Flexitarier:innen gesucht – Wieso du diesen Sommer weniger Tierprodukte essen solltest

Autorin: Anna Olivia Böke | Sommer-Trend 2023: Gemüse statt Tierprodukte auf dem Grill. [Foto: Anna Olivia Böke]

Nach einem schüchternen Frühling kommt der Sommer nun so langsam auch im Ruhrgebiet an. Das heißt: auch die Grillsaison startet. Wieso es diesen Sommer mehr Flexitarier:innen braucht und wieso es okay ist, noch keine:r zu sein, erfährst du in diesem Artikel.

Veganismus ist im Jahr 2023 schon lange kein Trend mehr. Vielmehr ist es ein Bewusstsein über eine nachhaltige Ernährung – nicht nur für das Gewissen, sondern vor allem für den eigenen Körper und die Umwelt. Besonders bei Studierenden und kommenden Generationen wächst dieses kollektive Bewusstsein immer weiter, denn die Mensch-Tier-Beziehung ist eine ambivalente. Ähnlich wie bei Gender-Rollen wird auch das Verhältnis zu Tieren über Sozialisierungsprozesse erlernt.

Wieso streicheln wir den Hund, würden diesen aber niemals essen? 

Dies ist eine Frage, der sich die meisten Menschen gekonnt, aber unterbewusst durch bestimmte Strategien entziehen. Als Mitglieder der westlichen Gesellschaft erlernen wir von klein auf, dieses Konsumverhalten zu legitimieren. Dabei spielt die Sprache eine zentrale Rolle. Die Wortwahl für tierische Produkte hat einen erheblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung dieser. So kaufen wir viel lieber „Nuggets” als „Geschredderte Küken”.

Auch die Medienberichterstattung beeinflusst unsere Entscheidung bei der Ernährung. Würden Bildaufnahmen aus Massentierhaltungen regelmäßig in den Nachrichten gezeigt werden, würde sich das Bild in unseren Köpfen nachhaltig verändern. Jedoch sind die Realitäten der Schlachthöfe meist auf ländliche Regionen ausgelagert und leicht aus unserem Alltag zu streichen.

Diese Auslagerung führt auch zu einem verschwimmenden Schuldbewusstsein, denn die tierischen Produkte durchlaufen viele Prozesse und Hände, bis sie verzehrfertig im Supermarktregal ankommen. Die Distanzierung der Konsument:innen von dem Akt der Tötung oder des Quälens gelingt dabei immer einfacher und somit auch die Verdrängung. Die psychisch belastende Arbeit in den Mastbetrieben und Milchhöfen bleibt dabei jedoch an den Arbeiter:innen hängen, die teilweise keine Wahl haben.

Laut dem WWF werden ein Fünftel der globalen Treibhausgasemissionen allein durch die Rohdung von Flächen für die Viehzucht verursacht. Dazu werden auch Flächen für den Anbau von Soja, der an die Tiere verfüttert wird, abgeholzt. Um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren, braucht es mehr als 15.000 Liter Wasser und zwölf Kilogramm Sojaschrot. Dass der Verzehr von Soja auf direktem Wege um ein Vielfaches weniger Ressourcen verbraucht, ist klar.

Bevor also diesen Sommer die „Schweine-Steaks” auf den Grill gelegt werden, sollte man sich also erst einmal ganz bewusst machen, was das eigentlich bedeutet. Bin ich mir der Konsequenzen meines Konsums bewusst? Bin ich einverstanden mit der Art und Weise der Schlachtung oder Gewinnung? Nach Beantwortung dieser zentralen Fragen kann man sich überlegen, ob es die paar Minuten des Genusses wert sind.

Erst einmal ist es nicht verwerflich, die Ambivalenz bei sich selbst zu erkennen und anzunehmen. Das Tückische an über Jahrhunderte sozialisierten Traditionen wie dem Verzehr von Tierprodukten ist nunmal die Gewohnheit. Diese zu hinterfragen und sich vor allem von ihr zu verabschieden, ist also keine leichte Aufgabe und sollte auch niemandem vorgeworfen werden. Ziel dieses Artikels ist es nicht, Fleischessende zu beschämen, sondern vielmehr für Informationen und Anregungen zu sorgen. Das „Ganz oder gar nicht”-Prinzip ist hier eher Feind des Fortschritts, da Menschen meist mit einer Abwehrhaltung auf drastische Veränderungen reagieren. „Langsam, aber sicher” sollte das Motto hier lauten. Wenn in diesem Sommer mehr Menschen zu Flexitarier:innen werden, ist demnach schon viel gewonnen.


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