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Winter-Wonderland: Eine Hassliebe

Statt schneeweißen Landschaften schlagen wir uns mit grauer Nasskälte rum. [Foto: Nikita Verbitskiy]

Zwischen Kaminromantik und saisonaler Depression bin irgendwo in der Mitte Ich. Ob man das Schwitzen nicht aushält oder das Frieren, jede Jahreszeit hat ihre Freunde und Feinde. Jeden Winter frage ich mich, auf welcher Seite ich nun stehe. 

Das Geräusch von Neuschnee unter den Schuhen, rote Wangen und heißer Kakao, wenn man aus der Kälte zurück nach Hause kommt. Kuschelsocken an, Kuscheldecke drüber und eigentlich ist alles einfach nur kuschelig. Schneeballschlachten, Schlittenfahrten und Skipisten mit frischem Pulverschnee: Eigentlich klingt der Winter gar nicht so übel. Eigentlich sind das auch nur Bilder, die ich damals in Werbespots gesehen und nie wieder vergessen habe. Kaiserwetter ist bei uns im Pott leider eher selten und statt mit perlweißem Schnee schlagen wir uns mit grauem Himmel und dauerhafter Nasskälte herum. Von November bis März ist erst mal Zwiebelzeit und das an- und ausziehen raubt gefühlt mehr Lebenszeit als Lohnarbeit. Und doch lassen die Bilder aus der Kindheit einen nicht los. Endlich Spekulatius und Lebkuchen, endlich die saisonalen Teekanne-Sorten (Ich werde immer Bratapfel-Zimt Tee verteidigen!) und endlich dieses Gefühl der Wärme (ironischerweise) und Geborgenheit. Ich habe zwar nie einen Kamin besessen, aber irgendwie sehne ich mich trotzdem jeden Spätherbst endlich nach diesem Kaminfeuer-Kakao-Gefühl, das eigentlich bloß ein Konstrukt meiner jahrelang medial gefütterten Fantasie ist. Ich romantisiere die Idee von kalten Händen, die sich an heißen Glühweintassen wärmen, und vergesse stets, dass dieses Bild mit eingerissenen Knöcheln und trockener Haut einhergeht. Und doch gibt es diese paar Momente, die alles wieder wettmachen. Wenn die Sonne scheint und tatsächlich mal Schnee liegt und die Winterdepression Pause macht, hat man das Gefühl, der Utopie einen kleinen Schritt näher gekommen zu sein. In dieser kurzen Phase zwischen Erkältung und Grippe, wo die Nase mal frei ist und die Mandarinenschale besonders toll riecht, habe ich das Gefühl, dass alles doch nicht so schlimm ist. Doch leider sind es eben nur diese Momente und beim nächsten Infekt nimmt die Romantik wieder Abschied.