Il Trittico in Essen – Drei Opern an einem Abend

Durch den riesigen Spiegel wirkt das Bühnenbild noch eindrucksvoller. Aus: Suor Angelica [Foto: Matthias Jung]

Am Abend des 22. Januar öffnete das Aalto-Theater in Essen seine Tore für die Premiere von Giacomo Puccinis Il Trittico. Unsere Redakteurin war dabei und berichtet von ihren Eindrücken.

Eine Reportage von Selome Abdulaziz

Das von dem finnischen Architekten Alvar Aalto entworfene Gebäude fällt schon von weitem mit seiner weißen Fassade und der imponierenden Größe auf. Im Foyer des Theaters bemerke ich besonders den weißen Marmorboden. Hier trinken elegant gekleidete Gäst:innen Sekt oder Wein und unterhalten sich angeregt. Ich studiere das Programmheft, bis es Zeit wird, den Saal zu betreten. Dieser ist blau gestrichen, auch die Stühle sind in blau gehalten. Mein Platz ist weit vorne, in Reihe 6. Aufgeregt und gespannt setze ich mich.

Il Trittico besteht aus drei einaktigen Opern, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Das erste Stück, Il Tabarro (Der Mantel), ist eine Tragödie, die 1910 in Paris spielt. Zentrale Figuren sind Michele, der einen Schleppkahn besitzt, seine Ehefrau Giorgetta sowie Luigi, ein Mitarbeiter auf dem Kahn und Giorgettas heimlicher Geliebter. Wir erfahren, dass Michele und Giorgetta vor einem Jahr ihr Kind verloren. Das Eifersuchtsdrama endet in einem Mord. 

Dann wechselt der Schauplatz, Kirchenglocken läuten, die Darsteller:innen wechseln. Wir befinden uns in einem italienischen Kloster Ende des 17. Jahrhunderts. Titelgebende Hauptrolle des Melodrams ist Suor Angelica (Schwester Angelika), die wegen eines unehelichen Kindes von ihrer Tante, der Fürstin, ins Kloster verbannt wurde. Als sie von dem Tod ihres Sohnes erfährt, begeht sie in ihrer Verzweiflung Suizid. Nach diesem emotionalen Finale gibt es eine halbstündige Pause. Alle verlassen eilig den Saal, um zur Toilette zu gehen oder ein Getränk zu sich zu nehmen.

Als sich der Vorhang erneut hebt, beginnt die letzte der drei Opern: die Komödie Gianni Schicchi. Die Geschichte spielt in Florenz im Jahre 1299. Als der reiche Buoso Donati stirbt und sein gesamtes Erbe an ein Kloster vermachen will, sind seine Verwandten außer sich vor Wut. Sie wenden sich an Gianni Schicchi, den Vater von Lauretta, die Angebetete von Buosos Neffen Rinuccio. In einer List gibt sich Schicchi als Buoso aus und lässt ein neues Testament aufsetzen. Dabei teilt er Geld und Ländereien unter den Verwandten auf, hinterlässt aber die begehrtesten Schätze seinem „treuen Freund Gianni Schicchi“, also sich selbst. Aus dem Stück stammt eine der berühmtesten Arien Puccinis, O mio babbino caro, die vielfach aufgeführt wurde und beispielsweise in dem mehrfach ausgezeichneten Film Zimmer mit Aussicht Verwendung fand.

Ein Wechselbad der Gefühle

Trotz der unterschiedlichen Schauplätze und Handlungen gibt es Gemeinsamkeiten in den drei Einaktern. In allen Werken geht es um verschiedene Arten, mit dem Tod umzugehen. Der Regisseur Roland Schwab beschreibt es im Programmheft so: „Alle Stücke zirkulieren auf unterschiedliche Weise um den Tod und handeln von der Belastung durch die Vergangenheit. In den beiden ersten Stücken ist es der Verlust eines Kindes, im dritten Stück wird der Tod zum aberwitzigen Ausgangspunkt einer Komödie.“

Das eindrucksvolle Bühnenbild unterstützt diese Kontinuitäten visuell. Im Mittelpunkt der Bühne steht ein großes Becken, das etwa knöcheltief mit Wasser gefüllt ist. Mal stellt es die Seine dar, mal einen Brunnen oder einen Luxuspool. Es kann aber auch metaphorisch gesehen werden als “See aus Tränen” in Suor Angelica oder “Wasser der Erinnerung” in Il Tabarro, wie Schwab es bezeichnet. Ein riesiger Spiegel über der Bühne sorgt für eine weitere Ebene, aus der wir die Figuren sehen können. Requisiten, die schon in der ersten Oper auf der Bühne zu sehen sind, bekommen in der nächsten eine tiefere Bedeutung. So hält Angelika die Kinderpuppe, die während Il Tabarro im Wasser schwimmt, als Erinnerung an ihren verstorbenen Sohn in den Armen. Durch diese Details wird die Zusammengehörigkeit der drei Werke subtil unterstrichen.

Die Kinderpuppe sehen wir in Il Tabarro im Hintergrund. [Foto: Matthias Jung]
Während Suor Angelica spielt die Puppe eine zentrale Rolle. [Foto: Matthias Jung]

Il Trittico bietet viel Abwechslung, durch die verschiedenen Charaktere wechseln auch die erzeugten Emotionen. Obwohl auf Italienisch gesungen wird und ich immer wieder auf die Obertitel spinksen muss, transportieren die Musik und das Schauspiel die Gefühle der Stücke. Während Il Tabarro fiebere ich mit den Verliebten mit, das schaurige Ende hinterlässt mich betroffen. Für die Ordensschwester Angelika empfinde ich Sympathie und wünsche ihr das Beste. Die Darstellerin Jessica Muirhead spielt ihre Misere so überzeugend, dass mir die Tränen kommen, als sie um ihren verstorbenen Sohn trauert. Durch den gerissenen Gianni Schicchi und die gierige Donati-Familie endet der Abend mit viel Humor auf einer positiven Note. 

Ihr könnt die Vorstellung noch die nächsten Monate besuchen, die letzte Chance ist am 15. Juni dieses Jahres. Als Studierende der Uni Duisburg-Essen oder der Folkwang Universität kommt ihr über das Kulturticket für einen Euro in die Oper. Ich kann den Besuch sehr empfehlen, da für jeden Geschmack etwas dabei ist. Wenn ihr, wie ich, Oper-Neulinge seid, würde ich raten, euch vorher mit der Handlung vertraut zu machen. Da der Gesang auf Italienisch ist, muss man immer wieder auf die über der Bühne erscheinenden Obertitel schauen. Da hilft es, wenn man die Grundzüge der Handlung bereits kennt.


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