Posted in

Klimagerechtigkeit: Studie begründet Klimasoli für Reiche

Artikel: Freya Pauluschke | Illustration: Matthias Schönbrenner

Während die Superreichen Urlaub auf Mega-Yachten machen und sogar kurze Strecken mit dem Privatjet zurücklegen, können sich andere nicht einmal eine Woche Urlaub leisten. Der Konsum der Reichen verursacht Klimaschäden und erhöht somit die Ungleichheit. Prof. Dr. Miriam Rehm vom Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen (UDE) führte die Studie „Klimasoziale Transformation – Klimaschutz und Ungleichheitsreduktion wirken Hand in Hand“ durch. Wir haben mit ihr über die Problematik gesprochen.

Laut Daten des Statistikamtes der Europäischen Union (Eurostat) kann sich jede:r Fünfte keinen Urlaub leisten. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete, dass 21,9 Prozent der Deutschen im Jahr 2022 zu wenig Geld hatten, um sich eine einwöchige Urlaubsreise leisten zu können. Die kürzlich veröffentlichte Doku von ZDF zeigt Superreiche, die ein Wochenende mit Privatjets nach Sylt fliegen, um es sich dort über die Maßen gut gehen zu lassen. Vor allem die jüngeren Generationen legen viel Wert aufs Klima, doch auch hier gibt es Ausnahmen. Der 18-jährige Theo Stratmann betont in dem Video: „Ich will nicht einsparen, eigentlich ist es mir egal. Ich strebe nach dem Extremsten“.

Prof.in Dr.in Miriam Rehm, Vera Huwe und Katharina Bohnenberger von der UDE stellten sich die Frage, wieso ökologische und soziale Verteilungsfragen in der öffentlichen und politischen Diskussion oft als Widerspruch wahrgenommen werden, obwohl die Forschung zeige, dass sie sich ergänzen. Daraus entstand dieses Jahr eine Studie, die von der Bertelsmann-Stiftung publiziert wurde. Darin wird auf drei Ungleichheitsdimensionen der Klimakrise eingegangen: Es gilt, die Rolle von Ungleichheit bei Klimaschutzmaßnahmen zu untersuchen. Außerdem wird die Ungleichheit hinsichtlich der Emissionshöhe und der Verursachung der Klimakrise sowie hinsichtlich der Betroffenheit durch Klimaschäden beleuchtet. „Wir zeigen, dass Ungleichheit ein Emissionstreiber ist und die Klimakrise direkt verursacht. Aber umgekehrt stellen wir auch fest, dass die Klimakrise die Ungleichheit erhöht“, schildert Rehm. Zentrales Ergebnis der Studie sei, dass Klima- und Verteilungspolitik zusammengedacht werden müssen.

Der Fokus der Forschung liegt auf dem Hocheinkommensland Deutschland, da die Ergebnisse der internationalen Klimaforschung in die deutsche Debatte eingebracht werden sollen. Rehm, Huwe und Bohnenberger verbinden die neueste Forschung in den Bereichen Ungleichheit und Ökologie, wo es noch große Lücken gäbe. Das Zusammenspiel von hohen Einkommen und der Verursachung der Klimakrise sei gut dokumentiert. Weniger wissen die Forschenden jedoch über den Effekt von sehr hohen Vermögen.

Prof.in Dr.in Miriam Rehm fokussiert ihre Forschung auf die Bereiche Ungleichheit, Arbeitsmärkte, Gender und Wirtschaftspolitik. [Foto: UDE]

Wie Klimakrise und sozio-ökonomische Ungleichheit zusammenhängen

„Zunächst verschärft Ungleichheit die Klimakrise, weil reichere Menschen mehr konsumieren, und insbesondere sehr energieintensive Güter konsumieren, man denke an Privatjets und Yachten.“ Rehm und ihr Team stellen einen wechselseitigen Zusammenhang fest. Hinzu kommt, dass Emissionen aus Investitionen bei den Reichsten höher sind als die Konsumemissionen. „Global gesehen emittiert das reichste ein Prozent damit im Schnitt 20-mal mehr als die gesamte ärmere Hälfte.“ Auch in Deutschland treffen die Folgen der Klimakrise arme Menschen, wesentlich stärker natürlich in entwicklungsschwachen Ländern. Marginalisierte Gruppen in Deutschland sind beispielsweise häufiger von Luft- und Umweltverschmutzung betroffen. Auf globaler Ebene steigt das Risiko von Umweltkatastrophen.

