Barbenheimer – The Double Feature

Artikel: Nikita Verbitskiy | Illustration: JustRalphy

Das ganze Internet war monatelang in die düster-pinke Dichotomie der beiden Blockbuster getaucht. Am selben Tag kamen die Spielfilme in die Kinos: Barbie von Greta Gerwig und Christopher Nolans Oppenheimer. Memes über den krassen Kontrast der beiden Projekte und Anleitungen, wie man am besten aus beiden Filmen ein Event macht, übernahmen quasi das Marketing. Wir haben uns an das Double Feature getraut und uns beide Filme an einem Tag angeschaut. 

Konsens der Meisten schien zu sein: Erst Barbie, dann Oppenheimer. Ein spaßiger Start in den Tag, gefolgt von einem abendlichen Epos, das Filme von Nolan zweifellos versprechen. Um 14 Uhr ging es ins Cinestar, Nachos und Pepsi in der Hand, um von der pinken Wand, die Greta Gerwigs Film zeichnet, begrüßt zu werden. So pink tatsächlich, dass es während der Produktion in ganz Los Angeles keine pinke Farbe mehr zu kaufen gab. Sogar international kam es zu Knappheiten der knalligen Farbe. 

Barbie – Style over Substance

Die erste Hälfte des Films ist eine rosarote Achterbahnfahrt, die einfach nur Spaß macht. Detailverliebtes Set-Design, inspiriert von den echten Barbie-Häusern, bis hin zu den mangelnden Treppen zum Erdgeschoss, da Barbie einfach herab schwebt. Ihre Bürste ist zu groß, der rosa Cadillac etwas zu klein und das Essen aus Plastik. Margot Robbie und Co. spielen die Rollen körperlich phänomenal. Sie sind steif, bewegen sich fast schon mechanisch und kommen gar nicht aus dem Grinsen raus. Wieso auch, im Barbieland ist alles perfekt. Gestört nur von Barbies ach so unperfektem Moment des Existenzialismus, treffend symbolisiert durch ihre nicht mehr High-Heel geformten Füße. 

Gerwigs und Baumbachs Drehbuch brilliert durch selbstironischen Humor und Gosling stiehlt sowohl als Fußabtreter-Ken, als auch in seiner patriarchalischen Phase des Pferdewahns die Show. Leider schwächelt die zweite Hälfte des Films in seinem Versuch, ein feministisches Action-Abenteuer aus der Story zu schaffen. Das Mutter-Tochter-Duo erinnert an einen melodramatischen Coming-of-Age Fernsehfilm und die feministische Botschaft ist genauso oberflächlich, wie ihre Art sie uns mitzuteilen. Neue Fragen werden keine aufgeworfen, so wird die Frage nach Non-Binarität in einer Barbie- und Ken-Welt auch bitterlich vermisst. Gerwigs übliche Stärke in diesem Feld ist leider Fehl am Platz – It’s giving Feminismus für Anfänger:innen. 

Das Problem hier liegt auch in der Stimmung. Barbie hätte ein perfekter, maximalistisch-absurder Spaß sein können. Doch der ernste Ton in der zweiten Hälfte trübt das Bild und der mangelnde Tiefgang der besprochenen Themen wird dem nicht gerecht. Der sarkastische Humor und die selbstreferentiellen Sprüche der Figuren haben die gleichen Themen bereits treffender und subtiler behandelt. So war die Szene an der Bushaltestelle, in der Barbie klar wird, was es heißt zu existieren, ein Beispiel, wie Ernsthaftigkeit doch in dem Setting funktionieren kann, ohne uns die Message plakativ auf die Stirn zu binden. Insgesamt ein doch gelungener Film, da Requisiten und Humor es zu einer absoluten Augen- und Ohrenweide machen, doch einiges an Potenzial wurde hier leider vertan.

Oppenheimer – Nolans Trailer-Epos

Während Barbie mit der Zeit an Stärke verlor, war bei Oppenheimer das Gegenteil der Fall. Die erste Hälfte des Films ist geschnitten und musikalisch unterlegt, als wäre es ein anderthalbstündiger Trailer. Keine Szene verweilt lang genug, um emotional eintauchen zu können und die eigentlich äußerst gelungene Vertonung von Göransson wird so inflationär verwendet, dass sie an Gewicht verliert. Es entsteht ein Flickenteppich an Szenen, der zwar unterhält, die Spannungskurve jedoch zu stark versucht anzutreiben und dadurch genau daran scheitert. 

Ab dem Bombentest ist es Zuschauer:innen allerdings vergönnt, die Spannung ihrerseits aufrechtzuerhalten. Der Schnitt wird ruhiger, die Musik etwas rarer und umso effektiver. Oppenheimers Ansprache nach dem nuklearen Angriff auf Japan stellt ein absolutes Highlight des Films dar. Die visuelle und auditive Darstellung seiner Panikattacke geht ins Mark. Man versteht in den folgenden Szenen seinen Gemütszustand immer besser und erwischt sich dabei, wie man sich dieselben moralischen Fragen stellt. „Was hätte ich getan?“. In Nolan’scher Manier endet der Film mit einem grandiosen Epos und versetzt den gesamten Saal in kollektives Schweigen. 

Darstellerisch fährt Nolan hier einiges auf. Cillian Murphy hat hier die Rolle seiner Karriere. Sein Blick allein meißelt sich in die Augen der Zuschauer:innen. Der restliche Cast ist mit Matt Damon, Emily Blunt und insbesondere Robert Downey Jr. effektiv besetzt und verschafft dem Skript die Dynamik, die es verdient. Kameratechnisch wird auf einem zu erwartend hohen Level gearbeitet, Nolans Antipathie gegen CGI zahlt sich aus.

The Double Feature
Insgesamt verlassen wir den Abend erfüllt. Die Bandbreite an Emotionen, die nur durch zwei sich so enorm unterscheidende Filme abgedeckt werden kann, macht sich bemerkbar. „Barbenheimer“ ist zwar ein Meme, ergibt aber im Nachhinein als eine große Spannungskurve über den ganzen Tag hinweg durchaus Sinn. Insgesamt erfüllen beide Filme ihre so kontrastierenden Ziele ähnlich gut. Die Erwartungen, mit denen wir in die Filme gingen, wurden weder enttäuscht, noch übertroffen. Dadurch, dass Oppenheimer einen mit einer sehr viel eindrucksvolleren Stimmung verlässt und dieses Gefühl bei Barbie im Laufe des Films eher getrübt wird, sichert sich Nolan hier allerdings einen mikroskopischen Vorsprung.


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