Internationales Frauen Film Fest Dortmund+Köln – Was euch erwartet

Artikel: Selome Abdulaziz | Der Stummfilm Filibus wird live von zwei Musikerinnen begleitet. [Foto: IFFF Dortmund+Köln]

Beim Internationalen Frauen Film Fest Dortmund+Köln stehen Filme von Frauen und nicht-binären Personen im Mittelpunkt. Vom 18. bis zum 23. April könnt ihr Kurz-, Dokumentar-, Spiel- und Stummfilme in Dortmunder und Kölner Kinos sehen. Wir stellen euch eine Auswahl des Programms vor.

Das Internationale Frauen Film Fest Dortmund+Köln (IFFF) findet jährlich abwechselnd in Dortmund und Köln statt. Es ging 2006 aus der Fusion der Frauenfilmfestivals femme totale (Dortmund) und Feminale (Köln) hervor, die bei in den 1980ern entstanden sind, und ist Deutschlands größtes Forum für Frauen in der Filmbranche. In diesem Jahr ist Dortmund der Hauptaustragungsort. Einen Teil der Filme gibt es parallel dazu auch in Köln zu sehen. Vom 18. bis zum 23. April könnt ihr in ausgewählten Kinos beider Städte das abwechslungsreiche Programm besuchen. Herzstück des Festivals ist der Internationale Spielfilmwettbewerb, der dieses Jahr zum zehnten Mal vergeben wird. Acht Spielfilme von Regisseur:innen konkurrieren um den mit 15.000 Euro dotierten Preis. In der Rubrik Panorama des IFFF werden die Grenzen des Filmemachens ausgetestet – genau das Richtige für Fans des experimentellen Kinos. Hobby-Filmkritiker:innen unter euch können beim Publikumspreis auswählen, welcher Film euch am besten gefallen hat. Eine Auswahl der Filme könnt ihr vom 18. bis zum 30. April auch online schauen.

Die Sektion begehrt! – filmlust queer präsentiert Filme, die sich mit sexueller Identität und Vielfalt auseinandersetzen. Leah Gerfelmeyer hat als Kurationsassistentin gemeinsam mit der Kuratorin Natascha Frankenberg die gezeigten Filme ausgewählt. Für Gerfelmeyer hängen queere und feministische Anliegen miteinander zusammen: „Es geht jeweils um den Kampf gegen patriarchale Strukturen. Wir leben in einem System, das sowohl Frauen als auch queere Menschen diskriminiert.“ Für sie haben queere Themen eine eigene Sektion beim IFFF verdient, da Filme in diesem Bereich zu wenig Sichtbarkeit bekommen. Außerdem betont sie: „Es gibt eine immense Queerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft, insbesondere gegenüber trans* und nicht-binären Menschen, mit denen sich feministische Veranstaltungen immer solidarisch zeigen sollten.“ Gerfelmeyer hält es auch für wichtig, in der Arbeit des Festivals die Lebensrealitäten von Menschen mitzudenken, die nicht in ein cis-normatives, binäres Geschlechterverhältnis passen. „Auch nicht-binäre Menschen und trans* Personen sollen beim IFFF sichtbar sein.”

Die Kurationsassistentin freut sich über alle, die das Festival besuchen und sich einen Film aus der queeren Sektion anschauen. Besonders empfiehlt sie die brasilianische Dokumentation Blooming on the Asphalt von Coraci Ruiz. „Die Regisseurin begleitet einen jungen trans* Mann und hält sein Aufwachsen, seine Transition und seinen Aktivismus in einer Gesellschaft, die immer queerfeindlicher wird, fest. Das ist sehr berührend und auch ästhetisch ein toller Film“, erzählt sie. Der Film läuft zusammen mit dem Kurzfilm „Ob Scene“ von Paloma Orlandini Castro am Samstagabend in der Schauburg in Dortmund.

