Kummer aller Art – Mariana Levy

Ob Schlaflosigkeit, Herzschmerz oder Platzangst, in unserem Buch des Monats versammelt Mariana Leky titelgebend „Kummer aller Art”. In 39 kurzweiligen Kolumnen, die erstmals in der Zeitschrift Psychologie Heute veröffentlicht wurden, widmet sie sich auf charmant neugierige Weise den kleinen und größeren Plagen des Alltags und bringt euch dabei durchgehend zum Schmunzeln.

Ein Text von Caroline Beck | Foto: Caroline Beck

„Wie ist das klein, womit wir ringen, was mit uns ringt, wie ist das groß” – In rilkischer Manier gelingt es Mariana Leky in „Kummer aller Art”, auf allzu menschliche Problemlagen hinzuweisen und ihnen Gehör zu schenken, ohne sie sofort auflösen zu wollen. Eine Kurzgeschichtensammlung, die tröstet, indem sie Kummer auf rührend unbekümmerte Art begegnet. Durch den liebevoll feinfühligen Schreibstil der Autorin erhalten wir Einblick in die Nöte und Sorgen, aber auch in die verschiedenen Marotten und Eigenheiten der wiederkehrenden Figuren.

Da ist etwa der furchtbar hilfsbereite, aber auch furchtbar ängstliche Nachbar Herr Pohl mit seinem unentwegt zitternden Zwergpinschermischling Lori, die unter Schlaflosigkeit leidende Frau Wiese, Psychoanalytiker Onkel Ulrich, der gerne Rilke zitiert und „Seelen ausbessert”, oder Patentochter Lisa, die „einen sehr großen Liebeskummer dabei” hat – oder vielmehr der Liebeskummer sie. Wir lernen den Cafébesitzer Achim kennen, der erfolglos zu meditieren versucht, und den Meditationslehrer, der, obwohl er Stille so sehr schätzt, erstaunlich viel zu sagen hat. Wir hören von Sonja, die so schwer Abschied nehmen kann, dass sie sich als Kind manchmal nur unter Tränen vom Leergut zu trennen vermochte, und von Frau Schwerte, die gegen ihren Willen zur Entspannung verdonnert wird. Manchmal sind es auch Fremde auf Bahnhofstoiletten, die einem durch die Kabinentür aushelfen, oder freundliche Sicherheitsdienstmitarbeiter, die einem die Angst vorm Aufzug nehmen.

Es ist nicht unbedingt der große Weltschmerz, den Leky thematisiert. Hier kommen vor allem die kleinen und leisen Sorgen ans Licht, die aufgrund ihrer Gewöhnlichkeit häufig unbedacht bleiben oder spöttisch abgetan werden – aber deswegen nicht weniger drängend sind. In „Kummer aller Art” finden sie gerade aufgrund dieser vertrauten Alltäglichkeit einen Platz. Durch die reizend unverblümte Beobachtungsgabe des lyrischen Kolumnen-Ichs wird auf den ersten Blick Belangloses und Banales in seiner Kostbarkeit aufgedeckt, ohne schwerfällig oder kitschig zu werden.

Im Kapitel „Zeuginnen von Glück und Unglück” sinniert die Erzählstimme über eine langjährige Freundschaft: „Ein Grund, warum es gar nicht lang genug sein kann, ist, dass das Essen nicht auf dem Tisch stehen und der Boden nicht gewischt sein muss, wenn die eine bei der anderen auftaucht. Man wird umstandslos ins akute Leben reingemischt.” Und genauso fühlt man sich beim Lesen von Lekys Kolumnen – ganz unvermittelt hineingeworfen in die rührende Rohheit der Menschlichkeit. Denn in dieser wohltuenden Lektüre, die Sehnsüchte und Rückenschmerzen unerwartet heiter vereint, sind es gerade die vermeintlichen Schwächen, die die Figuren liebenswert machen.

In „Kummer aller Art” begegnet Leky Kummer mit der Sorte Humor, die versteht und nicht verdrängt, die all den kleinen und großen Kümmernissen nicht etwa verächtlich die Daseinsberechtigung, aber vielleicht ein bisschen den Schrecken nimmt. Ein Buch, in dem darüber spekuliert wird, ob es die Flugangst der Passagiere ist, die das Flugzeug in der Luft hält. „Dass mal jemand so anerkennend über Ängste spricht, das tut ihnen sicher gut“ – finden auch wir und küren damit Mariana Lekys neuestes Werk zu unserem Buch des Monats! 


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: