„Keine Bühne für rechte Hetze!”: Demonstrierende wollen Essener Kulturräume vor der AfD verteidigen

Artikel: Carolin Neumeier | Am Eingang der Philharmonie buhen die Demonstrierenden AfD-Sympathisant:innen aus. [Foto: Carolin Neumeier]

Nicht einmal drei Monate nach der Großdemo gegen den AfD-Bundesparteitag auf dem Essener Messegelände protestierten am 05. September wieder zahlreiche Menschen gegen die Partei. Grund dafür ist ein von der AfD organisierter Bürgerdialog in der Philharmonie. Wir waren vor Ort und haben Eindrücke gesammelt. 

Die politische Lage in Deutschland ist nun schon eine ganze Weile angespannt. Mit den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat sie möglicherweise einen neuen Höhepunkt erreicht. Auch in Essen gab es in diesem Jahr so einiges an Tumult um die AfD. Ende Juni zogen tausende Protestierende zum Messegelände in Essen, blockierten Straßen und versuchten, den dort stattfindenden Bundesparteitag zu stören. Nun sorgte der „Bürgerdialog” der AfD in der Philharmonie erneut für Gegenwind. 

Gestartet ist der Demozug am Hirschlandplatz mit über tausend Teilnehmenden, um von dort aus zum Veranstaltungsort des „Bürgerdialogs”, der Philharmonie, zu ziehen. Immer wieder entstanden gemeinsame Rufgesänge: „Ganz Essen hasst die AfD“, „Nazis Raus” und „Siamo tutti antifascisti”. Beim Aalto Theater und Philharmonie angekommen, teilte sich die Masse auf. Einige wanderten in Richtung der Demobühne auf der linken Seite des Stadtgartens, während viele direkt auf den Eingangsbereich der Philharmonie auf der anderen Seite zusteuerten, wo später die Teilnehmer:innen des Bürgerdialogs vorbeiliefen. Sowohl beim Einlass als auch während der gesamten Veranstaltung standen zahlreiche Protestierende an den Zäunen, die durchgängig von der Polizei bewacht wurden, um AfD-Sympathisant:innen auszubuhen. 

Der Dialog mit den AfD-Politikern Stefan Keuter, Kay Gottschalk und Martin Renner konnte aufgrund von Störaktionen im Saal nicht ohne Weiteres durchgeführt werden. Die AfD- Gegner:innen versteckten piepsende Alarmsignale im Saal, wodurch die Veranstaltung unterbrochen werden musste. Die WAZ und das Netzwerk Zusammen gegen Rechts berichteten von der unsanften Abführung der Störenden. Vor den Türen der Philharmonie wurden sie jedoch mit Jubel und Rufen wie „Du bist nicht allein” in Empfang genommen. Draußen wieder vereint, fielen sich drei Demonstrierende aus dem Saal in die Arme. 

„Wir sind hier zu einer Gedächtnisübung zusammengekommen.“1

Um genau die Kunst, deren Schaffung die AfD in Zukunft erschweren will, zu zelebrieren, gab es ein kostenfreies und öffentliches Programm für die Teilnehmenden der Proteste im Stadtgarten. Darunter gab es zwei Drag Shows von Xeni Slay und Xan Ax The Rich sowie Reden von Theater und Philharmonie Essen (TuP) Mitarbeiter:innen, der Belegschaft der Oval Office Bar aus Bochum und weiteren. Außerdem traten der Opernchor und Sängerin Christina Clark auf. Um die Organisation der Auftritte und Demo haben sich Zusammen gegen Rechts Essen, Mitarbeitende der TuP, Aufstehen gegen Rassismus und Essen stellt sich quer gekümmert. Um neben den Protestrufen Lärm zu machen, unterstützte essendiese die Veranstaltung mit einem Bass gegen Hass Event mit zwei DJs am späteren Abend.

Auch Mitarbeitende des Grillo und Aalto Theaters standen auf der Demobühne, um das Wort zu ergreifen. Schauspielerin Ines Krug gab Auszüge aus einer Rede Erich Kästners aus dem Jahr 1958 wieder. Sie zitierte: „Kein Volk und keine Elite darf die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen, daß im Ernstfall, im ernstesten Falle, genügend Helden zur Stelle sein werden.” Einige der Zuhörenden wirkten sichtlich ergriffen. 

Unterstützung bekam die Veranstaltung auch auf Social Media. Ein weiterer Kulturraum, das Theater an der Ruhr, schreibt auf Instagram: „Theater sind offene kulturelle Räume, die nicht der Verbreitung politischer Ideologien dienen.” Die Philharmonie selbst hat außerdem ein Parallelprogramm veranstaltet, bei dem Michel Friedman, französischer Publizist und Autor des Buches „Judenhass”, unter dem Titel „Jeder ist jemand” zur gemeinsamen Diskussion aufrief. Dabei ging es um Strategien zur Wahrung der Demokratie. Mit der Gegenveranstaltung setzte das TuP ein Zeichen gegen die wenige hundert Meter entfernte Veranstaltung der AfD-Bundesfraktion. 

Insgesamt verlief die Gegenveranstaltung zum „Bürgerdialog” friedlich, berichtet die Polizei Essen. Laut ihren Angaben waren um die 4.000 Personen beteiligt. Die Veranstalter der Demo sprechen in ihrer Pressemitteilung von 5.000 Demonstrierenden an diesem Donnerstagabend. 

In unserer Fotostrecke bekommt ihr einen Eindruck von der Veranstaltung. Zu sehen sind Menschenmengen vor dem Eingang der Philharmonie und der Demobühne im Stadtgarten nebenan, genauso wie die Demoschilder einiger Teilnehmer:innen. [Fotostrecke: Carolin Neumeier]


1 Zitat aus der Rede „Über das Verbrennen von Büchern” von Erich Kästner 1958 zur 25. Jährung der Bücherverbrennung des Nazi-Regimes 1933.


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