UDE: Warum Studierende NRW-weit einen der höchsten Sozialbeiträge zahlen

Artikel: Julika Ude | [Foto: Julika Ude]

Auch zu diesem Semester mussten sich Studierende der Universität Essen-Duisburg (UDE) durch Zahlen des Semesterbeitrags zurückmelden, um weiter an der UDE studieren zu können. 110 Euro des Betrags gehen als Sozialbeitrag an das Studierendenwerk. NRW-weit ist das eine der höchsten Summen. Wir haben den Geschäftsführer des Studierendenwerks Essen-Duisburg, Michael Dahlhoff, gefragt, warum das so ist.

Das Studierendenwerk (STW) Essen-Duisburg dient der Förderung der Studierenden. In sozialer und gesundheitlicher, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Diesem Zweck soll auch der Sozialbeitrag, der im Wintersemester 23/24 110 Euro beträgt, zu Gute kommen. Neben staatlichen Zuschüssen und selbst erwirtschafteten Einnahmen finanziert sich das Studiwerk durch diesen Beitrag – und ihr Angebot für die Studierenden. Dazu gehören die Mensen und Cafeterien an den Campus der UDE, der Hochschule Ruhr West (HRW) und der Folkwang Universität der Künste sowie die Wohnheime in Campusnähe. Das Studierendenwerk Essen-Duisburg ist somit für die vier Städte Essen, Duisburg, Mülheim und Bottrop zuständig. Sie stellen Beratungsmöglichkeiten zur Studienfinanzierung und ein psychologisches und soziales Beratungsangebot für Studierende bereit. Außerdem sorgen sie für interkulturelle Veranstaltungen und Betreuungsangebote für Kinder von Studierenden.

Vor der Erhöhung des Sozialbeitrags auf 110 Euro im Sommersemester 2023 (ak[due]ll berichtete über die Hintergründe) war der an das Studierendenwerk Essen-Duisburg zu zahlende Betrag NRW-weit bereits einer der höchsten. Mittlerweile wurde der Sozialbeitrag einiger Werke angehoben. Studierende in Bochum und Münster zahlen derzeit mehr an das Studierendenwerk als UDE-Studierende: 120 Euro. Studierende in Bielefeld oder Düsseldorf hingegen zahlen weniger: 91 Euro und 88 Euro. Wie kommt dieser Unterschied zustande?

Michael Dahlhoff, Geschäftsführer des Studierendenwerks Essen-Duisburg, erklärt, es gebe drei übergeordnete Ziele, die das Studierendenwerk zu erreichen versucht. Dies seien zufriedene Kunden, die finanzielle Stabilität des STW und das Wohl der Belegschaft, also Gesundheit, Arbeitsplatzsicherheit und Zufriedenheit. Ersteres beinhaltet ein vielfältiges Angebot des STW, bezahlbare Preise und Sozialbeiträge. Allerdings unterliege die Erreichung dieser Ziele neben dem Hauswirtschaften des STW drei Ebenen, die den Sozialbeitrag beeinflussen. Dies sind zum einen deutschlandweite Entwicklungen, wie zum Beispiel neue Nachhaltigkeitsanforderungen oder Preissteigerungen. So beeinflussen das neue Gebäudeenergiegesetz oder höhere Personal-, Energie- und Rohwarenkosten die Ausgaben des Studierendenwerks und langfristig so den Sozialbeitrag. Als zwei weitere Ebenen nennt Dahlhoff „NRW Spezifika“, wie zum Beispiel Zuschüsse vom Land an das Studierendenwerk und „lokale Gegebenheiten“, wie das Campusleben oder das Angebot des Studierendenwerks.

„Sozialberatung und Kinderbetreuung setzen einige Studierendenwerke in NRW gar nicht um.” 

Besonders beim letzten Punkt und speziell „beim Umfang der Wahrnehmung der sozialen Aufgaben“ gebe es große Unterschiede zwischen den Studierendenwerken, die den Unterschied zwischen Sozialbeiträgen verstärken. „Sozialberatung und Kinderbetreuung sind Aufgaben, die einige Studierendenwerke in NRW gar nicht oder nur teilweise umsetzen“, erklärt Dahlhoff. In Bielefeld zum Beispiel wird weder eine soziale noch eine psychologische Beratung angeboten. In Bochum, Düsseldorf und Münster gibt es ebenfalls keine psychologische Beratungsstelle.

Auf Landesebene wird dieser Bereich des Studierendenwerks Essen-Duisburg finanziell nicht gesondert unterstützt. „Für unsere Sozialberatung gab es bis 2023 keine Sonderförderung“, also keinen spezifischen staatlichen Zuschuss, erklärt Dahlhoff. Auch für die Tagespflege der null- bis dreijährigen Kinder, die das Studiwerk Essen-Duisburg anbietet, bekommt es nur eine geringe finanzielle Unterstützung. Zu 60 Prozent müsse es die Tagespflege der null- bis dreijährigen Kinder deshalb selbst finanzieren. „Bei den Kindertagesstätten (KITAS) sieht es glücklicherweise deutlich besser aus, da tragen wir nur circa 10 Prozent der Kosten. Durch Tarifsteigerungen und nicht adäquat angepasste Fördersätze wird unser Beitrag allerdings künftig weiter steigen“, so Dahlhoff.

