Bettruhe bei EM-Fieber – Spieltag für die Gastro

Kolumne: Nikita Verbitskiy | Getränke werden von manchen Fans auch gerne mitgebracht, um Geld zu sparen. [Foto: Nikita Verbitskiy]

Für die meisten bedeutete die Europameisterschaft Public Viewing, Mitfiebern, Bier, das Runde und das Eckige. Für mich bedeutete sie als Kellner einfach nur Bier. Ob in Gläsern, Bechern, auf Tischen oder auf mir.

Das Lokal, in dem ich arbeite, liegt in Dortmund auf direktem Weg zum Stadion. Die Chefs freuen sich, die Kellner:innen eher weniger. Dabei handelt es sich aber eben um keine Kneipe, sondern um ein nicht ganz günstiges Restaurant, was man am Außenbereich leider nicht auf den ersten Blick erkennt. Während wir sonst zwei bis drei Gänge, Aperol vorab und Cocktail als Absacker gewohnt sind, kommen auf einmal Horden an Menschen, die eine Welle der Verwüstung hinter sich lassen. Sobald wir öffnen (oder auch schon 15 Minuten vorher) ist jeder Platz besetzt und alle brauchen ganz dringend ein Bier. Jetzt. Und mein Tisch zuerst, wir müssen ja schließlich gleich schon los ins Stadion. 

Das größte Problem daran ist das Gefühl der Fans, dass sich alles um sie und die EM dreht. Natürlich sind wir dazu da, sie zu versorgen und unsere zwei Toiletten den Tausenden von Leuten, die am Tag vorbeilaufen, zur Verfügung zu stellen. Und natürlich haben sie, die ja Tickets für das Spiel haben, Priorität, weil sie gleich schon weiter müssen. Genervte Blicke, weil man das Bier direkt an der Bar, am liebsten direkt nach der Bestellung, in die Hand gedrückt haben möchte, oder weil wir weder Wodka-Energy noch Jägermeister haben, gehen Hand in Hand mit gegrunzten Bestellungen ohne ein Lächeln oder ein Hallo. Bezahlt wird am liebsten direkt, indem einfach ein Handy in meine Richtung gehalten wird. Trinkgeld? – Fehlanzeige!

Panic! At the Restaurant 

Dabei bleibt es nicht bei einem Mangel an Höflichkeit. Verächtliche Blicke, wenn ich den Menschen sage, dass wir keinen Fußball übertragen, Gäste die einfach gehen, wenn ihnen die Bestellung zu lange dauert und wir am Ende auf den Getränken sitzen bleiben, bis hin zu Diskussionen darüber, ob bei uns erwünscht ist, dass die Menschen ihre liebsten Fangesänge lauthals mit uns und unseren regulären Gästen teilen, gehören zur Tagesordnung. Spoiler: Ist es nicht. Manche Fans sorgen nach ein paar Bier zu viel auch für einen kostenlosen Sparringpartner, den man sich gar nicht gewünscht hat – ob verbal, weil man sich über eine Rechnung nicht einig wird, oder physisch, wenn man in einem überfüllten Laden aus versehen jemanden anrempelt. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn ist das Restaurant wie leergefegt (der Boden allerdings leider nicht) und wir wissen, wir können endlich auf die Toilette gehen und einen Schluck Wasser trinken, bis sich das Ganze in zwei Stunden wiederholt. 

Am Ende des Tages hat man 18.000 Schritte gemacht, ein Rückenproblem, Bier auf Haut und Haaren, beim Trinkgeld hoffentlich kein Minus gemacht und ernsthafte Überlegungen, beim nächsten Heimspiel mit gelbem Schein im Bett zu bleiben.


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