Artikel: Anna Olivia Böke | Das Sophomore-Album der Londoner Band Our Girl erschien am 08. November. [Foto: Anna Olivia Böke]
Von Anfang an steht eines fest: The Good Kind, das zweite Album von Our Girl, ist kein gewöhnliches Indie-Rock-Werk. Unter der Leitung von Frontfrau Soph Nathan hat die Londoner Band ein Album geschaffen, das sich nicht sofort entfaltet, sondern seine Schönheit langsam und mit Bedacht offenbart.
Obwohl es langsamer und nachdenklicher ist als das Debüt Stranger Today – ein Album, das ich persönlich zu meinen All-Time-Favorites zähle – hat The Good Kind seinen ganz eigenen Charme. Das erste, was auffällt, ist die Textur. Dieses Album lebt von Nuancen, von den kleinen musikalischen Details, die erst nach mehrmaligem Hören wirklich durchscheinen. Es ist ein Werk, das nicht für schnelle Playlists gemacht wurde, sondern für Menschen, die sich Zeit nehmen, Musik wirklich zu erfassen. Es ist diese Art von „altmodischem“ Album, das Hörer:innen auffordert, sich hinzusetzen und zuzuhören.
Das Album beginnt mit „It’ll Be Fine“ – einer sanften, fast beruhigenden Einleitung. Der Song ist schön, ja, aber irgendwie auch unauffällig. Glücklicherweise nimmt die Dynamik mit dem zweiten Track „What You Told Me“ schnell an Fahrt auf. Die Mischung aus schweren Gitarrenriffs und Soph Nathans sanfter Stimme schafft einen faszinierenden Kontrast, der einen sofort fesselt. Es ist einer der Höhepunkte des Albums, auch wenn die Energie nicht durchgehend gehalten wird.
Der Titelsong „The Good Kind“ und „Something About Me Being A Woman“ stechen besonders hervor. Letzterer Song überzeugt durch seine kluge, aber subtile Struktur und den einprägsamen Refrain. Es ist ein feministischer Indie-Rock-Hit, ohne sich anzubiedern oder zu aufdringlich zu wirken – ein Kunststück, das nur wenige schaffen. Diese beiden Songs zeigen das Potenzial von Our Girl, wirklich zeitlose Musik zu machen.
Trotz dieser Highlights gibt es auch Füllmaterial. Songs wie „I Don’t Mind“ und „Unlike Anything“ sind zwar atmosphärisch stark, ziehen sich aber im Vergleich zu den stärkeren Tracks etwas in die Länge. Das ist keine Kritik an der Qualität der Musik – die Produktion von John Parish ist makellos, und die Instrumentierung zeugt von Raffinesse, aber einige dieser Tracks bleiben nicht lange im Gedächtnis.
Einer meiner Favoriten ist jedoch „Something Exciting“. Der fuzzlastige Bass und die unkonventionellen Gitarrenmelodien lassen mich mir eine Live-Show vorstellen, bei der der ganze Raum in Energie badet. Dieser Song fängt das ein, was The Good Kind in seinen besten Momenten bietet: Emotionen und Introspektion, verpackt in dynamische Arrangements.
Insgesamt ist The Good Kind ein solides, wenn auch nicht perfektes Album. Es mag nicht die gleiche Direktheit und Kraft wie Stranger Today haben, aber seine leisen, nachdenklichen Momente zeigen die Weiterentwicklung der Band. Es ist ein Album, das wächst, je mehr man sich darauf einlässt – auch wenn man sich wünschen könnte, dass einige der ruhigeren Stücke mehr Fokus und Präsenz hätten.Für Fans von intelligentem, introspektivem Indie-Rock ist The Good Kind definitiv einen Hördurchgang wert. Es mag nicht jedes Mal ins Schwarze treffen, aber die Highlights sind stark genug, um das gesamte Album zu tragen: Es ist ein Album der „guten Art”.