Geld stammt in großen Teilen aus der imperialistischen Unterdrückung durch westliche Länder. Es wird ein weißes, patriarchalisches Narrativ verwendet, um Klasse und Sicherheit zu suggerieren. 

Wer welche Kleidung trägt, ist hierbei auch nicht das Problem. Wenn ich etwas schön finde, soll ich es auch tragen können. Der Kontext, in dem diese Kleidung promotet wird, ist hier das Problem. Mittlerweile gibt es auch Brands, die so ihre Kleidung vermarkten. „Get the Old Money look for 29,99“, ist eine meiner Lieblingsads auf TikTok. Es ist immer wieder erstaunlich, dass die Ironie an der Sache niemandem aufzufallen scheint. Aber kauft euch alle Strick-Polos und Bundfaltenhosen der Welt und habt Spaß am Tragen. Überlegt euch nur, ob ihr euch dabei aktiv als Person verkleiden wollt, dessen Vorfahren vielleicht die ein oder andere Mine in Sierra Leone betrieben haben.


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