Europa-Wahlplakate: Weniger ist mehr?

Ein Kommentar von Volker Strauß | Die Wahlplakate der SPD – Fast so generisch wie Olaf Scholz [Foto: Volker Strauß]

Am 09. Juni findet die Europawahl statt (es ist übrigens noch nicht zu spät, Briefwahl zu beantragen) und ganz Deutschland ist wieder mit Wahlplakaten geschmückt. Wir haben die Plakate einiger Parteien unter die Lupe genommen.

Volt

[Foto: Volker Strauß | „Sei kein Arschloch – Deine Stimme gegen Rechtsextremismus”]

Mit populistischen Plakaten gegen Populisten: Das scheint sich die Europa-Partei Volt vorgenommen zu haben. Ob das Früchte trägt, wird sich bald zeigen; Die Partei lag in den letzten Umfragen bei ca. 0,5 Prozent.

CDU

[Foto: Volker Strauß | „Sicherheit.]

Die CDU trumpft mit minimalistischen Plakaten auf, die viel Raum für Schmierereien lassen. Vielleicht wurden die Texter:innen für die Plakate nach Zeichen bezahlt und man klammerte sich auch parteiintern noch an eine Schuldenbremse. Wer völlig kontextlos Sicherheit” auf ein Plakat schreibt, fischt mit einem sehr großen Kescher und spart sich so auch jeden konkreten Vorschlag.

SPD

[Foto: Volker Strauß | „Gegen Steueroasen – für mehr Gerechtigkeit”]

Die Wahlplakate der SPD – fast so generisch wie Olaf Scholz.

Die SPD scheint auf den Kanzler-Bonus zu setzen. Auf den meisten Plakaten sind Olaf Scholz und EU-Spitzenkandidatin Katharina Barley zusammen abgebildet. Oder wie hier, SPD-typische mehr Gerechtigkeit – weniger Ungerechtigkeit-Slogans. Mögen die Plakate der SPD auch altbacken wirken, einen Wahlkampf-Coup haben die Sozialdemokraten aber schon gelandet: Die CDU hat es versäumt, sich die Domain cdu.eu zu sichern. Wer sich jetzt über diesen Link über das Europawahlprogramm der CDU informieren möchte, wird von Barley und Scholz mit „Kein Weg führt an uns vorbei” begrüßt und dann an die Europawahlkampf-Seite der SPD weitergeleitet. Dass die wenigsten Menschen heutzutage ohne Suchmaschinen Internetseiten aufrufen, ist natürlich auch klar. Das Manöver zeigt vor allem Lücken in der Digitalkompetenz der CDU.

[Screenshot: cdu.eu | Die SPD setzt auf den Kanzler-Bonus]

MLPD

[Foto: Volker Strauß | „Freiheit für Kapital, Stacheldraht für Menschen? Heuchler!“]

In den letzten Jahren tauchten Plakate der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) in den größeren deutschen Städten auf. Eine klare Wahlaufruf lässt sich aus dem Plakat hier nicht ableiten,  eher wirkt es wie ein Demo-Schild, das an einer Laterne geendet ist. Die Partei wird übrigens vom Verfassungsschutz NRW beobachtet. Das scheint aber für die meisten Wähler:innen kein Ausschlusskriterium mehr zu sein.

Die Linke

[Foto: Volker Strauß: „In Frieden investieren, nicht in Waffen!”] [Foto: Volker Strauß | „Reichtum umverteilen, Armut bekämpfen!”]

Seit dem Austritt von Sahra Wagenknecht aus der Linken im vergangenen Jahr  behaupten böse Zungen, die Partei stünde vor dem Aus. Zumindest auf Europaebene hat die Linke aber noch einmal Glück gehabt: Es gibt keine 5-Prozent-Hürde und somit ist der Einzug der Partei in das Europaparlament fast sicher. Die Plakate sind links-typisch und eher nichtssagend, auf dem Plakat rechts scheint der:die Plakatierer:in ein bisschen übereifrig gewesen zu sein. Neben Gerhardt Traber (siehe Foto x) ist übrigens auch die Aktivistin Carola Rackete Spitzenkandidatin der Linken.

FDP

[Foto: Volker Strauß |„Es ist nicht egal, Es ist Europa”]

Die FDP bleibt ihrem Artsy Schwarz-Weiß-Plakatstil von 2017 treu. Annegret Strack-Zimmermann, die selbsternannte „“Oma Courage”, stilisiert sich mit hochgezogenen Augenbrauen und Gesichtsfalten als Frührentner-Ikone, die sich auf dem politischen Parkett bewährt hat. Bekannt geworden ist Strack-Zimmermann vor allem in ihrer Rolle als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und durch Interviews in der Heute Show. 

DIE PARTEI

[Foto: Volker Strauß |„Leipzig – Stadt der Zugezogenen”]

Spätestens seitdem Nico Semsrott DIE PARTEI nach Rassismusvorwürfen gegen Parteikollegen Sonneborn verlassen hat, kann man Die Partei zumindest auf Europaebene nicht mehr ernst nehmen. Und angesichts der angespannten politischen Lage in Deutschland sollte man sich zweimal überlegen, seine Stimme einer Satire-Partei zu geben. Trotzdem: witziges, wenn auch nichtssagendes Plakat. 

Bündnis 90 – Die Grünen

[Foto: Volker Strauß | „Für ein Europa, das Menschen schützt”]

Die Grünen versuchen ihren Plakaten so viel Deutungsspielraum wie möglich zu verschaffen, sodass für jede:n etwas dabei ist, quasi ein politischer Roundhouse-Kick. Der Slogan „Für ein Europa, das Menschen schützt”, tangiert Themen wie Menschen- und Kinderrechte, Verbraucherschutz, soziale Fragen und Asylpolitik gleichzeitig, ohne dass daraus konkret eine Handlung abgeleitet werden muss. Die Partei scheint aus den letzten Jahren Ampel-Koalition mitgenommen zu haben, dass Realpolitik vor allem Kompromisse bedeutet. 

Ob populistische Sprüche, Zwei-Wort-Plakate oder Augenbrauen: Die Parteien in Deutschland versuchen mit Einfachheit, Populismus und „auf-den-gesunden-Menschenverstand-pochen” der AfD Paroli zu bieten. Dabei wäre es doch viel wichtiger, Energien in das Erreichen von Nichtwähler:innen und die Demokratisierung unserer Gesellschaft zu stecken. Aber das passt leider nicht auf ein Wahlplakat.


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