Das ehemalige Kraftwerk Studio „Kling-Klang” in Düsseldorf. [Foto: Anna Olivia Böke]
Neuer Fashion-Trend oder etwas zu essen? Krautrock ist ein Musikgenre, das in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren in Deutschland entstand. Wir erzählen euch etwas über dessen Geschichte und Relevanz in der Nachkriegszeit.
Der Begriff wurde ursprünglich von der britischen Musikpresse geprägt und leitet sich von dem abfälligen Spitznamen „Krauts“ für Deutsche ab. Trotz des zunächst negativen Untertons wurde der Begriff von den Musiker:innen und Fans übernommen und steht heute für eine innovative und experimentelle Phase der deutschen Rockmusik. Krautrock zeichnet sich durch seine Vielfalt und Experimentierfreude aus. Die Bands dieser Ära kombinierten Elemente aus Psychedelic Rock, Jazz, elektronischer Musik und Avantgarde, um einen einzigartigen Sound zu kreieren. Im Gegensatz zur angloamerikanischen Rockmusik legten sie weniger Wert auf traditionelle Songstrukturen und Gitarrenriffs, sondern experimentierten mit neuen Klängen, Rhythmen und Produktionsmethoden.
Eine der bekanntesten und einflussreichsten Bands des Krautrocks ist Kraftwerk aus Düsseldorf. Gegründet 1970 von Ralf Hütter und Florian Schneider, gilt Kraftwerk als Pionier der elektronischen Musik. Ihr Kling-Klang-Studio in der Mintropstraße 16 in Düsseldorf wurde zum Zentrum ihrer kreativen Arbeit. Hier entstanden bahnbrechende Alben wie „Autobahn“ (1974), das mit seinem 22-minütigen Titeltrack eine Hommage an die deutschen Autobahnen darstellt und die Faszination für Technologie und Mobilität widerspiegelt. Dieses Album markierte einen Wendepunkt in der Musikgeschichte und beeinflusste zahlreiche Künstler:innen und Genres weltweit.
Doch Kraftwerk war nicht die einzige prägende Band dieser Zeit. Gruppen wie Can, Neu!, Faust, Amon Düül II und Tangerine Dream trugen maßgeblich zur Vielfalt des Krautrocks bei. Can, gegründet in Köln, integrierte improvisatorische Elemente und schuf mit Alben wie „Tago Mago“ (1971) Meilensteine des experimentellen Rocks. Neu! aus Düsseldorf, bestehend aus ehemaligen Mitgliedern von Kraftwerk, entwickelte den sogenannten „Motorik“-Beat, einen monotonen, treibenden Rhythmus, der später viele Post-Punk- und Indie-Bands beeinflusste.
Das Ruhrgebiet und insbesondere Städte wie Düsseldorf und Köln spielten eine zentrale Rolle in der Entwicklung des Krautrocks. Die industrielle Umgebung, die kulturelle Vielfalt und die Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit schufen einen fruchtbaren Boden für kreative Experimente. Die Musiker:innen dieser Region strebten nach einer eigenen Identität in der Musik und wollten sich von angloamerikanischen Vorbildern lösen. Sie suchten nach neuen Ausdrucksformen und nutzten dabei die Möglichkeiten der aufkommenden elektronischen Instrumente und Studiotechniken.
Ein weiteres Beispiel für die Innovationskraft dieser Szene ist die Band Cluster, bestehend aus Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius. Sie experimentierten mit elektronischen Klängen und Ambient-Strukturen und beeinflussten damit spätere Genres wie die Ambient- und Techno-Musik. Ihre Zusammenarbeit mit Brian Eno führte zu wegweisenden Aufnahmen, die die Grenzen der konventionellen Musikproduktion erweiterten.
Obwohl Krautrock in Deutschland zunächst wenig kommerziellen Erfolg hatte, fand das Genre international Anerkennung und beeinflusste zahlreiche Künstler:innen weltweit. Bands wie Radiohead, David Bowie und Stereolab nannten Krautrock als wichtige Inspirationsquelle. In den letzten Jahren erlebte das Genre eine Renaissance und viele junge Bands und Musiker:innen beziehen sich auf die experimentellen Ansätze der Krautrock-Pioniere.
Heute wird Krautrock als wichtiger Beitrag zur internationalen Musikgeschichte anerkannt. Er steht für die Emanzipation der deutschen Musik und den Mut, neue Wege zu gehen. Die Einflüsse dieser Bewegung sind bis heute in vielen Bereichen der Pop- und Rockmusik spürbar und zeugen von der zeitlosen Relevanz und Innovationskraft des Krautrocks.