„Für jede Frau ein Platz im Frauenhaus”

Artikel: Maren Wenzel

„Jede Woche stirbt in NRW eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt, titelte die NRZ zum Wochenende. Der 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Auch in Deutschland sind die Zahlen zur (häuslichen) Gewalt erschreckend. Tendenz: steigend. In Duisburg gingen am 24. November Frauen bei einer Nachttanzdemo auf die Straße.

Druckfrisch hatte das Bundeskriminalamt vergangene Woche die jährlichen Fallzahlen zu Häuslicher Gewalt herausgegeben. Erfasst wurden nur die Taten, die angezeigt wurden. Von Körperverletzungen – inklusive den Fällen, in denen Frauen getötet wurden – waren 2017 in Deutschland 80.389 Frauen betroffen. 28.869 Frauen mussten Bedrohungen, Stalking oder Nötigungen erleben. In 2.705 Fällen waren Frauen Betroffene von Vergewaltigung und sexueller Nötigung. 147 Frauen wurden 2017 in Folge von häuslicher Gewalt bundesweit getötet. Etwas weniger als jeden dritten Tag stirbt also eine Frau durch Gewalt. Expert*innen des BKA schätzen die Dunkelziffer um das Fünffache.

„Die Politik macht viel zu wenig

Die Frauen, die sich an einem verregneten und kalten Samstagabend in Duisburg die Jacken und Mützen tief ins Gesicht gezogen haben, wissen um diese Zahlen. Das Thema Gewalt gegen Frauen sei eben wichtig, weil Frauen immer noch unter Gewalt leben müssten, sagt etwa Ayfer Karabulut. Die Buchholzerin ist jedes Jahr am 25. November auf Veranstaltungen. Sie sagt: „Die Politik macht viel zu wenig. Ich würde mir mehr Frauenhäuser, mehr Nothilfe wünschen. Mehr Freiheit, mehr Frauenvereine und Frauengruppen bedeutet auch, dass es Orte gibt, wo sich die Frauen hinwenden können. Und einfach ihre Sorgen teilen können.“ Besonders für Frauen, die kein Deutsch sprechen, gebe es kaum Hilfen mit Dolmetscher*innen. Das solle die Stadt Duisburg dringend fördern.

Auch Sophie, die ein Knicklicht um das Handgelenk trägt und die Demonstration mitorganisiert hat, will die Realität von Frauen im Jahr 2018 ansprechen: „Überall auf der Welt erleben Frauen, Kinder und LGBTI Gewalt. Zuhause, auf der Straße, in der KiTa, in der Schule oder an der Uni. Die Liste kann ewig weitergeführt werden. Es gibt viele Facetten der Gewalt. Ob strukturelle, körperliche oder psychische. Wir erleben sie auf allen Ebenen“, so Sophie. 

„Es gibt nicht nur den einzelnen Täter“

In ihrer Eingangsrede kritisiert sie die Haltung der Politik, die auf der einen Seite 2016 das Sexualstrafrecht änderte, auf der anderen Seite freie Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen kriminalisiere. „Es wird vom Recht der Selbstbestimmung über den eigenen Körper gesprochen. Aber durch unseren Rechtsstaat wird verurteilt, wenn Aufklärung darüber betrieben wird“, so Sophie. Wenn sie über Gewalt an Frauen spreche, gebe es nicht nur den einzelnen Täter. Sie wolle auch darüber sprechen, dass die Gewalt System habe. Und das die Hälfte der Gesellschaft betroffen sei.

Clara, die auch auf den Ludgeriplatz gekommen ist, kritisiert Staat und Politik ebenfalls. Sie wünscht sich mehr Gesetze, damit die Täter auch zur Rechenschaft gezogen werden können. Dazu zählt sie härtere Strafen, aber auch eine Verpflichtung für Hilfen. „Es braucht für jede Frau einen Platz im Frauenhaus. Das hatten wir erst erst neulich, dass wir einen Platz brauchten und es einfach keinen Platz gab.“ 350 Frauenhäuser gibt es deutschlandweit sowie 600 Frauenberatungsstellen. Zusammen haben sie in 2017 etwa 30.000 Betroffene erreicht – also nur einen Bruchteil derer, die potenziell unter Gewalt leiden. Außerdem wünscht sie sich ein Umdenken in der Erziehung von Jungen. Sie sollten nicht nach einem typisch männlichen Bild erzogen werden. Von Eltern, Kindergärten und Schulen. 

„Gewalt nicht klein reden“

Clara und Ayfer fordern beide mehr Aufmerksamkeit für das Thema und einen sensibleren Umgang. „Ich würde mir von der Gesellschaft wünschen, dass sie aufmerksamer ist. Dass jegliche Gewalt nicht klein geredet wird. Das passiert zum Beispiel bei psychischer Gewalt oder bei finanzieller Abhängigkeit vom Mann. Da wird gar nicht wahrgenommen, dass eine Frau gerade Gewalt erlebt“, so Clara. Ayfer sagt: „Von jedem einzelnen Mensch würde ich mir wünschen, dass wenn man hört oder sieht, dass eine Frauen, Mädchen, Kinder unter Gewalt leben, man eingreift.“

Schaut man sich die Zahlen zu Häuslicher Gewalt an, wird das noch ein langer Weg. Das hindert die Duisburger Frauen aber nicht, den Weg zu gehen. „Wenn alle Frauengruppen zusammen ihre Demos machen könnten – und zwar nicht nur einmal im Jahr – dann können wir mehr schaffen. Mit einer großen Faust kämpft man besser als mit einer kleinen Faust“, so Ayfer.


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