Artikel: Anna Olivia Böke | Das vierte Album der Dubliner Post-Britpoppers erschien am 23. August. [Foto: Anna Olivia Böke]
Mit Romance, ihrem vierten Album, markieren Fontaines D.C. einen Wendepunkt in ihrer Karriere. Bekannt für ihren rohen, energiegeladenen Post-Punk, schlägt die irische Band jetzt eine andere Richtung ein: größere Melodien, üppigere Produktion und eine klarere Ausrichtung auf massentaugliche Songs. Dabei bleibt ihre Essenz, ihre lyrische Tiefe und ihr Gespür für düstere Themen ungebrochen.
Seit ihrem Debüt Dogrel im Jahr 2019 haben Fontaines D.C. sich als eine der spannendsten Bands des modernen Indie-Rock etabliert. Ihre Musik war stets geprägt von der Energie Dublins, gepaart mit der scharfsinnigen Beobachtungsgabe von Frontmann Grian Chatten. Auf ihrem letzten Album Skinty Fia (2022) setzten sie auf düstere, melancholische Klänge, die tief in der irischen Kultur und Geschichte verwurzelt sind. Romance hingegen bricht mit diesem Muster, indem es auf mehr Pop-Sensibilität und breitere Arrangements setzt.
Ein neuer Sound
Der Titelsong Romance eröffnet das Album mit dunklen Klaviertönen, die an die Filmmusik eines Dramas erinnern. Der Sound ist größer, fast schon filmreif und die Produktion ist vielschichtiger. Während frühere Alben oft rau und ungefiltert klangen, gibt es hier mehr Tiefe, was unter anderem der Arbeit von Produzent James Ford (bekannt durch seine Arbeit mit den Arctic Monkeys und Gorillaz) zuzuschreiben ist. Ford verleiht der Band eine glattere Oberfläche, ohne ihre Ecken und Kanten abzuschleifen.
Ein gutes Beispiel dafür ist Sundowner, ein sanfter, fast schon träumerischer Track, der von Gitarrist Conor Curley gesungen wird. Mit seinem Shoegaze-Einfluss und dem langsam aufbauenden Sound hebt er sich deutlich vom Rest des Albums ab. Curleys sanfte Stimme fügt dem Sound von Fontaines D.C. eine neue Facette hinzu, und zeigt, dass die Band auch ruhige, introspektive Momente beherrschen kann.
Doch Romance ist nicht nur ein Album voller Ballade. Die erste Single Starburster ist energiegeladen und voll von Nervosität. Der Song ist eine Mischung aus krachenden Gitarren und treibenden Beats, während Chatten mit fast schon rappenden Vocals über Themen wie Katholizismus und Selbstzweifel singt. Hier zeigt sich die Bereitschaft der Band, Neues auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln.
Pop-Appeal und emotionale Tiefe
Trotz aller neuen Einflüsse ist Romance das zugänglichste Album von Fontaines D.C. bisher. Tracks wie Bug und Here’s the Thing sind eingängig und haben starke Hooks, die sich schnell ins Ohr setzen. Doch unter dieser zugänglichen Oberfläche versteckt sich viel emotionale Tiefe. Chatten bleibt als Texter so scharf und introspektiv wie eh und je. In Desire singt er über das Unvermeidliche von Isolation und Einsamkeit: „Deep they’ve designed / You from cradle to pyre / In the mortal attire / Desire“. Das Arrangement des Songs, mit seinen Streichern und Gitarren, verleiht ihm eine Größe, die der Intimität der Lyrics gegenübersteht.
Auch Motorcycle Boy ist ein Highlight. Der Song nimmt Bezug auf den Film Rumble Fish von Francis Ford Coppola und verbindet die Figur des Außenseiters mit Chatten und seinem jüngeren Bruder. „It’s fine / I know / You rain / I snow / You stay / I go“, singt Chatten mit minimalen Worten, die trotzdem eine tiefe emotionale Wirkung haben.
Ein melancholischer Unterton
Trotz der poppigeren Ausrichtung ist das Album durchzogen von Melancholie. Auch die energiegeladenen Tracks wie Starburster tragen eine Schwere in sich. Besonders spürbar wird das in Horseness Is the Whatness, einem Lied, das sich mit existenziellen Fragen beschäftigt: „Will someone / Find out what the word is / That makes the world go round? / ‚Cause I thought it was love / But some say / That it has to be choice”. Die langsame, schwermütige Melodie und die poetischen Texte verstärken das Gefühl von Nachdenklichkeit.
Dieser melancholische Unterton verbindet Romance mit den früheren Alben von Fontaines D.C. Obwohl der Sound sich weiterentwickelt hat, bleiben die Themen dieselben: Isolation, Sinnsuche und die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Chatten reflektiert weiterhin die persönlichen und gesellschaftlichen Kämpfe, die schon immer im Mittelpunkt ihrer Musik standen.
Besonders der Abschlusssong Favourite sticht heraus und hat sich bereits als ein Publikums-Favourite herausgestellt. Mit seinen optimistischen Melodien und nachdenklichen Texten schafft er es, sowohl eine fröhliche Leichtigkeit als auch ein Gefühl von Nostalgie und Coming-of-Age-Movie zu vermitteln. Es ist ein perfekter Abschluss für ein Album, das so viele verschiedene Emotionen vereint und zeigt, dass die Band sich auch auf eingängigere, positivere Klänge einlassen kann.
Ein neues Kapitel für Fontaines D.C.
Mit Romance zeigen Fontaines D.C., dass sie bereit sind, ihre musikalische Komfortzone zu verlassen und Neues zu wagen. Das Album vereint komplexe Arrangements, eingängige Melodien und emotionale Tiefe auf eine Art, die sowohl langjährige Fans als auch neue Hörer:innen begeistern wird. Fontaines D.C. sind längst nicht mehr die rauen Außenseiter, die sie bei ihrem Debüt waren – sie sind zu einer Band gereift, die die Größe ihrer Musik voll auslebt, ohne dabei ihre Authentizität zu verlieren.
Romance ist ein Album voller Widersprüche: groß und intim, melancholisch und hoffnungsvoll, poliert und roh. Es zeigt eine Band, die bereit ist, ihre Grenzen auszuloten und ihre Musik auf das nächste Level zu heben. Dabei schaffen sie es, ihre Essenz zu bewahren und gleichzeitig eine neue Seite von sich zu zeigen. Ein starkes, emotionales und vor allem mutiges Album.