Album des Monats: Blondshell – Blondshell

Artikel: Anna Olivia Böke | Die Deluxe Version des selbstbetitelten Debütalbums von Blondshell erschien am 06. Oktober über Partisan Records. [Foto: Anna Olivia Böke]

Sabrina Teitelbaum, besser bekannt als Blondshell, ist eine US-amerikanische Indie-Rock-Musikerin aus Los Angeles, Kalifornien. Nach einer frühen, poplastigen Karriere unter dem Namen BAUM startete sie am 07. April 2023 mit dem self-titled Album, produziert von Yves Rothman, in eine neue Ära. Warum ihr dieser neuen Ära ein Ohr schenken solltet, lest ihr hier. 

Die Welt aus Sabrina Teitelbaums Perspektive ist rau und voll von problematischen Männern, verirrten Freunden und der ständigen Versuchung betäubender Substanzen. Teitelbaum erkundet in ihrem Debütalbum das Erwachsenwerden und die vielen Herausforderungen, die es mit sich bringt. Dabei bedient sie sich einer musikalischen Ästhetik, die stark an die Alternative Rock-Acts der 90er Jahre erinnert, darunter Bands wie Hole, Liz Phair und die Cranberries. Seit dem Release im April dieses Jahres folgte eine Deluxe Version des Albums am 06. Oktober. Diese enthält zwei weitere Songs und zwei ruhigere Demoversionen der Songs Kiss City und Tarmac

Die Texte des Albums sind kraftvoll und eindringlich. Angefangen mit dem Track Veronica Mars, benannt nach einer amerikanischen Teen-Drama-Serie, die die Sängerin als Jugendliche geschaut hat, leitet sie die Zuhörer:innenschaft in ein Kernthema des Albums ein: Die Ursprünge ihrer komplexen Beziehungsdynamiken. Die Zeile „Logan’s a dick / I’m learning that’s hot” bezieht sich auf einen Charakter aus der Serie und einhergehende Prozesse der Sozialisierung, bei denen jungen Frauen übergriffiges Verhalten zu akzeptieren und bewundern angelernt wird, so Teitelbaum in einem Interview mit Apple Music.

Kiss City ist das Resultat der Datinglandschaft in der Pandemie, während der Teitelbaum die Songs für das Album schrieb. Mit seiner anfänglichen Zaghaftigkeit und dem Dreampop-esken, in Reverb getränkten Snare Sound, ist er eine Hymne für all die, die keine Lust mehr auf zwanglose Tinder-Dates und unpersönlichen Sex haben. Zeilen wie „I think my kink is when you tell me that you think I’m pretty” bringen den Wunsch nach Romantik und echten Gefühlen auf den Punkt. Der Song geht in der zweiten Hälfte voll auf. Nun singt sie lauthals und bekundet entschlossen ihre Bedürfnisse, mit einer Dringlichkeit, die befreit und beflügelt.

Besonders in Songs wie Salad wird Teitelbaums Wut und die Sehnsucht nach Rache deutlich. Dort plant sie die Ermordung des Angreifers einer Freundin: „She took him to the courthouse/And somehow he got off”, murrt sie über gedämpfte Power-Akkorde. „Then I saw him laughing with his lawyer in the parking lot”. Im Refrain geht Teitelbaums Band in voll aufgeblasenen Arena-Rock über – Dissonante, hohe Klaviertöne klingen inmitten von blechernen Gitarren. Ihre Stimme steigt zu einem schmerzhaften Schrei an, während sie eine erschütternde Zeile landet: „It doesn’t happen to women I know.”

Ein wiederkehrendes Thema auf dem Album ist der destruktive Drang nach Aufregung, sei es durch Drogen, Sex oder die leere Anerkennung von anderen. In dem Bonus Track Street Rat behandelt die mittlerweile nüchterne Sängerin das komplexe Thema von Drogensucht und der Unfähigkeit, die eigenen Bedürfnisse nach Konsum zu moderieren. „Wouldn’t feed that to a street rat / but it’s around”. Auch in Sober Together greift sie das Thema auf, indem sie den Rückfall einer Freundin betrauert, mit der sie zusammen nüchtern geworden ist und akzeptiert den Rückfall letztlich als Teil der Krankheit und des Heilungsprozesses.

Die anfangs eingeführten, angelernten toxischen Beziehungsmuster werden im Laufe des Albums weitererzählt. Auf Tracks wie Tarmac und Sepsis bekundet die Sängerin ihre Frustration nicht nur mit schlechten Beziehungspartner:innen, sondern geht vor allem mit sich selbst hart ins Gericht für die Akzeptanz von schlechtem Verhalten. Mit beißenden Zeilen in Sepsis, wie „He wears a front-facing cap/The sex is almost always bad” porträtiert sie einen enttäuschenden Ex-Freund, nur um im nächsten Atemzug zuzugeben, dass sie trotzdessen zu ihm zurückkehrt. Der Song ist ein Geflecht aus toxischer Liebe und Abhängigkeit – der springende Punkt ihrer Erkenntnis: “It should take a whole lot less to turn me off.” 


Teitelbaum, die als queere Songwriterin offen für ihre Bedürfnisse und Wünsche einsteht, zeigt sowohl starke als auch verletzliche Seiten von sich. Sie kombiniert altbekannte Rockeinflüsse geschickt mit poppigen Elementen und beweist ein besonderes Gespür für eingängige Melodien und nuancierten Gesang. Ihre Lyrics sind oft kritisch, reflektiert und ehrlich, insbesondere wenn es um selbstzerstörerische Beziehungen und die Verschmelzung von Liebe und Sucht geht. Insgesamt präsentiert Blondshell ein tiefgründiges und intensives Hörerlebnis, das die Zuhörer dazu einlädt, sich auf eine emotionale Reise zu begeben.


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