Das Pariser Klimaabkommen zielt darauf ab, dass die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2019 sinken, damit die Erderwärmung unter 1,5 Grad gehalten wird. Rehm warnt jedoch: „Die Emissionen sinken bei weitem nicht ausreichend schnell genug, um eine Überschreitung von 1,5 Grad Erderhitzung zu verhindern. Um das Schlimmste zu verhindern, muss das Ziel sein, die Emissionen sehr rasch und zugleich sozial verträglich zu reduzieren – das sichert die politische Unterstützung für die dringend notwendigen Maßnahmen.“

Laut einer 2022 veröffentlichten Studie von Wirtschaftswissenschaftler Lucas Chancel, verursacht das globale reichste ein Prozent 17 Prozent der Gesamtemissionen. Die gesamte untere Hälfte sei nur für 12 Prozent verantwortlich. „Hier gibt es viel Potential, ohne eine unverhältnismäßige Einschränkung des Lebensstandards Umweltverschmutzung zu reduzieren“, bemerkt Rehm.

Reich sein heißt nicht automatisch unverantwortlich der Umwelt gegenüber zu sein. „Aber im Durchschnitt zeigen die Daten sehr eindeutig, dass mit höherem Einkommen ein größerer Beitrag zur Klimakrise einhergeht“, bestätigt Rehm. Vor allem sei dies etwa auf Vielflieger:innen am obersten Rand der Einkommensverteilung zurückzuführen.

Lösungsansätze: Klimakreditkarte und Klimasoli

Als Möglichkeiten, die Politik klimasozial zu gestalten, schlagen die Forschenden eine Klimakreditkarte und einen Klimasolidaritätsbeitrag vor. Ziel ist es, die Grundbedürfnisse trotz Inflation und Energiekrise zukünftig zu sichern. Mithilfe der Klimakreditkarte könnten beispielsweise Heizenergie, Nahverkehr oder Lebensmitteln bezahlt werden. Der Klimasolidaritätsbeitrag bedeutet eine progressive Steuer auf hohe Vermögen und Einkommen. Dadurch soll eine klimaneutrale Versorgungsinfrastruktur finanziert werden. „Eine Vermögenssteuer hat extrem hohe Zustimmungsraten in der Bevölkerung. Zugleich sind die Investitionsbedarfe unbestritten massiv, für eine politische Umsetzbarkeit braucht es eine stärkere Beteiligung der Vielverbraucher:innen an deren Finanzierung“, erklärt Rehm.

Ob die Menschen am oberen Einkommensrand mit einem Klimasoli einverstanden wären, ist zwar ungewiss, doch Professorin Rehm weiß durch Untersuchungen der Ökonomin Stefanie Stantcheva, dass die „Unterstützung für klimaschützende Maßnahmen unter anderem von deren wahrgenommener Verteilungswirkung abhängt.“ Das bedeutet, wenn sich die Reichen aus Einschränkungen „auskaufen“, protestieren diejenigen, die dann von der Klimapolitik betroffen wären. „Deswegen liegt uns unser Vorschlag besonders am Herzen, eine progressive Nutzungsabgabe auf besonders energieintensiven Konsum, sogenannte ‚Luxusemissionen‘, wie viele Flugreisen, einzuführen.“ Das stelle auch für Reiche erhöhte Kosten für umweltschädliches Verhalten sicher.