Künstliche Intelligenz gegen Krebs

[Repost: Julia Seg]

Nicht nur Schulen, auch die Medizin wird immer digitaler. „Maschinelles Lernen“ heißt das Verfahren, mit dem Prof. Dr. Dr. Jens Kleesiek Krebs bekämpfen will. Am Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) des Universitätsklinikums Essen (UK Essen) möchte er die Methode voranbringen. Der Mediziner und promovierte Informatiker will die Digitale Medizin aber auch in die Hörsäle holen. Wie er sich den Kurs vorstellt und wie das Verfahren genau funktioniert, hat er der akduell erklärt.

Dass Medizin und Informatik einander gut ergänzen, hat Prof. Dr. Dr. Jens Kleesiek schon vor Jahren gemerkt: „Im Rahmen meiner medizinischen Doktorarbeit habe ich mit dem Mikroskop Zellen gezählt. Ich saß davor und dachte, das ist keine Arbeit, die ein Mensch machen sollte, das sollte ein Computer machen und auch besser können.“ So fing er an, sich mehr mit Informatik zu beschäftigen und promovierte einige Jahre später in diesem Bereich. Momentan ist er am Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin des UK Essen beschäftigt. Was ein wenig nach Science-Fiction klingt, hat einen bodenständigen Hintergrund. Er spricht deshalb auch lieber vom „Maschinellen Lernen“: „Das heißt, wir geben dem Computer nicht eine eindeutige Handlungsvorschrift für die Lösung eines Problems vor, sondern entwickeln Algorithmen, die diese dann aufgrund von Daten selbst ,erlernen‘ können.“

Kuchen und PKWs

Wie das genau funktioniert, erklärt Kleesiek an einem Alltagsbeispiel. Die Algorithmen vergleicht er mit einem Kuchenrezept: „Bei einem Kuchen kommen definierte Mengen von Zucker und Mehl hinein. Anschließend kommt der Teig bei einer bestimmten Temperatur für eine gewisse Zeit in den Ofen. Wenn man die Anweisungen befolgt, kommt am Ende ein Kuchen heraus.“ Beim maschinellen Lernen seien die Schritte zwar nicht so eindeutig definiert, aber es stünden verschiedene Verfahren zur Verfügung, um von einer Eingabe auf eine Ausgabe zu schließen. Eins davon ist das sogenannte ‚unüberwachte Lernen‘. Auf diese Weise kann der Computer auf Basis von eingegebenen Daten selbstständig auf Lösungen kommen. So können dann Strukturen und Muster in den Daten erkannt werden.

Auch dafür hat der Radiologe ein Beispiel aus dem Alltag: „Eine klassische Methode ist die Cluster-Analyse. Wenn man zum Beispiel Fahrzeuge klassifizieren möchte, könnte man bestimmte Merkmale, wie Gewicht und Anzahl der Reifen, extrahieren. Beobachtet man dann vorbeifahrende Fahrzeuge an einer Straße, lassen sich Muster identifizieren, die es erlauben, PKWs von Motorrädern zu trennen.“ Ein ähnliches Prinzip ließe sich auf Patient:innendaten anwenden. Anhand von Laborwerten, radiologischen Bildern und Tumormarkern könnten die Mediziner:innen nach Mustern und Verläufen suchen und das Ganze quantifizieren, also in Zahlen beschreiben. Ein wichtiger Schritt für die Diagnostik von Tumorerkrankungen. Bisher sind in der Radiologie 2D-Messungen eines Tumors üblich: „Das bedeutet, man vermisst den Tumor alle paar Monate und schaut, ob er sich verändert hat.“ So geht einiges an Informationen verloren, bemängelt der Mediziner und Informatiker. „Wenn man die Tumorvermessung automatisieren könnte, könnte man sie besser quantifizieren und exaktere und konstistentere Ergebnisse erhalten“, hofft Kleesiek. Die Diagnostik würde so außerdem wesentlich effizienter verlaufen, weil ein Computer nicht ermüdet, so der Radiologe. Er sieht einen weiteren Vorteil: „Aufnahmezeiten von MRT-Sequenzen könnten verkürzt werden, was für Patienten mit Platzangst hilfreich wäre. Auch könnte man für mehr Patienten MRT-Diagnostik anbieten.“

Digitale Medizin als Seminar

In der Schnittstelle zwischen Medizin und Informatik sieht er große Chancen, beide Seiten könnten viel Neues lernen und vom Anderen profitieren, so Kleesiek. Schon an der Universität Heidelberg beschäftigte er sich mit dem Thema und initiierte das Wahlfach Digitale Medizin. Das will er nun an die Universität Duisburg-Essen holen. Da das Institut für Künstliche Intelligenz sich noch im Aufbau befindet, sind aber noch viele Punkte in der Planung offen. Unklar ist beispielsweise, wann der Kurs an den Start gehen wird. Auch ob der Kurs wie in Heidelberg als Wahlfach oder als Tandem-Kurs stattfinden wird, kann Kleesiek noch nicht versprechen. Er wünscht sich Letzteres.

Klare Vorstellungen hat er schon: „Da würden Informatik und Naturwissenschaftsstudierende zusammen mit Medizinstudierenden an Projekten arbeiten. Die Mediziner könnten zum Beispiel den Informatikern erklären, was auf Röntgen-Thorax-Aufnahmen zu sehen ist, diese Bilder vorbereiten und thematisch einordnen.“ Die Informatikstudierenden könnten dann Modelle für eine App entwickeln, die unbekannte Bilder als Eingabe nimmt und dann Fremdmaterial oder eine Pneumonie im Bild erkennt, erklärt der Radiologe. Für das interdisziplinäre Seminar wünscht er sich einen flexiblen Lehrplan, damit aktuelle Entwicklungen einbezogen werden können. Kleesiek sieht dem Kurs optimistisch entgegen, da das Interesse vonseiten der Studierenden groß sei. 


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