Ein Klimastreik in Duisburg zur Zeit des Aufschwungs von Fridays for Future im Jahr 2019. [Foto: Malte Eumann]
Vor sechs Jahren gelang der Fridays for Future-Bewegung erstmals ein internationaler Durchbruch. Was hat die Bewegung seitdem erreicht, wie wird mit dem Rechtsruck im Ruhrgebiet umgegangen und welche Aufgaben hat die Politik im Klimadiskurs? Wir haben mit Yasin Hinz, dem Sprecher von Fridays for Future Duisburg, geredet und ziehen Bilanz.
Am 20. August 2018 saß die schwedische Schülerin Greta Thunberg mit einem Schild mit der Aufschrift „Schulstreik für das Klima“ vor dem Parlament in Stockholm. Daraufhin schlossen sich Tausende Schüler:innen weltweit diesem Aktivismus an und es entstand die Bewegung Fridays for Future (FFF). „Wir sind am 14. Dezember 2018 das erste Mal auf die Straße gegangen, da war ich ungefähr 11 Jahre alt“, erinnert sich der heute 17-jährige Yasin Hinz. Yasin kommt aus Köln, ist Teil der Duisburger Ortsgruppe von FFF und Sprecher der Bewegung auf Bundesebene. Wir haben ihn zur Entwicklung der Klimabewegung, zu aktuellen Gefahren durch den Rechtsruck und der Lage von FFF im Ruhrgebiet interviewt.
2019 erhielt die Klimabewegung einen rasanten Aufschwung, FFF konnte in Deutschland sehr viele Menschen mobilisieren. Am 15. März 2019 fand der erste internationale Klimastreik statt. „Wir haben in 553 Orten gestreikt und waren damals schon über 300.000 Menschen bundesweit. In den Monaten danach ist die Zahl noch rasant gestiegen“, erzählt Yasin. Im September 2019 waren es dann 1,5 Millionen Menschen auf der Straße. Yasin sieht als Grund für den großen Zuwachs, dass 2019 das Europaparlament gewählt und zum ersten Mal wirklich über Klimaziele geredet wurde. „Dieser bis dahin unkonkrete Weg wurde definiert und viele Menschen haben sich dahinter gefunden.“ Vor allem im Ballungsraum Ruhrgebiet hat sich beim Aufschwung viel Potenzial gezeigt. Viele Einwohner:innen mehrerer nah beieinander liegender Großstädte bildeten riesige Klimastreiks. Yasin merkt aber auch an, dass hier die Schere zwischen Arbeiter:innen und Akademiker:innen nochmal größer sei im Vergleich zu Städten wie Berlin oder Köln.
Inzwischen ist die Zahl der Streikenden abgeebbt. Möglicherweise aus Gründen der Hoffnungslosigkeit, da sich politisch nicht viel verändert hat. Aber auch, weil das Thema von Rechtsruck und weiteren Problemen überschattet wird und im medialen Diskurs kaum Platz findet. „Aus den Koalitionsverhandlungen hört man heute raus, dass die Union und die SPD den Kohleausstieg doch wieder auf 2038 verlegen wollen. Dieser Rückschritt ist eine Gefahr“, betont Yasin. Durch das Pariser Klimaabkommen von 2015 war der Kohleausstieg ursprünglich für 2030 angesetzt. Trotzdem hat FFF es geschafft, die Relevanz und Akzeptanz der Klimakrise in den Köpfen vieler Menschen zu verankern: „2019 musste man der Menschheit noch erklären, dass es die Klimakrise gibt. Jetzt ist der Menschheit bewusst, dass es sie gibt.” Aber: „Einige wollen sie verleugnen, einige nehmen sie immer noch nicht wahr.“
Rechtsruck im Ruhrgebiet
In den letzten Jahren ist ein starker Rechtsruck in der Gesellschaft zu erkennen. Auch die Wahlergebnisse der Europawahl 2024 und Bundestagswahl 2025 zeigen, dass rechte Strukturen immer mehr Zuwachs und Reichweite bekommen. „Vor allem im Ruhrgebiet und in ganz NRW merken wir, dass es total salonfähig wird, dass sich wieder rechte Strukturen bilden“, bemerkt Yasin. Erst am 15. März fand ein Neonazi-Aufmarsch in der Essener Innenstadt statt, gleichzeitig gab es Gegenproteste. Solche Situationen sind auch für die FFF-Bewegung neu, da sie nie so stark gegen Faschist:innen und Konservative haben kämpfen müssen wie aktuell. „Es ist vollkommen absurd, wenn man überlegt, dass 2019 die Ökos auf der Straße waren und jetzt stehen die Faschos auf der Straße.“ Auch dies stellt einen gefährlichen Rückschritt dar.