Das Studierendenwerk Essen-Duisburg betreut drei Hochschulen und versorgt acht Standorte. Andere Studierendenwerke würden deutlich weniger Studierende betreuen und könnten sich zum Teil auf nur einen Standort fokussieren. Dahlhoff erläutert: „Mehrere Standorte bedeuten auch mehr Grundkosten bei geringerer Auslastung. Das schlägt sich auch im Sozialbeitrag nieder.“ Hinzu kommt die Historie des Studierendenwerks, die zum einen zu geringen finanziellen Rücklagen des Studierendenwerks führte, zum anderen auch zu (Bau-)Entscheidungen, die nicht nachhaltig waren und in der Gegenwart beispielsweise durch umfangreiche Renovierungsarbeiten ausgeglichen werden müssen (ak[due]ll berichtete).

Hohe Pendler:innenrate sorgt für Einbußen

Weitere Faktoren für den verhältnismäßig hohen Sozialbeitrag seien die hohe Pendler:innenrate der betreuten Unis und der Wohnungsmarkt in Essen, Duisburg, Mülheim und Bottrop. Im Vergleich zu anderen Städten seien die privaten Mieten in diesen Städten recht günstig und sorgten so in der Vergangenheit zum Teil für hohen Leerstand in Wohnheimen abseits des Campus und damit für weniger Mieteinnahmen des Studierendenwerks: „Unser Angebot an Wohnheimplätzen ist mit 5 Prozent in NRW am niedrigsten. Im Durchschnitt sind es landesweit 7,57 Prozent.“ Auch der Zahlenspiegel 2021/2022 des Deutschen Studentenwerkes (DSW), der Zahlen der Studierendenwerke zu verschiedenen Kategorien zusammenträgt, macht dies deutlich. Rankt man die 57 Studierendenwerke Deutschlands, belegt das Studierendenwerk Essen-Duisburg Platz 37 in der Kategorie „Angebot Wohnheimplätze“, dafür Platz 10 in der Kategorie „Durchschnittsmiete“. 

Durch den hohen Pendelfaktor finde außerdem ein typisches Campusleben kaum statt. Das habe einen direkten Einfluss auf eine der Haupteinnahmequellen des Studierendenwerks: den Umsatz der gastronomischen Einrichtungen. „Die Hochschul-Gastronomie ist ohnehin eine außergewöhnliche Form der Gastronomie. Zu Peak-Zeiten soll sie eine Zielgruppe mit vielfältigem Angebot versorgen, dabei sollen die Speisen günstig, abwechslungsreich und auch gesund sein“, erklärt Dahlhoff. Im Jahr 2022 gab das Studierendenwerk Essen-Duisburg 79 Prozent der Sozialbeiträge für die Gastronomie-Infrastruktur aus. Sinkende Kundenzahlen und Umsätze bei steigenden Rohwaren-, Personal und Energiekosten stellen das Studierendenwerk auch noch in Zukunft vor ein Dilemma: „Um das auszugleichen müssen entweder Standorte geschlossen oder der Grad der Verpflegung vor Ort deutlich heruntergefahren werden. Ansonsten kann der Erhalt der Gastronomie-Infrastruktur nur durch Steigerungen der Sozialbeiträge erhalten werden“, so Dahlhoff. Laut des DSW-Zahlenspiegels belegt das Studierendenwerk Essen-Duisburg Platz 20 von 57 bei den Studierendenzahlen, jedoch nur Platz 34 bei den Gastronomie-Umsätzen. 

Der geringe Umsatz zieht noch ein Problem mit sich. Es gibt den sogenannten „Allgemeinen Zuschuss“, eine feste Geldsumme, die das Ministerium für Kultur und Wissenschaft auf alle zwölf Studierendenwerke in NRW verteilt. Jedes Studierendenwerk erhält einen Basisbetrag pro Jahr. Das übrige Geld wird nach der Anzahl der Studierenden und dem Gastronomie-Umsatz verteilt. Das ist für das Studierendenwerk Essen-Duisburg zum einen durch die geringeren gastronomischen Einnahmen wegen des minimalen Campuslebens unvorteilhaft. Zum anderen, weil neben dem Gastronomie-Umsatz die anderen Angebote des Studierendenwerks, wie die psychologische Beratung, unberücksichtigt bleiben. Dahlhoff erarbeite in einer Arbeitsgruppe derzeit einen Vorschlag für neue Verteilungsmechanismen in der Hoffnung, für die diverseren Aufgaben des Standorts Essen-Duisburg mehr aus dem Unterstützungstopf zu erhalten: „Wir hoffen, die Zustimmung des Ministeriums vorausgesetzt, dass das Modell Grundlage für die Verteilung des Zuschusses ab 2025 sein kann.“


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