Album des Monats: Lighthouse – Francis of Delirium

Artikel: Anna Olivia Böke | Jana Bahrich hat sich einen Ruf als strahlender Hoffnungsschimmer für die Musikszene Luxemburgs erarbeitet. [Foto: Anna Olivia Böke]

Am 22. März veröffentlichte die junge, aufstrebende Luxemburgische Indie-Rockerin Jana Bahrich, aka Francis of Delirium, ihr Debüt-Album Lighthouse – Ein Projekt an der Schnittstelle zwischen Jugend und Erwachsensein, das sowohl thematisch berührend als auch klanglich fesselnd ist.

Luxemburg ist traditionell nicht bekannt für sein globales kulturelles Zentrum. Es ist ein kleines Binnenland im westlichen Europa mit einer kleineren Bevölkerung als viele Städte in der Nähe. Die Live-Musikszene des Landes war vor nur drei Jahrzehnten praktisch nicht existent. Viele Bands mussten über die Grenze zu den benachbarten Ländern Frankreich und Belgien reisen, um Auftritte zu spielen, und auch in den letzten Jahren beklagen Veranstalter:innen immer noch den musikalischen Abgang des Landes, da Künstler:innen oft gezwungen sind, in größere Städte zu ziehen, um eine Chance in der Branche zu haben.

Das macht das Debütalbum Lighthouse von Francis of Delirium umso besonderer. Das kreative Projekt der 22-jährigen Jana Bahrich, die eng mit dem Produzenten Chris Hewett zusammenarbeitet, wird lokal und darüber hinaus für ihren emotionalen, rohen Stream of Consciousness Alternative-Rock gefeiert. Nachdem sie mit Größen wie The 1975 und Soccer Mommy getourt hat, ist sie ein fester Bestandteil des europäischen Live-Zirkels geworden und hat sich einen Ruf als strahlender Hoffnungsschimmer für die Musikszene des Landes erarbeitet. Zum Symbol nationalen Stolzes zu werden, noch bevor man ein Debütalbum veröffentlicht hat, ist für jeden eine große Belastung, besonders für einen neuen Act. Aber genauso wenig wie bei ihrer gefeierten Serie von EP-Veröffentlichungen enttäuscht Bahrich auch bei ihren Auftritten nicht.

Lighthouse ist ein Album, das mit einem Knall statt mit einem Flüstern beginnt. Als Künstlerin, die oft für ihre emotionale Offenheit gefeiert wird, legt Bahrich auf Ballet Dancers (Never Love Again) alle Karten auf den Tisch – eine epische, Rock-infusionierte Orchester-Ballade. Genres zu verschmelzen und hyper-spezifische Bilder mit herzzerreißender Lyrik zu kontrastieren, ist nicht einfach (Twirling ballet dancers on the corner of a 7-11 / At the end of our lives we’ll say we loved each other forever), aber Bahrich ist eine seltene Künstlerin, die es mühelos aussehen lässt. Es ist ein Song, der an Schwung gewinnt und spätestens als sie die leidenschaftliche, wiederholte Erklärung „I will never love again“ am Höhepunkt des Tracks herauslässt, ist er ein klarer Spitzenreiter für einen der besten Album-Intros des Jahres 2024.

Nostalgie für Dinge, die noch nicht vergangen sind, ist ein wiederkehrendes Thema des Albums. In der gleichen Sphäre wie späte Coming-of-Age-Alben wie Lordes 2017er Klassiker Melodrama, hört sich Lighthouse an wie der allerletzte Tag der Adoleszenz – bittersüß, sorglos und ängstlich zugleich. Im Kern ist das Album überwiegend hoffnungsvoll und genau diese Qualität bringt Tracks wie Alone Tonight, einen der besten Momente des Albums, auf die nächste Stufe. Getragen von einem Americana-Riff, das vor Romantik strotzt, füllt Francis of Delirium den Song bis zum Rand mit unverblümter Angst und Liebe und allem dazwischen. „Been thinking about getting older, what my parents believe in„, seufzt sie, nur Zeilen bevor sie zugibt: „All the worrying does is clog up all the love“ und sich wieder fängt.

Aber genau dieses Erkennen, dass ein Ende den Weg für neue Anfänge ebnet, ermöglicht es uns, die immer größeren Schuhe zu füllen, die unser eigenes Altern von uns verlangt. Diese Klarheit zeigt sich auf Who You Are, einem Track, der wie der Weckruf aus der Flitterwochenphase klingt, kurz bevor der Vorhang fällt. „So is this who you are? Freak out when it gets too hard?“, fragt sie gezielt.

Für den Track Real Love holte sich Bahrich die boygenius-Produzentin Catherine Marks ins Boot. Ein schmerzlich sehnsüchtiger Track, der klingt, als käme er direkt aus der ersten Tanzszene einer beliebten Rom-Com der 90er Jahre. „We were just kids when we met / Now we’re half-drunk on a twin-size bed”. Sie wirft die Zuhörer:innen direkt in die Wirren emotionaler Beichten, wie in Want You. Ein stahlharter Bauchschlag, der als träumerische Ballade getarnt ist. Auf First Touch (ebenfalls produziert von Marks) lässt sie eine verletzliche Offenbarung nach der anderen mit standhaftem Entschluss fallen: „I remember when we first touched / I remember where we first fell in love„.

In seiner äußersten Form fühlt sich Lighthouse an wie ein persönliches Tagebuch, das einem laut vorgelesen wird – mit allen blutigen Details. Es ist, als ob es das Endprodukt von Bahrichs fiebriger Entschlossenheit ist, Kodak-Momente ihrer Lebenserfahrung zu verewigen, bevor die Frische der Adoleszenz durch die Unzuverlässigkeit des Gedächtnisses und den unerbittlichen Fortschritt der Zeit verloren geht. Sie lächelt den Geistern ihrer vergangenen Leben auf Starts to End zu und erkennt die Schönheit dieses Moments, dieses märchenhaften letzten Sommertages, bevor sie weiterziehen muss und auch er im weiten Meer der Zeit davongespült wird.


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