Kompliz:innen

Betty Schiel ist freiberufliche Filmkuratorin und seit 1996 für das Internationale Frauen Film Fest Dortmund+Köln (IFFF) beziehungsweise den Vorgänger femme totale tätig. Dieses Jahr ist sie als Kuratorin für den Fokus: Kompliz*innen zuständig. Sie studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. „Ich glaube, dass ich mein Studium abgeschlossen habe und dabei in sechs Jahren bis 1996 vielleicht zwei Filme von Regisseurinnen gesehen hatte“, erinnert sie sich zurück. Als sie das erste Mal an dem Frauenfilmfestival femme totale mitwirkte, war sie überwältigt und schätzt bis heute am IFFF die Offenheit und die Vielfalt der Möglichkeiten beim Kuratieren. Inspiriert wurde Schiel beim diesjährigen Thema Kompliz*innen von dem Buch Getting Medieval der queeren Historikerin Carolyn Dinshaw. Dinshaw beleuchtet in ihrem Werk Texte aus dem 14. Jahrhundert und schlägt ein queeres Begehren ins Mittelalter hinein vor. „Es ist eine total schöne Vorstellung, über die Jahrhunderte hinweg nach Kompliz:innen zu suchen, die ähnliche Anliegen haben wie wir heute, und sich mit ihnen in Verbindung zu setzen“, findet Schiel. Das Kino sieht sie als sehr geeigneten Ort für diese zeitüberwindenden Begegnungen. „Die Leinwand stellt diese direkte Verbindung her. Man kann in Kontakt treten, auch schwärmerisch, und sich beispielsweise in die Hauptdarstellerin verlieben.“ Besonders interessant findet Schiel die Gegenüberstellung von Stummfilmen aus den 1910er Jahren mit aktuellen Arbeiten.

In den frühen Stummfilmen sieht sie einen revolutionären Geist und anarchischen Witz. „Da ist eine unglaublich erfrischende Energie und es ist vor allem unformatiertes Kino, das sich gerade erst erfindet. Damals war noch nicht klar, welche Genres sich entwickeln würden und der Einfluss erfolgreicher Schauspielerinnen war oft viel größer als heute.“ Zuschauer:innen, die nur für eine Vorstellung Zeit haben, empfiehlt sie, den Film Filibus anzuschauen. Der italienische Stummfilm von Mario Roncoroni aus dem Jahr 1915 erzählt die Geschichte der futuristischen Luftpiratin Filibus, die von ihrem Zeppelin aus Sizilien terrorisiert. Die Filmvorführung wird musikalisch von Gunda Gottschalk an der Violine und Mariá Portugal am Schlagzeug begleitet. „Das ist eine ungewöhnliche Stummfilmbegleitung, oft wird Klavier genommen“, erklärt Schiel. „Die beiden Musikerinnen machen improvisierte neue Musik. Das heißt, man wird das so auf keinen Fall nochmal sehen können. Diese Veranstaltung ist einzigartig.“ Anschauen könnt ihr das Spektakel am 21. April um 17 Uhr im Dortmunder Kino sweetSixteen.

Für Schiel haben Filme einen starken Einfluss auf die Gesellschaft. „Die Bilder im Kino sind ein Abbild der Gesellschaft, in der wir leben. Wenn unterschiedliche Menschen daran beteiligt sind, diese Bilder zu erstellen, haben wir auch ein vielfältigeres Bild unserer Gesellschaft“, sagt sie. Als Beispiel nennt sie den Film Alles wird gut von Angelina Maccarone, der am 19. April im Roxy in Dortmund im Rahmen des IFFF gezeigt wird. Der Spielfilm von 1998 war der erste deutsche Unterhaltungsfilm im Fernsehen mit Schwarzen Protagonist:innen, zudem geht es um eine lesbische Liebesgeschichte. Die Drehbuchautorinnen Maccarone und Fatima El-Tayeb wollten Schiel zufolge einen Film machen, der ihre Community in den Mittelpunkt rückt. „Was nicht auf der Leinwand gezeigt wird, wird nicht gesehen, es findet nicht statt. Viele Leute werden nicht wahrgenommen, die aber viel zu sagen haben“, kritisiert sie. Für eine Veränderung in der Diversität der Filmlandschaft müssten sich laut Schiel die Entscheidungsträger:innen ändern, die vorgeben, welche Geschichten erzählenswert sind.


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