Hidden Gem: Das Taranta Babu in Dortmund

Artikel: Anna Olivia Böke | „Wenn die Menschen nicht reden, reden die Bücher.” Das Taranta Babu ist ein kommunistisches Café, Buchladen und Kulturhaus in Dortmund. [Foto: Anna Olivia Böke]

Im Taranta Babu in Dortmund erwartet euch ein einzigartiger Ort mit Wohnzimmeratmosphäre und zugehörigem Buchladen: Konzerte, Lesungen, Poetry Slams, Szenetreffen und vieles mehr. Wir stellen euch diesen Kulturort in einer Fotostrecke vor und haben mit Gründer Hasan über die Entstehung gesprochen. 

Das Taranta Babu ist seit 1974 ein Veranstaltungsort für kulturelle Events, Diskussionen, Treffen von Vereinen, Besprechungen und Workshops. Im Buchladen gibt es die neuesten Veröffentlichungen sowie sorgfältig ausgewählte gebrauchte Literatur, einschließlich Sachbüchern und Belletristik. Mit einem Fokus auf Themen wie Orient-Okzident, humanistische, soziale, feministische und linksorientierte Werke findet sich hier alles, was das Leser:innen-Herz begehrt. 

Das Café dient als verbindendes Herzstück, in dem Besucher:innen eine Pause bei Tee, Kaffee oder Bier einlegen können. Hier tauscht man sich über vielfältige Themen aus, vertieft sich in einem der zahlreichen Bücher oder widmet sich einem Gesellschaftsspiel. Abends herrscht eine gemütliche und entspannte Atmosphäre, wobei freitags mit vorwiegend „balkanischen“ Klängen traditionell etwas mehr Schwung in den Raum kommt.

Gründer Hasan Sahin bezeichnet sich selbst als Kommunist, „aber nicht ideologisch.” Das Taranta Babu entstand 1974. Laut Hasan spielte bei der Gründung des Vereins das Anwerbestoppgesetz eine wichtige Rolle. 1973 führte Deutschland aufgrund einer sich abzeichnenden Wirtschaftskrise den sogenannten „Anwerbestopp” ein, wodurch keine weiteren Gastarbeiter:innen aus Nicht-EU-Ländern angeworben werden durften. Diese Entscheidung markierte das Ende einer Politik, die nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, um Arbeitskräftemangel durch die Anwerbung von Gastarbeiter:innen, insbesondere aus Ländern wie der Türkei und Italien, zu beheben. Obwohl die Anwerbung gestoppt wurde, sind viele dieser Arbeiter:innen in Deutschland geblieben und  integraler Bestandteil der Gesellschaft geworden.

„Wegen dieses Gesetzes haben wir damals hier in Dortmund eine Initiative gegründet”, erzählte Hasan. Der Ausländerverein e.V. entstand. „Die Kernidee war: Wenn die Menschen nicht reden, reden die Bücher.” Angefangen mit bilingualen Lesungen gründete Hasan 1979 die Buchhandlung und das Kaffeehaus in der Humboldtstraße 44, wo sich das Taranta Babu bis heute befindet.

„Taranta Babu ist ein Frauenname aus Äthiopien”, erzählt Hasan. Sie hat in den vierziger Jahren Widerstände gegen italienische Besatzer und Faschisten organisiert und wurde daraufhin festgenommen und hingerichtet. „Gleichzeitig, der bekannteste Dichter aus der Türkei, Nazim Himet heißt der, ist auch lebenslänglich verurteilt in der Türkei”, setzte Hasan fort. Dieser bekam aber von der Hinrichtung Taranta Babus mit. Da er ein international bekannter Dichter war, begann er mit seinen zeitgenössischen Kollegen, wie Pablo Neruda, Federico García Lorca und Jean-Paul Sartre, einen Briefaustausch. „Er wollte sich über diese Dame [Taranta Babu] informieren.” Der fünfte Band des berühmtesten Werkes von Nazim Hamet, Menschenlandschaften, lautet Briefe anTaranta Babu. „Das ist eine Darstellung über den Kontinent Afrika, Sklaverei und so weiter. Ja, daher kommt auch der Name.”

Am 26. Oktober 2022 wurde der links-alternative Kulturort Ziel eines Angriffs. Zwei maskierte Personen warfen Backsteine gegen die Schaufensterscheiben des Buchladens und zerstörten anschließend zwei Fenster der Café-Tür. Gäste des Ortes konnten einen der Angreifer festhalten. Schnell erging das Urteil: 80 Tagessätze zu je 40 Euro. Obwohl der Täter von der Polizei als rechtsextremistisch identifiziert wurde und Verbindungen zu bekannten Neonazis aus Dortmund hat, wurde sein genaues Motiv nicht geklärt.

Als wäre das Angebot des Taranta Babu nicht schon besonders genug, hat es sogar von Montag bis Sonntag von 10 bis 0 Uhr geöffnet (der Buchladen jeweils bis 18 Uhr). Außerdem ist niemand dazu verpflichtet, hier Getränke von der Karte zu bestellen. Es dürfen auch mitgebrachte Getränke und sogar Speisen verzehrt werden, denn das Konzept ist: Das Taranta ist für alle da – alle, die gegen Diskriminierung jeglicher Art sind! Der Verein finanziert sich daher auch teilweise über Spenden der Community.


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