Die Klimakrise kann Jobs kosten, beispielsweise in Stahlwerken. Yasin erzählt, wie FFF versucht, die Jobs oder Weiterbildung von Stahlarbeiter:innen im Ruhrgebiet zu sichern, indem persönliche Haustürgespräche geführt werden. Dass Menschen ihre Jobs verlieren, dass eine Transformation wie zum Beispiel durch Umschulungen aber auch Vorteile bringt, wird von politischer Ebene nicht transparent vermittelt. Meist sind Menschen betroffen, die in Gebieten wohnen, wo die AfD regelmäßig Stände aufstellt und versucht, „ihnen die Sorgen zu nehmen.“ Auch Yasin hat in Duisburg ein Stahlwerk besucht und in der Gegend an Haustüren geklingelt, um Transparenz zu vermitteln: „Manchmal wurde mir die Haustür vor der Nase zu gekloppt, aber ich habe auch nette Gespräche geführt und Einsicht erfahren.“ Er meint, viele wissen oft nicht wohin mit sich, weil so viele Krisen auf einmal passieren. „Wenn sich die AfD dann hinstellt und sagt ‚Hey, ich habe die Lösung dafür‘, dann haben sie halt ihren Wähler gefunden.“ Dass diese angeblichen Lösungen entweder keine sind oder auf Kosten anderer Dinge gehen, verschweigt die AfD.
Die Politik sollte den Unterschied machen
Ebenfalls Ziel des Pariser Klimaabkommen ist es, die Erderwärmung bis 2030 auf 1,5 Grad zu begrenzen. „In 2019 wollte man anzweifeln, dass 1,5 Grad machbar sind“, sagt Yasin und erzählt, dass FFF daraufhin mit dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie die 1,5-Grad-Machbarkeitsstudie veröffentlicht hat. Die Bundesregierung hat die Finanzierung der Studie verweigert mit dem Grund, dass laut Expert:innen das Pariser Klimaabkommen nicht einzuhalten sei. Daraufhin hat sich FFF mit weiteren Organisationen zusammengeschlossen und die Machbarkeitsstudie finanziert. Diese zeigte dann, dass die Bundesregierung und das Europaparlament falsch lagen und sie sofort etwas in Bewegung hätten setzen müssen.
Häufig ist die Rede davon, das Individuum müsse darauf achten, klimaschützend zu leben. Dass die Aufgabe bei der Politik und den Großkonzernen liegt, wird oft nicht in den Mittelpunkt gerückt. Zum Tag der Erde am 22. April lautet das diesjährige Motto „Du machst den Unterschied“. Ein Anliegen der FFF-Bewegung war es schon immer, bewusst zu machen, dass nicht die einzelne Person für die Klimakrise schuldig ist. „Aber wir alle müssen dafür kämpfen, dass die Politik in die Pötte kommt und sich mit den Großkonzernen anlegt“, betont Yasin. Es sei nur dann möglich, klimaneutral zu leben, wenn die Gegebenheiten, wie soziale Gerechtigkeit, gegeben sind und dafür müsse die Politik zuerst sorgen, bevor das Individuum beschuldigt werden kann. „Letztendlich machst nicht du alleine den Unterschied.“